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Regierungsbildung gescheitert
Italien drohen Neuwahlen

Die Regierungsbildung aus Lega und Fünf-Sterne-Bewegung in Italien ist gescheitert. Staatspräsident Sergio Mattarella hat den Euro-Kritiker Paolo Savona als neuen Wirtschaftsminister abgelehnt. Der designierte Ministerpräsident Giuseppe Conte will daraufhin auf sein Amt verzichten.

Von Jan-Christoph Kitzler | 28.05.2018
    Sergio Mattarella
    Nach der gescheiterten Regierungsbildung in Italien hat der Chef der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung die Absetzung von Staatspräsident Sergio Mattarella gefordert. (AFP/ Vincenzo Pinto)
    Staatspräsident Sergio Mattarella sagt, er habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht – am Ende bringt er eine Regierungskoalition und eine Regierung zu Fall, noch bevor sie mit der Arbeit begonnen hat. Am Abend war Giuseppe Conte noch einmal auf den Quirinalshügel gekommen, den Amtssitz des Staatsoberhauptes, um seine Ministerliste absegnen zu lassen. Doch Mattarella legte sein Veto ein:
    "Ich habe alle Vorschläge für die Ministerien akzeptiert – außer den für das Wirtschaftsministerium. Ich habe um einen starken politischen Kandidaten aus der parlamentarischen Mehrheit gebeten, der sich mit dem Programm identifiziert. Und der, abgesehen von der Person nicht häufig als Vertreter einer Linie aufgefallen ist, die am Ende den Austritt Italiens aus dem Euro bedeuten könnte."
    Gemeint war Paolo Savona. Der 81-Jährige war zuletzt zur Nagelprobe für die neue Regierung geworden. Der Wirtschaftsfachmann hatte in den letzten Jahren immer radikalere Töne angeschlagen, hatte nicht nur gegen den Euro und die EU gewettert, sondern auch heftig gegen Berlin geschossen. Deutschland habe die Vision seiner Rolle in Europa seit dem Ende des Nationalsozialismus nicht verändert, schrieb er vor kurzem in seiner Autobiographie, sondern allein die Idee aufgegeben, sie militärisch umzusetzen. Gerade solche Töne qualifizierten Savona in den Augen der Fünf-Sterne-Bewegung und der Lega für den Job. Matteo Salvini, der Chef der Lega, hatte bis zum Schluss an der Personalie festgehalten und war nicht bereit einzulenken:
    "Wir sollen etwas Bewegungsfreiheit haben, aber an der Kette. Denn wir dürfen keinen Minister haben, der Berlin nicht gefällt. Wenn aber dieser Minister gewissen starken Mächten auf die Nerven geht, die uns massakriert haben, dann heißt das, dass er der Richtige ist."
    Vom Staatspräsidenten ausgebremst
    Auffällig ist, dass auch Luigi di Maio von der Fünf-Sterne-Bewegung das gleiche Wort benutzt, wenn es um die Feinde von außen geht: massakriert. In den letzten Wochen hatten die beiden nun gescheiterten Koalitionspartner mühsam eine Art Koalitionsvertrag ausgehandelt, sich auf Regierungschef und Kabinett geeinigt – und wurden nun vom Staatspräsidenten ausgebremst:
    "Nach diesem Abend ist es wirklich schwierig, noch an die Institutionen und die Gesetzes des Staates zu glauben. Was mich am meisten wütend macht, ist, dass uns eine Regierung verweigert wurde, weil wir einen Minister benannt haben, der schon zur Regierung Ciampi gehörte. Er hat nur das Verbrechen begangen, ein Buch geschrieben zu haben, in dem er schreibt, dass Europa, so wie es gemacht ist, Bauern massakriert, junge und ältere Italiener, Unternehmer und Unternehmen."
    Di Maio hat noch am Abend ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Staatspräsidenten ins Gespräch gebracht. Das sieht die Verfassung zwar vor, aber nur im Fall von Hochverrat und groben Verstößen gegen die Verfassung – von denen keine Rede sein kann. Im Gegenteil: Mattarella hat seinen Job gemacht, und zum Beispiel bei seiner Entscheidung die maroden Staatsfinanzen und den Schutz der Ersparnisse der Italiener im Blick gehabt, was die Verfassung von ihm ausdrücklich verlangt:
    "Unsere Staatsverschuldung wächst Tag für Tag, was den Spielraum des Staates für soziale Eingriffe reduziert. Die Verluste an der Börse verbrennen Tag für Tag Ressourcen und Erspartes unserer Unternehmen und derer, die in sie investiert haben. Es gibt konkrete Risiken für die Ersparnisse der Bürger und der italienischen Familien."
    Keine großen Reformen in Sicht
    Auch angesichts dieser Lage wird heute Carlo Cottarelli auf dem Quirinalshügel erwartet. Er könnte Chef einer Übergangsregierung des Staatspräsidenten werden und soll vor allem die Märkte beruhigen. Denn als ehemaliger Direktor im Internationalen Währungsfonds genießt er hohes Ansehen in der Finanzwelt – und hat als eine Art Sparkommissar konkrete Vorschläge gemacht, wie der italienische Staat effizienter werden kann. Große Reformen wird er angesichts der Mehrheitsverhältnisse im italienischen Parlament nicht anpacken können. Aber bis zu Neuwahlen im Herbst hätte Italien wenigstens eine Regierung, die die Amtsgeschäfte führt.