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Regierungskrise
Mazedonische Regierung sitzt Abhörskandal aus

Seit Wochen präsentiert die Opposition in Mazedonien Telefonmitschnitte der Regierung. Es geht in den Aufzeichnungen um Wahlbetrug und Korruption im großen Stil. Weder Rücktrittsforderungen noch Druck aus dem Ausland bewirken jedoch bislang eine Kursänderung: Der konservative Premier Gruevski sitzt die Regierungskrise bisher einfach aus.

Von Stefan Ozsváth | 14.04.2015
    Mann steht hinter einem Rednerpult und hält eine Mappe hoch, hinter ihm mehrere Menschen vor einer blauen Wand.
    Oppositionsführer Zoran Zaev präsentiert auf einer Pressekonferenz Beweismaterial für die Abhöraktionen. (ROBERT ATANASOVSKI / AFP)
    Ein illegaler Telefon-Mitschnitt – eine sogenannte Bombe. Mazedoniens Premier Gruevski und sein Verkehrsminister klagen, nicht frühzeitig genug eine Wahl manipuliert zu haben.
    Wahlfälschung, die Auswahl von Richtern per Hand, Erpressung - fünfzehn solcher abgehörten Telefonate von Premier Gruevski und seinen engsten Mitarbeitern haben die mazedonischen Sozialdemokraten in den vergangenen Wochen präsentiert. Die Regierung betreibe Machtmissbrauch im großen Stil, so Oppositionsführer Zoran Zaev.
    ''Sie kontrollieren die Medien'', sagt Zaev im ARD-Interview. ''Sie kontrollieren Justiz und Verwaltung. Sie haben Andersdenkende ins Gefängnis gebracht. Sie haben 25 Millionen Euro vom Autobahnbau für sich abgezweigt. Sie haben Land umgewidmet, damit sie es kaufen konnten. Außerdem ist Wahlfälschung bewiesen. Da wurden illegale Ausweise ausgegeben. Wähler und Zahlen wurden manipuliert. Das betrifft die letzten drei Wahlen.''
    Um die eigene Macht zu sichern, habe die Regierung 20.000 Menschen illegal abgehört, so Zaev. Journalisten, Oppositionspolitiker, Zivilorganisationen aber auch ausländische Diplomaten. Der konservative Regierungschef Gruevski weist die Vorwürfe zurück. Er sieht sich als Opfer eines Komplotts, die Opposition plane einen Staatsstreich.
    ''Die Institutionen werden klären, ob es einen Missbrauch gegeben hat oder nicht. Aber es gibt ja schon jemand, der zugegeben hat, das im Auftrag von ausländischen Geheimdiensten für Geld getan zu haben'', behauptet Premier Gruevski.
    Oppositionspolitiker fünf Stunden verhört
    Fünf Stunden lang ließ der seinen Kontrahenten Zaev von der Staatsanwaltschaft verhören. Er habe Staatsgeheimnisse verraten – weil er veröffentlicht hatte, wie der Geheimdienst-Chef Schmiergeld von den Israelis gefordert habe. Zaevs Pass wurde eingezogen, der Sozialdemokrat darf das Land nicht verlassen. Ihm drohen bis zu zehn Jahren Haft. Das politische Klima im einstigen Musterland Mazedonien ist nachhaltig zerstört, sagt der politische Analyst Suad Missini im ARD-Interview.
    ''In den letzten Jahren waren wir Zeuge, dass einer an der Macht war, der andere in der Opposition. Und dann tauschte man die Rollen. Aber jetzt ist die Situation komplizierter geworden. In den letzten vier, fünf Jahren hat man sich den Staat und die Institutionen beispiellos zu eigen gemacht. Das hat den Rechtsstaat von Grund auf zerstört. Und die Grundrechte der Bürger sind in hohem Maße verletzt.''
    Das liege auch daran, dass Mazedonien seit 10 Jahren in der EU-Warteschleife verharre, so der Analyst. Aus Brüssel kam jetzt bereits die Warnung – der Politskandal könne die EU-Tür sogar zuschlagen. Die EU-Kommission schickte Vermittler, die deutsche Botschaft in Skopje appellierte, wieder auf den Pfad der Tugend zurück zu kommen, das UN-Kommissariat für Menschenrechte und die OSZE-Medienbeauftragte kritisierten die Regierung. Oppositionspolitiker Zoran Zaev schlägt folgenden Fahrplan zur Lösung der Krise vor.
    Premierminister sitzt die Krise aus
    ''Die Krise muss Schritt für Schritt gelöst werden, sagt der Oppositionspolitiker. Es muss eine Übergangsregierung gebildet werden. Die soll Neuwahlen vorbereiten. Die mazedonischen Wähler werden diese politische Krise beenden.''
    Doch Premier Gruevski denkt überhaupt nicht daran, die Macht abzugeben. Rücktrittsforderungen der Sozialdemokraten, die seit einem Jahr das Parlament boykottieren, sitzt er aus. Auch dem Druck aus dem Ausland trotzt er bislang.