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Reihe: Die Parteien und ihre Kulturprogramme
Die AfD

Förderung von Heimatvereinen, aber keine Gelder fürs Berliner Gorki-Theater: Die Partei AfD setzt in ihrem Kulturprogramm auf den Schutz des "Eigenen" vor dem "Fremden". Demnach soll die Kultur so etwas wie die nationale, deutsche Identität zum Ausdruck bringen. Und Deutsch soll "Staatssprache im Grundgesetz" werden.

Von Christoph Richter | 20.08.2017
    Mit Plakaten und Fahnen stehen AfD-Anhänger am 30. Januar 2016 in Neubrandenburg / Mecklenburg-Vorpommern auf dem Marktplatz.
    Mit Plakaten und Fahnen stehen AfD-Anhänger am 30. Januar 2016 in Neubrandenburg / Mecklenburg-Vorpommern auf dem Marktplatz. (picture alliance / dpa)
    "Es geht uns um so etwas wie eine Renaissance der deutschen Kultur."
    So beschreibt Hans-Thomas Tillschneider, der kulturpolitische Sprecher der AfD-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt, kurz und knapp die Programmatik der AfD.
    Kultur ist für die AfD – wie man es in diversen Landtagsdebatten in den Länderparlamenten bereits erleben konnte – ein Gegenstand der reinen Selbstvergewisserung. Anders formuliert: Die AfD will keine diskursive Auseinandersetzung, keine Verhandlung postnationaler Perspektiven, stattdessen hat man einen abgeschlossenen Kultur-Kanon, historisierende Sichtweisen – wie Mantel und Degen-Filme – im Blick. Es geht um die Wiederbelebung eines klassisch deutschen Kanons, so AfD-Mitglied Tillschneider, etwa im Theater:
    "Den klassisch deutschen Werken, die sich im Laufe der Geschichte angesammelt haben. Und in denen das dokumentiert ist, was uns zu Deutschen gemacht hat. Wir wollen, dass wir diesen Stücken wieder begegnen."
    Wahlprogramm der AfD: "Multi-Kultur ist Nicht-Kultur"
    Im Bundestags-Wahlprogramm der AfD heißt es wörtlich – Zitat: "Die AfD bekennt sich zur deutschen Leitkultur. (…) Die Ideologie des 'Multikulturalismus' gefährdet alle diese kulturellen Errungenschaften (...) Multi-Kultur ist Nicht-Kultur." Zitat-Ende.
    Wenn der Südtiroler Marc Jongen der Chef-Ideologe der AfD ist, so ist der Rumänien-Deutsche Hans-Thomas Tillschneider der Chef-Kulturbeauftragte der AfD. Er betont, man werde es nicht zulassen, dass Deutschland aus falsch verstandener Toleranz sein kulturelles Gesicht verliere.
    Ein wichtiges Moment in diesem Zusammenhang ist die Romantik, die in der deutschen Ideengeschichte eine große Bedeutung habe, in der aktuellen Praxis der Kultur-Institutionen aber viel zu kurz käme, so Tillschneider.
    "Aber dabei ist gerade die Romantik für uns Deutsche enorm wichtige Epoche. Es ist die Epoche, zu der wir zu uns gefunden haben. Wenn sie in das 19. Jahrhundert sehen: Der deutsch-nationale Selbstfindungsprozess, das sind die Romantiker. Ich würde mir wünschen, dass der Romantik mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird im öffentlichen Diskurs."
    Den Magdeburger Rechtsextremismus-Experten David Begrich überrascht es nicht, dass die AfD gerade an den nationalistisch-völkischen Begriff der Romantik anknüpft.
    Politische Romantik versus dekadenter Liberalismus
    "Die Rechte hat immer eine politische Romantik favorisiert, die sie in Stellung gebracht hat, gegen den dekadenten Liberalismus, der die Identitäten verwischt. Das sind alles Topoi, Begriffe aus der Kulturkampfzeit, der rechten, der wilhelminischen Ära oder der Weimarer Republik."
    Es geht der AfD nicht um Vieldeutigkeit, sondern um die Eindeutigkeit von Perspektiven hinsichtlich der gesellschaftlichen Komplexität. Dabei orientiert sich die AfD an einem statischen Kultur- und Nationenbegriff des 19. Jahrhunderts. Man propagiert den so genannten "Ethnopluralismus": Jede Kultur wird mit ihren jeweiligen Identitäten akzeptiert, so lange sie im eigenen Kulturraum bleibt. Die Exklusion der Nichtzugehörigen in Deutschland ist im Kulturbegriff der AfD fest verankert. Das Eigene müsse vor dem Fremden geschützt werden, lautet die Formel, sagt Tillschneider.
    "Um ein fundiertes Interesse für das Andere und für das Fremde zu haben, muss man erst wissen, wer man selbst ist. Wer nicht weiß, wer er ist; wer keine eigene Identität hat oder mit seiner Identität im Unreinen ist, wie soll der andere Identitäten schätzen können.
    Pluralen "linksliberalen Vielfaltsideologien" wie es Tillschneider formuliert, erteile man eine Absage. Kulturinstitutionen, die sich diesem Diktum unterwerfen – Tillschneider nennt in diesem Zusammenhang das Berliner Gorki-Theater unter der Intendanz von Shermin Langhoff - müsse man öffentliche Subventionen streichen.
    "Wenn ein Theater nur solche Stücke spielt, sich darauf beschränkt, ansonsten nichts Sinnvolles mehr macht, dann sehen wir darin keinen Sinn mehr, das zu fördern."
    Keine Kontrollen von Beiträgen im Internet
    Und nicht nur das. Die AfD will auch vermehrt Heimatvereine fördern, die sich der Traditionspflege widmen, die an die Heimatverbundenheit der Bürger appellieren. Weniger interessant ist in den Augen dieser Partei die Hoch-Kultur einer Hamburger Elbphilharmonie oder des Gasteig in München.
    Weiter heißt es im Bundestags-Wahlprogramm der AfD: Die deutsche Sprache, soll als – Zitat – "Staatssprache im Grundgesetz festgeschrieben werden". In der Medienpolitik plädiert die AfD für die Abschaffung des Rundfunkbeitrags. Stattdessen will man sich für einen Bürgerrundfunk einsetzen, der sich auf - Zitat - "objektive Berichterstattung sowie kulturelle und bildende Inhalte fokussiert". Der Raum, in dem aber alles, ohne jede Kontrolle gesagt werden darf, ist das Internet, das keinerlei "Beschränkung und Zensur" unterliegen dürfe.
    Letztlich sucht die AfD den Anschluss an nationale Identitäten, ein transnationales Kultur – und Geschichtsverständnis wird abgelehnt. Wie das funktioniert konnte man Ende letzten Ende Jahres erleben: Als die AfD in Sachsen-Anhalt das Anhaltische Theater in Dessau scharf attackierte. Dort hatte man eine Performance über Fremdheits- und Fluchterfahrungen mit Flüchtlingen realisiert, woraufhin der Merseburger AfD-Landtagsabgeordnete Gottfried Backhaus gar Artikel 5 im Grundgesetz – das Grundrecht der Kunstfreiheit – in Frage stellte.