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Regierungsbildung in Hamburg
Anbau statt Umbau

Noch steht der Koalitionsvertrag der neuen rot-grünen Hamburger Landesregierung nicht, einige Punkte sind aber bereits bekannt: Die Elbe wird wie geplant um einen Meter vertieft und eine Straßenbahn wird es nicht geben. Damit haben die Grünen ihre Ziele nicht durchsetzen können. Als Verlierer der Verhandlungen sehen sie sich dennoch nicht.

Von Axel Schröder | 02.04.2015
    Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz und die Spitzenkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen für die Hamburger Bürgerschaftswahl, Katharina Fegebank
    Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz und die Grünen-Spitzenkandidatin Katharina Fegebank am Wahlabend (dpa / Christian Charisius)
    Es herrscht grenzenlose Harmonie, grenzenlose Gelassenheit. Jedenfalls nach außen hin. Und wenn bei den Hamburger Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Grünen doch mal ein Hauch von Uneinigkeit nach außen dringt, steht der Erste Bürgermeister Olaf Scholz bereit. Und wiegelt gewohnt stoisch ab:
    "Ich finde, dass wir ein großes Werk vor uns haben. Es geht darum, eine Regierung zu bilden, die fünf Jahre lang ordentliche Arbeit leistet. Da muss man sich auch für jedes Detail Zeit nehmen und das tun wir."
    Die Scholz'sche Gelassenheit hat natürlich Gründe: Seine Landes-SPD hat bei der Bürgerschaftswahl fast 46 Prozent der Stimmen geholt, die Grünen mit rund zwölf Prozent gerade einmal ein Viertel davon. Für Olaf Scholz war denn auch von Anfang an klar:
    "Ich kann sagen, wie ich die Dinge sehe und wie wir das sehen: Es geht – glaube ich - nicht um einen Umbau, sondern um einen Anbau."
    Zerstörte Träume
    Und dieser kleine grüne Anbau am prächtigen roten Herrenhaus fällt aller Voraussicht nach sehr bescheiden aus. Die grünen Träume von einer Straßenbahn in Hamburg sind längst vom Tisch. Und die Elbe wird – falls die Gerichte dem zustimmen – um einen Meter vertieft. Auf den in seiner Bescheidenheit fast schon skurrilen grünen Vorschlag, den Fluss nur um 70 Zentimeter auszubaggern, sind die Genossen gar nicht erst eingegangen. Und auch an der Belastung der Bürger durch giftiges Stickstoffdioxid aus Auspuffrohren wird sich unter Rot-Grün nichts ändern.
    Zwar verstößt der Senat dann immer noch gegen geltendes EU-Recht. Aber immerhin hatten die Öko-Partei überhaupt mal über eine Umweltzone und die Minderung von Luftschadstoffen sprechen dürfen. Um dann, so die grüne Unterhändlerin Katharina Fegebank, dem Kurs der SPD, dem Nichtstun, zu folgen:
    "Wir haben darüber gesprochen und das ist jetzt der Weg, den wir gehen."
    Ob diesen Weg dann aber die grüne Basis mitgeht? Maximilian Bierbaum, Vorsitzender der Grünen Jugend in Hamburg ist skeptisch:
    "Leichtes Magengrummeln besteht auf jeden Fall. Ich nehme da von unseren Mitgliedern sehr viel Skepsis wahr. Sehr viel Unzufriedenheit in einigen Teilen. Wir haben ja nun auch schon ein paar Mal mit der Verhandlungskommission gesprochen, werden das auch nächste Woche noch mal tun.
    Da sind schon einige Kritikpunkte zur Sprache gekommen. Aber auch wir werden uns nächste Woche den fertigen Vertrag anschauen und dann am Ende bewerten, ob wir uns damit anfreunden können oder ob wir sagen: „Nee, das reicht uns am Ende nicht."
    Kleinere Erfolge
    Ganz ohne Verhandlungserfolge stehen die zukünftigen Bewohner des grünen Anbaus aber nicht da: Mehr Fahrradwege soll es in der Hansestadt geben, mehr Naturschutzgebiete, ein bisschen mehr Geld für die Hochschulen, ein bisschen mehr Personal in den Kindertagesstätten der Stadt. Auf sozialdemokratisches Granit beißen die Grünen derzeit noch bei der Debatte um geschlossene Heime für straffällige Jugendliche und in der Flüchtlingspolitik. Um diese Themen, so der grüne Unterhändler Jens Kerstan, werde hinter verschlossenen Türen nach wie vor hart gerungen:
    "Da haben wir uns nie Illusionen gemacht, dass das Ganze jetzt vergnügungssteuerpflichtig sein könnte. Sondern das sind schwierige Verhandlungen in vielen Themenbereichen und auch hart. Und auch bei manchen Bereichen sind wir noch nicht am Ende. Wir haben ja am Montag über den Bereich Jugendhilfe und Inneres geredet und haben in all den schwierigen Punkten, die es dort gibt, bislang noch keine Einigung erzielt. Insofern ist das weiterhin ein zähes Ringen."
    Ein Ringen mit einem Bürgermeister Olaf Scholz, den Jens Kerstan als einstiger Oppositionspolitiker als besonderen Sturkopf beschrieb. Wenn der politische Gegner nicht seiner Meinung ist, so Kerstan über den Bürgermeister, kann es in dessen Augen eigentlich nur daran liegen, dass er die Gedankenwelt des Olaf Scholz einfach nicht versteht. – Scheitern werden die Verhandlungen trotz einiger immer noch strittiger Punkte aber wohl nicht mehr. Längst wird darüber diskutiert, wie viele Senatorenposten die Grünen besetzen dürfen.
    Und auch die grüne Basis wird sich dem Koalitionsvertrag kaum in den Weg stellen. Immerhin, erklärt der Hamburger Politikwissenschaftler Kai-Uwe Schnapp, sind die Grünen an der Elbe waschechte Realos, die auch schon zusammen mit der CDU die Stadt regiert haben.
    "Ich glaube, für grüne Fundamentalisten sind die Hamburger Grünen ohnehin nicht mehr ganz das, woran sie ihr politisches Herz hängen. Wer sich traut, mit der CDU eine Landesregierung zu starten, der ist natürlich an verschiedenen Stellen auch schon bereit, Zugeständnisse zu machen, dafür, dass man an anderen Stellen die eigenen politischen Ziele auch durchsetzen kann."
    Welche Ziele das sein werden, wie schick der grüne Anbau einmal aussehen soll, wird nächste Woche verkündet. Dann soll der Koalitionsvertrag fertig sein und Mitte April Olaf Scholz zum Chef der rot-grünen Koalition gewählt werden. Erst einmal, das wünschen sich nicht nur die Grünen, sondern auch SPD-Fraktionschef Andreas Dressel und natürlich auch der Bürgermeister, sollen sich alle gedulden. Vor allem die Journalisten in der Hansestadt:
    "Sie machen jetzt Ostern! Wir arbeiten! Und dann gibt es nach Ostern – so hoffen wir – ein Ergebnis."
    "Ich sagte schon: Lesen Sie, wenn's fertig ist, den Koalitionsvertrag. Da steht vieles drin und es wird Sie begeistern. Da wünsche ich Ihnen dann viel Spaß!"