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Regierungskrise in Georgien
Außenpolitischer Kurswechsel weg von der EU?

In der georgischen Regierung kriselt es. Bislang galt das Land als Musterkandidat der östlichen Partnerschaft der EU. Doch nun wurde der Verteidigungsminister entlassen, dann traten auch noch zwei weitere Minister zurück - sie waren verantwortlich für die EU-Integration.

Von Gesine Dornblüth | 06.11.2014
    Die georgische Außenministerin Maia Panjikidze
    Die Außenministerin Georgiens, Maja Pandschikidze, trat ebenso wie der Staatsminister für die euroatlantische Integration Aleksi Petriaschwili zurück. (dpa / picture-alliance / Alexander Imedashvili)
    Die Krise der georgischen Regierung begann am Dienstag. Da entließ Premierminister Garibaschwili den Verteidigungsminister Georgiens, Irakli Alassania. Der hatte zuvor die eigene Regierung heftig kritisiert. Der Grund: Ende Oktober wurden mehrere ranghohe Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums verhaftet. Ihnen wird vorgeworfen, öffentliche Gelder veruntreut zu haben. Minister Alassania nannte die Festnahmen "offensichtlich politisch motiviert" und einen Angriff auf die Westintegration Georgiens. Der Premierminister fand diese Anschuldigungen absurd und verantwortungslos. Wenige Stunden später war Alassania seinen Job los.
    Gestern reichte dann die Außenministerin Georgiens, Maja Pandschikidze, ihren Rücktritt ein. Und mit ihr ihre vier Stellvertreter. Pandschikidzes Erklärung:
    "In den letzten zwei Jahren hat unser Team das Höchstmögliche in der Außenpolitik erreicht. Wir haben die Europäischen und Euroatlantischen Werte fest verteidigt. Wir sehen, dass nicht nur unsere künftigen Aktivitäten, sondern auch das Erreichte gefährdet ist, deshalb haben wir beschlossen, zurückzutreten."
    Maja Pandschikidze war, mit Verteidigungsminister Alassania, die wichtigste Ansprechpartnerin der EU in Georgien. Kurz nach ihr trat auch Aleksi Petriaschwili zurück, Georgiens Staatsminister für die euroatlantische Integration. Im georgischen Fernsehsender Maestro mahnte er:
    "Es steht eine Diktatur bevor, die Demokratie ist in Gefahr."
    Politisches Bündnis Georgischer Traum
    In Georgien regiert ein breites politisches Bündnis, der Georgische Traum. Vor zwei Jahren kam er an die Macht. Seitdem wurden diverse politische Gegner zu Gefängnisstrafen verurteilt. Darunter ein ehemaliger Innenminister. Gegen den ehemaligen Präsidenten, Micheil Saakaschwili, hat die Justiz sogar einen internationalen Haftbefehl beantragt. Saakaschwili hält sich im Ausland auf.
    Vorwürfe, das sei Rachejustiz, haben Angehörige des Georgischen Traums stets zurückgewiesen: Sie stellten lediglich Gerechtigkeit her. Neu ist, dass die Justiz nun gegen Personen aus dem aktuellen Regierungslager vorgeht, eben gegen die Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums. Die Politologin Rusudan Tabukaschwili meint, dass in diesem Fall vor allem persönliche Motive eine Rolle gespielt hätten. Denn das Verhältnis zwischen Premierminister Garibaschwili und dem geschassten Verteidigungsminister Alassania sei seit Langem angespannt.
    "Dass Garibaschwili sauer war, dass der Verteidigungsminister Alassania populärer war als er und mehr Ratings hatte als er, war auch bekannt."
    Der Premierminister bemühte sich gestern, die Wogen zu glätten. Georgien halte selbstverständlich weiterhin an der Demokratisierung des Landes und an der Westintegration fest. Er stellte die politischen Motive der zurückgetretenen Außenministerin infrage. Maja Pandschikidze ist die Schwägerin des entlassenen Verteidigungsministers.
    "Es tut mir sehr leid, dass Maja Pandschikidze mehr Solidarität mit ihrer Familie zeigt, als mit dem Staat."
    Noch ist unklar, ob es sich bei der Krise um persönliche Abrechnungen handelt, oder ob sich tatsächlich ein außenpolitischer Kurswechsel andeutet.
    Verhältnis zu Russland
    Die Regierung wird von der Partei Georgischer Traum dominiert. Deren Gründer, der Multimilliardär Bidzina Iwanischwili, hat sein Geld in Russland gemacht. Auch er bekennt sich zur Westintegration Georgiens, doch seit er 2012 in die Politik gegangen ist, begleitet ihn Misstrauen, ob er nicht doch die Interessen des Kreml vertritt. Seit er an der Macht ist, hat sich das Verhältnis Georgiens zu Russland merklich entspannt. Kürzlich hat zum Beispiel die staatliche Fluggesellschaft Russlands nach Jahren ihre Flüge nach Tiflis wieder aufgenommen. Die Politologin Rusudan Tabukaschwili schließt nicht aus, dass die jetzige Regierungskrise eine außenpolitische Kehrtwende Georgiens herbeiführt.
    "Dass gerade jetzt die Minister gegangen sind, die die stärksten Anhänger des europäischen Kurses von Georgien waren, logisch, kann man nur denken, dass jetzt tatsächlich eine Annäherung an Russland geschehen wird. Ich weiß nicht wie und mit welchen Wegen und Mitteln, aber es kann wohl passieren, in der Tat."