Dienstag, 19. März 2024

Archiv

Regionalliga
Frust bei den Amateuren - sportlich und finanziell

Vier der fünf Fußball-Regionalligen starten kommende Woche in die Saison, in Bayern hat die Spielzeit schon begonnen. Doch bei den Vereinen herrscht Frust: Neben finanziellen Problemen bleibt der Ärger bestehen, dass selbst die Meister einer Liga nicht automatisch in die 3. Liga aufsteigen.

Von Jessica Sturmberg | 23.07.2017
    Training beim Fußball-Regionalligsten Viktoria Köln
    Training beim Fußball-Regionalligsten Viktoria Köln (Jessica Sturmberg/Deutschlandfunk)
    Vor zwei Monaten war bei Viktoria Köln noch große Euphorie - der Aufstieg in die dritte Liga zum Greifen nah. Zwar ist Viktoria in der Regionalliga West Meister geworden, aber für den Aufstieg in die 3. Liga hätte der Verein aus dem rechtsrheinischen Köln-Höhenberg auch noch die Relegation gegen den Meister der Regionalliga Nordost, Carl Zeiss Jena gewinnen müssen.
    Schmerz "nicht in Worte zu fassen"
    Weil Jena mehr Auswärtstore erzielt hatte, musste Viktoria am Ende in der Regionalliga bleiben. Knapper hätte es kaum sein können. Groß der Frust, trotz der Erfolge weiter in der vierten Liga zu verbleiben. "Das war dann halt nicht, dass man ein Relegationsspiel gemacht hat - in dem Moment ist man wie abgestiegen", sagt Viktoria-Trainer Marco Antwerpen.
    Eine Woche vor Saisonstart muss er seine Spieler wie Innenverteidiger Dominik Lanius wieder ganz darauf einstellen, dass sie diese Saison wieder alles geben, auch wenn die Aufstiegsperspektive so gering ist. "Das kann man nicht in Worte fassen, wie weh das getan hat. Jeder Spieler, der da dabei war, hat sich lange damit befasst, aber man muss das auch irgendwann abhaken und sobald es nächste Woche Samstag auf den Platz geht, müssen wir nach vorne schauen."
    Fußballtrainer Marco Antwerpen von Regionalligist Viktoria Köln im Gespräch mit einem seiner Spieler.
    Fußballtrainer Marco Antwerpen von Regionalligist Viktoria Köln im Gespräch mit einem seiner Spieler. (Jessica Sturmberg/Deutschlandfunk)
    Die "Champions League des Amateurfußballs"?
    So lautet die Sicht eines Fast-Aufsteigers auf die fünfgleisige Regionalliga im Übergang zur eingleisigen 3. Liga. Vereine mit höheren Ambitionen treffen auf kleinere Clubs, die sich dort ganz wohlfühlen und dazu die zweiten Mannschaften der 36 Top-Vereine aus 1. und 2. Liga. Wechselt man die Perspektive und betrachtet das aus Sicht des DFB, ist die vierte Liga "die Spitzenliga, die Champions League des Amateurspitzenfußballs. Sie steht an der Schnittstelle zum nationalen Profifußball, zur 3. Liga und deswegen ist der Reiz der Regionalliga vor allem darin zu sehen, dass eben drei verschiedene Gruppen von Vereinen dort mitspielen."
    Das sagt DFB-Vizepräsident Rainer Koch, zuständig für den Amateurfußball im DFB. Traditionsclubs wie Rot-Weiss Essen, Alemannia Aachen, Energie Cottbus oder jetzt auch 1860 München sind die Vereine, die es auch in der vierten Liga schaffen, regelmäßig 5.000, 6.000 Fans in ihre Stadien zu holen. Obwohl die Gegner Rödinghausen, Meuselwitz oder Buchbach heißen. Allerdings haben diese Traditionsvereine durch die großen Stadien mit entsprechend hohen Mieten und den Sicherheitskosten zugleich eine höhere Kostenstruktur.
    "Überleben wir die nächsten vier Spiele wirtschaftlich?"
    Mit Alemannia Aachen, FSV Frankfurt oder VfR Aalen meldeten in den letzten Monaten drei Traditionsvereine Insolvenz an. * Meistens spielt Missmanagement eine bedeutende Rolle dabei, aber die Misere könne nicht allein darauf zurückgeführt werden, sagt André Dobiey von der Anwaltskanzlei Niering, dem Insolvenzverwalter von Alemannia Aachen: "Man muss festhalten, dass da zahlreiche Vereine entweder durch sehr viel Wohlwollen der Städte und des Umfeldes und einzelner Gönner noch über Wasser gehalten werden. Aber wenn da ein Rückschlag kommt, geraten die ganz schnell in eine Schieflage hinein und da ist sicherlich auch der DFB gefordert die Strukturen grundlegend zu überdenken."
    Geht es tatsächlich nicht ohne externe Hilfe? Sind die dritte und vierte Liga Insolvenzligen, weil sie keine ausreichenden Ertragsmöglichkeiten zugleich aber hohe Kosten mit sich bringen? Dirk Rasch, langjähriger Präsident des VfL Osnabrück, Autor des Buches "Rettet den Fußball", beschreibt die Lage so: "Es geht im Grunde genommen wirklich darum, dass man die Vereine erst einmal mit mehr Geld ausstattet, dass sie so die grundsätzlichen, täglichen Probleme, die anliegen, finanziell lösen kann. Und dass man dann zumindest über das nachdenken sollte und umsetzen kann, nämlich Fußball spielen und sich nicht ständig überlegen muss, überleben wir überhaupt die nächsten vier Spiele wirtschaftlich und das ist in der Tat so in der 3. und noch mehr in der 4. Liga."
