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Regierungskrise in Finnland
Rechtsaußen verliert Machtpoker

Die Partei "Die Finnen" ist an der Regierungsbeteiligung zerbrochen. Dem harten Kern erschien die Regierungspolitik zu weich, deshalb hatten die Mitglieder einen ausländerfeindlichen Extremisten zum neuen Chef gewählt, um damit den Bruch der Koalition zu provozieren.

Von Carsten Schmiester | 15.06.2017
    Finnish politician and member of the European Parliament Jussi Halla-aho, center, delivers a speech after he was elected to be the new chairman for the Finns Party at the party's congress in Jyvaskyla, Finland
    Der neue Parteichef der Partei "Die Finnen", Jussi Halla-aho (dpa /Lehtikuva /Jussi Nukari)
    "Ich kann kein Problem erkennen. Denn ich vertraue Timo Soini vollkommen. Und im Übrigen gilt: Dies hier ist Finnland, wir treffen unsere eigenen Entscheidungen!"
    Ministerpräsident Juha Sipilä vor zwei Jahren nach der gerade gewonnenen Parlamentswahl. Der Chef der liberalen Zentrumspartei ließ sich weder von Fragen ausländischer Reporter, noch von kritischen Finnen beirren. Viele sahen die Zusammenarbeit mit Timo Soinis rechtspopulistischen "Wahren Finnen" als Pakt mit dem Teufel: Euroskeptisch, ausländerkritisch, vorsichtig ausgedrückt, aber mit 18 Prozent der Stimmen zweitstärkste Kraft im Land und mit einem Chef, der eben nicht wie ein Hardliner wirkte, in der Ausländer- und Europapolitik tatsächlich zu Kompromissen bereit.
    Das wahre Gesicht der "Wahren Finnen"
    Das war einmal. Inzwischen haben die "Finnen" das "Wahre" aus ihrem Namen gestrichen, aber mit dem neuen Vorsitzenden, dem rechtskräftig verurteilten ausländer- und islamfeindlichen Hetzer Jussi Halla-aho, wohl das wahre Gesicht gezeigt. Timo Soini hatte noch versucht, ihn beim Parteitag am Wochenende als Nachfolger zu verhindern, aber ohne Erfolg. Seine Politik war von Hardlinern in der Partei als Verrat an den eigenen Prinzipien verurteilt worden, Halla-aho neue steht nun für unverhohlen offene Ausländer- und Europafeindlichkeit. Soini stellte ernüchtert fest:
    "Die Partei, in der wir alle einmal Mitglieder waren, die gibt es seit Samstag nicht mehr."
    Und das hätte um ein Haar auch für die Koalitionsregierung gegolten. Denn Ministerpräsident Sipilä wollte mit "dieser Finnenpartei" nicht mehr weiter zusammen arbeiten. Muss er nun aber auch nicht, denn "diese Finnen" gibt es nicht mehr. 22 von 37 Abgeordneten haben sich von der Partei losgesagt und eine neue Fraktion gebildet. Simon Elo ist ihr Vorsitzender.
    "Wir haben beschlossen, die Fraktion der Finnenpartei zu verlassen und eine eigene Fraktion unter dem vorläufigen Namen "Neue Alternative" zu bilden. Dies nicht nur, weil Jussi Halla-aho zum Parteivorsitzenden gewählt wurde, sondern, weil bestimmte Kräfte unsere Partei gekidnappt haben."
    Ministerpräsident Sipilä reagierte schnell und trat vom bereits angekündigten Rücktritt zurück. "Ok, wir haben einen neue Situation und die Schlussfolgerung daraus ist, dass wir mit den gleichen Ministern und dem gleichen Regierungsprogramm weiter arbeiten werden. Ich werde das in den Fraktionen vorschlagen."
    Schlechter Verlierer und selbsternannter Retter der Rechten
    Damit steht Sipilä erst einmal als Sieger im Machtpoker da und Jussi Halla-aho als Verlierer - als schlechter dazu, der wütend gegen die "Abtrünnigen" wettert: "Ich hatte erwartet, dass einzelne Abgeordnete zum Schluss kommen könnten, dass die Finnenpartei unter dem neuen Vorsitzenden nichts mehr für sie ist. Aber mit einer so großen Bewegung hatte ich nicht gerechnet. Die Führung der Partei, das Parteibüro und die Fraktionsführung waren nicht über die Geschehnisse informiert."
    Aber Halla-aho gibt nicht auf, sondern an. Er sieht sich weiter als Retter der Rechten, die in den vergangenen Jahren Umfragen zufolge die Hälfte ihrer Sympathisanten verloren haben. "Ich glaube, dass die Finnenpartei wachsen wird. Wir sind immer noch eine große Partei und ich bin mir sicher, dass wir bei der nächsten Parlamentswahl erfolgreich sein werden."
    Diese Wahl steht 2019 an. Zwei Jahre Zeit also für "Die Finnen", sich als Protestpartei neu zu erfinden. Aber auch für die "neue Alternative", die in der Regierung die Chance hat, Akzente zu setzen, sagt der Politologe Markku Jokisipilä.
    "Die Abgeordneten der "Neuen Alternative" wollen von innen Einfluss auf die Regierung nehmen und sind bereit, dafür Kompromisse einzugehen. Ich glaube, dass vor allem Entscheidungen zur EU-Politik mit dieser Konstellation leichter werden, weil der EU-kritische Flügel der Finnenpartei zurückgelassen wurde. Die Regierung ist praktisch die schwierigsten Mitglieder der Finnen-Partei losgeworden."