Dienstag, 19. März 2024

Archiv

Reihe: Das Frau-Holle-Business - Teil 2
Der Schneemacher

Die milden Winter der letzten Jahre sorgen in manchen Skigebieten für Sorgenfalten. Deswegen wird viel Geld in die maschinelle Erzeugung von Schnee gesteckt. Das ist teuer und ökologisch umstritten. Doch immer mehr Anbieter greifen auf eine Technik aus Bozen zurück - ein Millionengeschäft.

Von Klaus Lockschen | 15.12.2017
    Schneekanone auf einer Skipiste am Fuße des Fichtelbergs in Oberwiesenthal, Sachsen.
    Schneekanone auf einer Skipiste am Fuße des Fichtelbergs in Oberwiesenthal, Sachsen. (dpa / picture alliance / Jan Woitas)
    "Man hört immer, es hängt am Klimawandel. Es ist aber nur ein kleiner Teil. Es geht vor allem darum für die Skigebiete, die Saison planbar zu machen. Also die Ansprüche des Gastes haben sich vor allem verändert. Der schaut heut ins Internet und sieht es auf der Webcam: okay, da sind die Pisten perfekt oder nicht", sagt Patrizia Pircher, Marketing-Chefin des Bozener Unternehmens Technoalpin, auf dem Weltmarkt die Nummer eins bei Beschneiungsanlagen.
    "Das Buchungsverhalten hat sich geändert und insofern ist heute Schneegarantie ab Anfang September eigentlich Pflicht für jedes Skigebiet, das Erfolg haben möchte". Auf Frau Holle ist schließlich kein Verlass. Pistenbetreiber gehen daher auf Nummer sicher und nehmen viel Geld in die Hand, um in Schneekanonen und damit in Planungssicherheit zu investieren. "Es gibt heute kein Skigebiet mehr, das ohne technische Beschneiung Erfolg hat".
    Aus dem Heulüfter eine Schneekanone gebastelt
    Die 34-Jährige umreißt die Geschichte der jungen Firma. Deren Gründer, Georg Eisath und Walter Rieder, waren in den 1980er Jahren als Betriebsleiter in einem Skigebiet in den Dolomiten tätig. Eine damals in den USA georderte Schneekanone zeigte sich für das relativ winterwarme Südtirol als wenig brauchbar.
    "Auf der Suche nach der Lösung des Problems haben sich die beiden Betriebsleiter dann diese Technologie ein bisschen angeschaut von dieser Kanone aus den USA und haben versucht, mit Bestandteilen vor allem aus der Landwirtschaft selbst eine Kanone zu bauen. Da gab es zum Beispiel den Heulüfter vom elterlichen Hof von Georg Eisath, der verwendet wurde, die Sprühdüsen kamen damals noch aus der Landwirtschaft, die Turbine hatte der Dorfschmied in Eigenregie zusammengebaut".
    "Schlüsselfertige Beschneiungslösungen" aus einer Hand
    Das Ergebnis passte und machte seine Runden. Schnell kamen Anfragen aus anderen Skigebieten, auch aus Übersee. 1990 erfolgte die Firmengründung.
    "Haben so natürlich auch andere Erfahrungswerte sammeln können: Was braucht es im internationalen Markt, wie kann man die Maschinen noch weiter optimieren für verschiedene klimatische Bedingungen? Und konnten so die Technologie besser weiterentwickeln und haben so als erste im Markt erkannt, dass es eigentlich ein Gesamtsystem braucht, eigentlich alles aus einer Hand kommen muss. Und da war die Technoalpin Anfang der 90er Jahre das erste Unternehmen, das schlüsselfertige Beschneiungslösungen angeboten hat".
    Umweltverbände kritisieren die massiven Maßnahmen
