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Regierungsprogramm
"Große Koalition für große Aufgaben"

Die drei Parteichefs von CDU, CSU und SPD haben einen Koalitionsvertrag vorläufig unterzeichnet. Die Vorsitzenden sind optimistisch, dass die SPD-Basis dem Regierungsprogramm zustimmen wird. Es sei "für die kleinen Leute", sagte SPD-Chef Gabriel.

27.11.2013
    Sigmar Gabriel, Angela Merkel und Horst Seehofer mit dem Koalitionsvertrag
    Sigmar Gabriel, Angela Merkel und Horst Seehofer mit dem Koalitionsvertrag (dpa / picture-alliance / Hannibal Hanschke)
    "Deutschlands Zukunft gestalten" - so lautet der Titel des 185-seitigen Koaltionsvertrag von Union und SPD (pdf). Bei den Sozialdemokraten haben die 475.000 Mitglieder das letzte Wort, ob die Bundesrepublik zum dritten Mal von einem schwarz-roten Bündnis regiert wird. Das Ergebnis des Mitgliederentscheids soll am 14. Dezember bekannt gegeben werden.
    "Der Geist dieses Vertrages heißt, dass wir eine große Koalition sind, um auch große Aufgaben für Deutschland zu meistern", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Im Mittelpunkt stünden solide Finanzen, die Sicherung des Wohlstands und soziale Sicherheit. SPD-Chef Sigmar Gabriel sprach ebenfalls von einer "Koalition für große Aufgaben" und erklärte, "die große Koalition hat einen Koalitionsvertrag für die kleinen Leute geschrieben". Als Beispiele nannte er den gesetzlichen Mindestlohn, Lohngleichheit auch bei Leih- und Zeitarbeit und die abschlagsfreie Rente für langjährig Versicherte ab 63 beziehungsweise künftig ab 65 Jahren. Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer sagte mit einem milden Lächeln: "Ich wollte die Große Koalition von Anfang an."
    Gabriel glaubt fest an Zustimmung
    CDU, CSU und SPD hatten sich auch in den lange hart umkämpften Streitfragen geeinigt. Erst nach dem SPD-Mitgliederentscheid soll bekannt gegeben werden, wer welche Posten übernimmt. "Wir haben unsere Mitglieder in einem Brief aufgefordert, mit 'Ja' zu stimmen", sagte Gabriel. "Die Mitglieder der SPD werden mit Sicherheit zustimmen." Fest steht, dass die SPD in einem schwarz-roten Kabinett sechs Ministerien bekommen soll, die CDU fünf (plus Kanzleramtsminister), die CSU drei.
    SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles hatte zuvor nach der letzten Treffen der Koalitionsverhandlungen im Deutschlandfunk gesagt, die Lebensbedingungen der Bürger würden verbessert. An der Basis scheint der zuletzt breite Pessimismus zu weichen. Stefan Schieren, SPD-Ortsvorsitzender in Eichstätt, sprach sich im Deutschlandfunk für eine Zustimmung aus, wollte aber kein Prognose über den Ausgang des Votums abgeben.
    Die SPD konnte sich mit ihren im Wahlprogramm angekündigten Plänen einer Steuererhöhungen, einer Bürgerversicherung und einer Managergehälterbegrenzung nicht durchsetzen.
    Opposition und Wirtschaft enttäuscht
    Die deutsche Wirtschaft hat den schwarz-roten Koalitionsvertrag weitgehend als vertane Chance kritisiert. "Er ist kein Masterplan für unser Land, das Signal ist Stillstand statt Aufbruch", sagte der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Ulrich Grillo. Otto Fricke, Haushaltsexperte der FDP, sagte im Deutschlandfunk, dass es große Schwierigkeiten geben werde, die Versprechungen umzusetzen. Die Opposition im Bundestag übte scharfe Kritik. Die Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping sprach von einem "Koalitionsvertrag der unterlassenen Hilfeleistung". Der Fraktionschef der Linkspartei, Gregor Gysi, sagte, "es wird eine Koalition des Stillstandes".