    Die Lücke nach oben wird größer
    Einer der schärfsten Kritiker ist Engelbert Kupka, Ex-Präsident der SpVgg Unterhaching, er beklagt eine zunehmende Diskrepanz zwischen den 36 Topclubs der 1. und 2. Liga und dem Rest. "Das Wachstum nimmt kein Ende und die Schere zwischen Profis und Amateuren geht immer weiter auseinander", sagt er.
    Die Vorwürfe einer größer werdenden Fußballblase im Spitzenbereich und Vereinen, die ums Überleben kämpfen auf der anderen Seite sind immer öfter zu hören. Vor allem - aber nicht nur - von abgerutschten Traditionsvereinen. Inwieweit es tatsächlich ein flächendeckendes Problem ist, lässt sich schwer sagen. Doch eine breite Revolte von unten gibt es bisher nicht. Und die Vertreter der Landesverbände haben auf dem letzten DFB-Bundestag dem Finanzkonzept der DFB-Führung zugestimmt. Demnach fließen laut DFB netto 85 Millionen Euro in den gesamten Amateurbereich.
    Ab 2019 soll es durch den neuen Sponsoring-Vertrag mit VW noch mehr werden verspricht DFB-Präsident Reinhard Grindel: "Volkswagen wird nicht nur unsere Nationalmannschaft unterstützen, sondern steht auch dafür, gerade an der Basis des Fußballs aktiv zu sein. Wir verdienen in der Spitze das Geld, um es gerade an der Basis mit auszugeben. Selbstverständlich habe ich die Hoffnung, dass auch die Vereine vor Ort und auch unsere Landesverbände in den einzelnen Regionen eine gewisse Unterstützung erfahren werden."
    Viel mehr Geld ist nicht in Aussicht
    Auch der Grundlagenvertrag, der das Rechtsverhältnis und damit auch die Finanzbeziehung zwischen dem Ligaverband DFL und dem DFB regelt, wurde auf dem DFB-Bundestag ohne Diskussion und einstimmig bis 2023 verlängert. Es scheint aber, dass der DFB den Unmut spürt.
    Vizepräsident Rainer Koch erklärt im Gespräch mit dem DLF, dass die Basis mehr Unterstützung brauche: "Die Lasten für die Vereine in wirtschaftlicher Hinsicht werden immer größer, die ehrenamtlichen Strukturen brechen zum Teil ein, so dass die Kosten höher werden und die Einnahmemöglichkeiten auf der anderen Seite geringer werden. Deswegen ist es richtig, es muss den kleinen Vereinen geholfen werden - insbesondere, was die Sportstätten betrifft. Das hat aber gar nichts mit den Verbänden zu tun. Das sind vor allem Aufträge an die Kommunen. Wir seitens des Deutschen Fußball-Bundes müssen selbstverständlich auch alle Anstrengungen unternehmen, um strukturell den Vereinen zu helfen. Nur eines geht eben nicht: Der DFB und die Landesverbände können und dürfen keine direkten Zahlungen an die Vereine erbringen."
    Weil der DFB - anders als die DFL - gemeinnützig ist und ansonsten in einen steuerrechtlichen Konflikte käme. Der DFB hat also die Anforderung zu lösen, wie Mehreinnahmen den insgesamt im DFB organisierten rund 25.000 Fußballvereinen zugute kommen können.
    Für die Regionalligisten wird es absehbar nicht mehr Zahlungen aus einer zentralen Vermarktung geben. Vielleicht ein bisschen mehr eigene Vermarktungschancen durch den Vertrag mit sporttotal.tv, ein Portal, dass mehr Bilder, auch live vom Amateurfußball ab dieser Saison zeigen wird und den Regionalligisten die Möglichkeiten gibt, sich mehr zu präsentieren. Am Problem, dass nicht alle Meister aufsteigen werden, wird sich allerdings nichts ändern.
    Weiter gilt: Drei Aufsteiger aus fünf Ligen
    Eventuell kommt irgendwann ein Aufstiegsplatz dazu, DFB-Vizepräsident Koch nennt dafür die Bedingung: "Bevor wir diesbezüglich Diskussionen beginnen, ob in der 3. Liga ein weiterer Abstiegsplatz geschaffen wird, müssten wir uns erstmal einig sein, dass damit dann auch die Regionalliga-Struktur dauerhaft bestehen bleiben kann. Ich glaube, dass wir auf gar keinen Fall zurückkommen zu einer Anzahl an Regionalligen, die einen Direktaufstieg möglich machen."
    Das einstige Konzept mit drei Ligen sei gerade auf Wunsch der Vereine abgeschafft worden, so Koch: "Man könnte überlegen, zu vier Regionalligen zu kommen. Das würde aber voraussetzen, dass die nördliche Hälfte Deutschlands sich zu zwei Ligen zusammenschließen müsste, das ist genau 50 Prozent von Fußball-Deutschland. Das ist für mich momentan nicht erkennbar. Da würde auch die regionale Identität sehr stark in Mitleidenschaft gezogen werden." Es wird damit auch zum Ende dieser Saison wieder Regionalligameister geben, die trotz gewonnener Meisterschaft nicht aus ihrer Liga herauskommen.
    In der Textversion unterscheidet sich der Beitrag von der On-Air-Fassung. Wir haben Ihnen hier das ausführliche Manuskript zur Verfügung gestellt.

    *In einer früheren Fassung haben wir versehentlich auch von der Insolvenz-Anmeldung von 1860 München geschrieben. Eine Insolvenz-Anmeldung liegt nicht vor.