    Kern der Anlagen sind Propeller-Schneekanonen und bis zu 12 Meter hohe Alu-Lanzen, aus deren Düsen ein Luft-Wasser-Gemisch gesprüht wird, das beim Fallen zu Schnee erstarrt. Um das Wasser überhaupt an die Maschinen zu bringen, braucht es eine komplexe Infrastruktur: Speicherteiche für Regen- oder Schmelzwasser, Pumpstationen, Kompressoren, Rohrleitungen, Strom- und Datenkabel, Energieversorgungsanlagen, Kühltürme für Schneiwasser, Steuerungstechnik. All das muss neben den Pisten an oder in den Hang gebracht werden. Massive Maßnahmen, die mitunter auch von Umweltverbänden kritisiert werden. Die Aufträge gehen schnell in den Millionen-Bereich. Allein eine Kanone ist mit 35.000 Euro so teuer wie ein Mittelklasseauto, und eine dreistellige Zahl an Schneeerzeugern in einem Skigebiet ist keine Seltenheit.
    Kunden von Südafrika bis nach Sibirien
    In weit über eintausend Skigebieten pusten Anlagen aus Bozen.
    "Wir sind mittlerweile in über 50 Ländern vertreten. Also überall, wo Ski gelaufen wird. Das reicht von Ländern in Südamerika, in Chile, Argentinien. In Südafrika gibt’s mittlerweile Technoalpin-Schneeerzeuger, in der Mongolei bis nach Sibirien, wo es zwar sehr kalt ist, aber sehr wenig Niederschläge gibt, die man zu Pisten verarbeiten kann. Im Iran bis hin nach Australien, Neuseeland. Es ist eigentlich der ganze Globus abgedeckt".
    Das Geschäft brummt. 2016 erwirtschaftete Technoalpin mit seinen 540 Beschäftigten in den zwölf Niederlassungen weltweit rund 161 Millionen Euro Umsatz, ein sattes Plus von 20 Prozent. Mit Nachdruck arbeitet Technoalpin an der Optimierung der Anlagen, auch um die Beschneiungskosten zu minimieren. "Wir sagen, so zwischen zwei und fünf Euro pro Kubikmeter kostet das. Vor allem die Pumpleistung macht natürlich einen riesigen Faktor aus. Wenn ich Wasser mit einem Eigendruck habe, dann ist es sehr günstig, wenn ich alles hochpumpen muss, wird es entsprechend teurer".
    Erheblicher Energieaufwand, teure Skipässe
    Der Energieaufwand ist nicht unerheblich und liegt für ein größeres Skigebiet jährlich im mittleren sechsstelligen Kilowattstunden-Bereich. Aber ein durchschnittliches Hallenbad verbraucht deutlich mehr, betont Patrizia Pircher - Kosten, die meist der Steuerzahler trägt. In den Skigebieten gehen diese zulasten der Skipasskäufer.
    Im dreigeschossigen, gut 20.000 Quadratmeter großen Gebäude im Bozener Industriegebiet führt sie hinunter in die Fertigungslinie. Hier parken bis zur Endkontrolle in Reih und Glied an die 100 der Postgelb lackierten und wie Flugzeugtriebwerke aussehenden Aggregate.
    "Also, es wird zuerst ein Elektrotest gemacht an jeder einzelnen Maschine und dann wird ein Wassertest gemacht, wo jede Maschine einmal 20 Minuten verschiedene Temperaturstufen simuliert, verschiedene Düsen öffnet, wieder schließt, damit wir dann auch in der Auswertung sehen, ob jede Maschine so viel Wasser durchsetzt an jeder Düse, wie sie soll".
    Und dann ab in den Versand. Wieder ein Stückchen Schneesicherheit mehr auf einem Pistenabschnitt irgendwo auf der Welt. Und selbst Ägypten und Katar wollen das eiskalte Weiß vor der Haustür. Dafür hat Technoalpin die Aggregate in einen Container verbaut, um selbst unter gleißender Sonne Indoorbeschneiung zu ermöglichen.