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Regierungskoalition uneins
Niedersachsen bricht Fracking-Streit vom Zaun

Der niedersächsische Wirtschaftsminister Olaf Lies hat mit seinem Vorstoß zur möglichen Zulassung von Fracking in seinem Bundesland für viel Unruhe gesorgt. Umweltverbände sind empört und in Berlin droht Streit in der Regierungskoalition. Ein Gesetz, das auch den Umweltbedenken beim Fracking Rechnung trägt, lässt noch auf sich warten.

Von Volker Finthammer | 16.06.2016
    Ein Plakat mit der «Stop Fracking» steht am 03.06.2014 in Brünen (Nordrhein-Westfalen) am Niederrhein in einem Feld.
    Die Grünen rechnen bei Fracking-Zulassung mit einem "Kampf um jedes Bohrloch" (dpa / Martin Gerten)
    Als empörend bezeichnet der Bundesverband der Bürgerinitiativen (BBU) für den Umweltschutz den gestrigen Vorstoß von Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies, der bereits im Vorfeld des Verbandstages der deutschen Erdgas- und Erdölindustrie in Hannover gegenüber der "Frankfurter Allgemein Zeitung" erklärt hatte: Wenn es nicht bald zu einer neuen Regelung und Genehmigungsverfahren für Fracking auf Bundesebene komme, dann werde das auf Länderebene vernünftig umgesetzt und gelöst werden.
    In einer Videobotschaft zum, gestrigen Verbandstag hatte Lies ergänzt: "Wir brauchen aber eine Zukunft für Erdöl und Erdgas-Förderung in Niedersachsen und in Deutschland. Und deswegen werden wir auf niedersächsischer Seite alle Rahmenbedingungen dafür schaffen, in enger Zusammenarbeit auch mit Ihnen, dass die Zukunft von Erdöl, Erdgas und auch vom Geothermie und Geoenergie gesichert ist."
    Dieser Vorstoß bedeutet neuen Streit für die Regierungskoalition in Berlin. Denn im Koalitionsvertrag hatten Union und SPD vereinbart, die Anwendung der umstrittenen Technologie gesetzlich zu regeln unter Einbeziehung aller umweltpolitischen Bedenken.
    Koalition bei Gesetzentwurf noch uneins
    Vor allem die Wasserwirtschaft fordert strenge Umweltauflagen zum Schutz des Grundwassers. Und viele Anwohner haben Angst vor möglichen Erdstößen, die durch die Förderungstechnik ausgelöst werden können. Beim Fracking wird unter hohem Druck und mithilfe von Chemikalien Erdgas aus dem Gestein gelöst.
    Einen Gesetzentwurf mit strengeren als den bisherigen Regeln gibt es bereits, doch die Koalitionsfraktionen konnten sich bislang nicht darauf einigen. Während der Wirtschaftsflügel der Union möglichst industriefreundliche Regelungen fordert, treten die Sozialdemokraten für starke Beteiligungsrechte des Parlaments ein. In beiden Fraktionen finden sich Befürworter wie Gegner der Technologie. Der letzte Versuch zur Einigung scheiterte im April.
    Dorothea Steiner vom BUND Niedersachsen spricht gegenüber dem NDR von einer gezielten Provokation des SPD-Wirtschaftsministers: "Erstens gibt es ein Energiewendevorhaben, dem wir uns alle verschrieben haben, auch seine Regierung, und dann hat er auch noch einen Koalitionspartner, der diese Frage anders sieht. Also, das ist sicher jetzt erst einmal ein Vorstoß, um auch dem Bund zum Handeln zu bringen."
    Grüne: Es gibt einen Kampf um jedes Bohrloch
    Die grünen Koalitionspartner sind entsetzt. Das erklärte der energiepolitische Sprecher Volker Bajus gegenüber unserem Programm. Doch verhindern können sie die Umsetzung nicht. Jetzt komme es darauf an, dass der Bund die neuen Regeln verabschiede, sonst stünde ein Kampf um jedes Bohrloch bevor, weil sich die Bürger das nicht gefallen lassen würden, sagte Bajus.
    Ohne eine neue Regelung gilt das bestehende niedersächsische Bergrecht und in Niedersachsen könnte bereits nach der Sommerpause gebohrt werden, sagte BVEG-Hauptgeschäftsführer Löwer gegenüber dem NDR: "Es geht um den Erhalt einer ganzen Industrie, und hier muss die Politik eindeutig handeln, und sie muss auch wissen, dass ein weiteres Abwarten ernsthafte Konsequenzen nach sich ziehen kann."