    Liebe SPD-Mitglieder, seid doch mal souverän+stimmt, wie ihr wollt! Wenn man es so sieht wie ich, kann man eigentlich nicht zustimmen #GroKo— Gregor Gysi (@GregorGysi) November 27, 2013
    Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter warf Union und SPD Täuschungsmanöver bei den Finanzen vor. "Um die sogenannten prioritären Projekte abzusichern, ist eine Diskussion um zusätzliche Schulden oder Steuern vorprogrammiert", sagte er in Berlin. Zudem komme der Vertrag einem Abschied von der Energiewende gleich. Das schwarz-rote Bündnis werde "eine Koalition der Prüfaufträge und Unklarheiten" sein. Grünen-Parteichef Cem Özdemir beklagte im Deutschlandfunk, dass die Koalition sich an die Themen Klimaschutz und die Zukunft Europas "nicht richtig rangetraut" hätte.
    Merkel: "Alles sehr sorgsam durchgerechnet"
    Die Bundeskanzlerin wies Zweifel an der Finanzierbarkeit der geplanten zusätzlichen Milliardenausgaben zurück. "Wir haben das alles sehr sorgsam durchgerechnet und immer wieder auch angeglichen an die realen Möglichkeiten", sagte Merkel. "Der Bundesfinanzminister hat uns das plausibel dargestellt, dass das möglich ist." In den Koalitionsverhandlungen war von einem Spielraum von 23 Milliarden Euro bis Ende 2017 die Rede. Die Mehrausgaben - etwa zur Entlastung von Kommunen, der Länder oder für mehr Investitionen in Verkehr, Bildung und Forschung - könnten sich aber je nach Ausgestaltung und Zeitpunkt deutlich erhöhen. Merkel deutete an, dass eine schwarz-rote Koalition auch auf bessere Steuereinnahmen setzt als bisher unterstellt.
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    Sigmar Gabriel,(SPD), Angela Merkel (CDU) und Horst Seehofer (CSU) (dpa / picture alliance / Wolfgang Kumm)
    Die CDU-Vorsitzende erklärte, ihre Partei habe ihre zentralen Wahlversprechen durchgesetzt. Vor allem seien keine neuen Schulden gemacht und die Steuern nicht erhöht worden, betonte Merkel auch noch einmal im ZDF:
    Pkw-Maut immer noch in der Diskussion
    Die Absage der Kanzlerin vor der Wahl an eine Pkw-Maut für Ausländer konnte sich nicht durchsetzen. Für die Einführung einer Vignette soll ein entsprechendes Gesetz "im Verlauf des Jahres 2014 verabschiedet werden", heißt es nun im Koalitionsvertrag. Merkel erklärte, im kommenden Jahr werde lediglich ein Gesetzentwurf erarbeitet.
    CDU-Vize Julia Klöckner rechnet nicht damit, dass die Regelung umgesetzt wird. "Das wird überprüft. Ich sehe es noch nicht, dass es wirklich am Ende dazu kommt", sagte sie im ZDF. Ähnlich äußerte sich der schleswig-holsteinische SPD-Chef und Parteilinke Ralf Stegner: "Wenn Weihnachten und Ostern zusammengelegt wird im nächsten Jahr, dann kommt auch die Maut."
    Für die Maut gilt ein Vorbehalt: Es muss sichergestellt werden, dass die Abgabe nur ausländische Autofahrer belastet und zugleich mit dem Europarecht vereinbar ist. Seehofer gab sich zu dem Thema auf der Pressekonferenz betont gelassen und sagte: "Die Pkw-Maut steht im Vertrag. Ich erlebe mit Freude die Interpretationen."
    Programmhinweis "Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk:

    Reaktionen auf den Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD

    6.50 Uhr: Cem Özdemir, Parteivorsitzender Bündnis 90/Die Grüne
    7.15 Uhr: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU)
    8.10 Uhr: Martin Schulz (SPD), Präsident des Europaparlaments