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Rehzunge, Goldforelle oder Chinesische Keule

Jahr für Jahr wird die Sortenvielfalt auf dem Acker kleiner. Nur noch wenige Hochleistungssorten sind im Anbau. Seit Dezember 2006 forschen Wissenschaftler der Humboldt-Universität zu Berlin deshalb an der Renaissance historischer Salatsorten. Längst vergessen und nur noch als Genreserve in Samenbanken gelagert, haben die Berliner Forscher eine Salatvielfalt wieder auf den Ladentisch gebracht.

Von Maren Schibilsky | 01.08.2008
    Hört man ihre Namen, denkt man nicht an Salate. Denn sie heißen "Rehzunge", "Goldforelle" oder "Chinesische Keule". Die Berliner Gartenbauwissenschaftlerin Cornelia Lehmann hat diese alten Salatsorten wieder zum Leben erweckt. Bisher gab es sie nur in Form eines tiefgekühlten Samens in der Genbank von Gatersleben. Fünfzig Sorten hat die Berliner Forscherin aufgetaut und wieder angebaut. Auf dem Versuchsfeld des Instituts für Gartenbauwissenschaften der Humboldt-Universität Berlin stehen sie nun das zweite Jahr. Grüne, dunkelrote, gemusterte Salate. Cornelia Lehmann erforscht ihre besonderen Eigenschaften:

    "Diese alten Sorten, die ja auch ein Kulturgut darstellen, die ja mal züchterisch erarbeitet worden sind, können als Raritäten wieder genutzt werden und sie bieten im Gegensatz zu den modernen Sorten eine zusätzliche Vielfalt. Sie weichen ab in ihren Farbmustern, in ihren Formen. Es gibt durchaus sehr köstlich schmeckende alte Salatsorten dabei. Und eine Eigenschaft haben sie häufig. Sie haben ein sehr zartes Blatt. "

    Mehr als eintausend Salatsorten gibt es weltweit. Aber nur ein Bruchteil davon wird genutzt. Die meisten sind vergessen. Viele wurden in der Vergangenheit ausgemustert. Ihre Qualitäten waren nicht gefragt oder sie genügten den modernen Handels- und Transportansprüchen nicht. Cornelia Lehmann stellte fest, dass es kaum noch Informationen über diese alten Sorten gibt. Meist nur ihren Namen und eine Saatgutnummer. Mit ihrer Forschungsarbeit änderte sie das. Denn diese Salatsorten seien wahre Schätze:

    "Innerhalb dieser alten Sorten können einzelne Typen sein, die bestimmte Gene enthalten, von denen wir heute noch nicht wissen können, ob sie morgen nutzbringend sein können. Zum Beispiel können neue Pflanzenkrankheiten auftreten und dann könnten in solchen alten Genmustern Resistenzen stecken, die man nutzen kann, um neue Sorten zu züchten."

    Auch der Klimawandel wird Pflanzenzüchter und Landwirte vor neue Herausforderungen stellen. Da ist sich Herbert Lohner sicher. Als Geschäftsführer des Vereins zur Erhaltung alter Nutzpflanzen in Brandenburg hat er die 50 Salatsorten mit ausgewählt und das Saatgut vermehrt. In den Samen stecken vielleicht auch genetische Antworten, um Salate künftig besser an Hitze und lange Trockenheit anzupassen. Doch dazu müssen sie im Anbau erforscht werden:

    "Je mehr die Sorten in den Anbau kommen, desto mehr Erhaltungsfilialen hat man. Und dann ist es auch so, dass durch diesen Erhaltungsanbau natürlich immer Wissen entwickelt wird über diese Sorten. Solange sie nur in der Genbank liegen, ist ja sehr wenig Erfahrung vorhanden. "

    Cornelia Lehmann hat in den letzten zwei Jahren viel über diese alten Salatsorten herausgefunden. Neben Aussehen, Geschmack und Anbaueigenschaften analysierte sie auch ihre Inhaltsstoffe im Labor. Dabei zeichneten sich alle Sorten durch besonders niedrige Nitratwerte aus. Für die Vermarktung will die Berliner Forscherin insgesamt zwanzig Salate empfehlen:

    "Besonders begeistert hat uns der "Romain Red Cross", ein Romana-Typ, der rot ist und einen besonders delikaten Geschmack hat und auch sehr zarte Blätter für diese Art von Salat. Die "Rehzunge" ist ein Salat, wo die einzelne Pflanze aussieht wie eine Spinatpflanze und im Geschmack ist es interessant, dass die Blattspitzen anders schmecken als das Innere der Pflanze. Das ist ein sehr abwechslungsreiches Geschmackserlebnis. "

    Aber auch Kochsalate wie die "Chinesische Keule" oder der "Trianon" haben Cornelia Lehmann gefallen. Im letzten Jahr wurden ausgewählte alte Salate in Brandenburger Gartenbaubetrieben unter Praxisbedingungen angebaut und auf Märkten direkt verkauft. Dies Jahr werden "Rehzunge", "Wiener Maidivie" und "Chinesische Keule" zum ersten Mal in dreizehn Berliner Biosupermärkten angeboten. Sabine Küpferle vom Berliner Fachhandel "Biocompany" zu den ersten Erfahrungen:

    "Die Kunden springen schon drauf an, mal etwas neues zu kaufen mit dem Hintergrund, das ist eine Sorte, die gab es schon Jahre nicht mehr, die wurde überhaupt nicht mehr kultiviert. Sie nehmen das eigentlich sehr positiv auf und kaufen die Salate auch. "

    Zum gleichen Preis wie andere Salate werden die alten Sorten angeboten. Der Verbraucher unterstützt mit seinem Kauf den Erhalt von Vielfalt auf seinem Salatteller.