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Reihe: Hörerwelten
Angst vor Islamisten, Zweifel an der AfD

Nur unter Pseudonym spricht ein Rentner aus Hamburg offen über seine Ängste vor islamistischer Überfremdung. Er sei weder Rassist noch Nationalist, doch nach persönlichen Erfahrungen im familiären Umfeld und im Ehrenamt fühle er starkes Unbehagen.

Von Axel Schröder | 03.02.2017
    Zwei Spaziergänger gehen in Hamburg im Jenisch Park mit ihrem Hund spazieren, im Hintergrund steht das Jenisch Haus.
    Spaziergang im Hamburger Jenisch Park. (picture alliance / dpa / Angelika Warmuth)
    Gleich hinter seinem Haus beginnt die Parkidylle. Eine dünne, hart gefrorene Schneeschicht deckt die weiten Rasenflächen und die Wege zu. Einige Tage musste er überlegen, ob er überhaupt ein Interview geben will, erzählt Trudbert Kreth bei einem Spaziergang durch die Winterlandschaft. Ob er über die Angst um seine Heimat wirklich reden will:
    "Heimat bedeutet für mich, dass ich ohne Angst leben kann. Dass ich mich wohlfühle im Kreis von Menschen, die die gleichen Werte teilen. Und das sehe ich eben jetzt gefährdet!"
    Angst, als Rassist als zu gelten
    Trudbert Kreth spricht darüber nur unter Pseudonym. Für ihn steht fest:
    "Es ist besser, wenn man eine solche Meinung, eine solche Angst hat, dass man sie besser nicht so äußert. Weil man dann gleich natürlich in die rechte Ecke gestellt wird!"
    Der verschneite Wanderweg führt rüber in den Jenisch-Park in Hamburg-Nienstedten. Eine wohlhabende Gegend, teure Geländewagen, Sportwagen und Limousinen parken vor den weiß getünchten Häusern. Die Angst um seine Heimat, die entstand im letzten Jahr. Da war der Rentner mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs:
    "Da kamen dann aus diesem Flüchtlingsheim große Gruppen von jungen Männern, die dann den ganzen Bus okkupierten im Grunde genommen. Ich habe mich da nicht wohlgefühlt, muss ich ehrlich sagen. Das habe ich auch gleich meiner Frau erzählt. Dann hörte man ja gelegentlich auch von Übergriffen innerhalb des Flüchtlingsheims. Da wurden da Christen verprügelt."
    Das Jenisch-Haus im Jenisch Park, Hamburg.
    Das Jenisch Haus im bürgerlichen Stadtteil Hamburg-Blankenese. (picture alliance / dpa / Angelika Warmuth)
    Weltoffen, hilfsbereit und dann die Enttäuschung
    In seinem Viertel zögen ausländische Diebesbanden durch die Nacht und brächen Autos auf, erzählt der 74-Jährige. Mit seinem Sohn gerät er wegen seiner Ansichten immer wieder in Streit. Dabei sei er alles andere als ein Rassist:
    "Ich kümmere mich jetzt zurzeit aktiv einmal innerhalb meiner Mentor-Tätigkeit an der Schule um vorwiegend ausländische Kinder, die die Sprache nicht oder nicht ausreichend beherrschen. Wir haben jahrelang ein togoisches Mädchen intensiv betreut und die hat auch bei uns gewohnt. Die dann hier in Hamburg studiert hat."
    Es war bereits die zweite Frau aus Togo, um die sich Trudbert Kreth und seine Frau gekümmert haben. Der Kontakt lief über die Kirchgemeinde des Ehepaars. Und nicht immer haben die beiden positive Erfahrungen damit gemacht. Der ältere Herr lässt den Park hinter sich, schließt die Haustür auf. An der Wand im Flur ein afrikanischer Teppich, helle Räume. Auf dem antiken, sorgsam restaurierten Beistelltisch steht Tee in feinem Porzellan bereit, dazu Baumkuchen und Schokocreme-Torte.
    Frühe Indoktrination: Trotz Nähe entsteht Haß
    Mitte der Achtzigerjahre hatte das Ehepaar Kreth das erste aus Togo geflüchtete Mädchen als Mündel angenommen. Mittlerweile hat sie selbst, die Muslima, die schon so lange in Deutschland lebt, vier Töchter. Während eines gemeinsamen Dänemark-Urlaubs mit ihren beiden älteren Kindern kam es zum Eklat mit dem Zieh-Ehepaar:
    "Irgendwann – wir lasen einen Artikel in der 'Zeit' dort – brach es regelrecht heraus aus diesen beiden. Und dann hörte ich dann Dinge wie 'Die Kirchen müssten abgefackelt werden und Ungläubige müssen getötet werden!‘ Ich weiß, dass beide seit sehr frühen Kinderbeinen in die Koranschule gehen. Und für mich war es dann ziemlich logisch, dass sie diese Weisheiten aus der Koranschule haben müssen!"
    Trudbert Kreth war entsetzt, wollte eigentlich gleich den Urlaub abbrechen. Am Ende diskutierte er mit den Kindern und ihren togoischen Eltern. Ob er sie überzeugen konnte? Trudbert Kreth zuckt die Schultern. Trotzdem unterstützt er bis heute die schwerkranke, älteste Tochter, hilft bei schulischen Problemen, organisiert die ärztliche Betreuung.
    Wertesysteme prallen aufeinander
    Die Mehrheit der in Deutschland lebenden Muslime hält er für friedliche, angepasste Menschen. Deren Religion ihnen aber ein Frauenbild vermittelt, das er strikt ablehnt:
    "Jetzt muss ich mal auf meine Frau zu sprechen kommen, die lange Jahre Schullehrerin war in der Grundschule. Und durchaus von muslimischen Kindern im ersten und zweiten Schuljahr schon zu hören bekommt: "Du hast mir gar nichts zu sagen! Du bist eine Frau! Du hast mir gar nichts zu sagen! Und das ist nicht einmal geschehen, das ist also oft geschehen. Ich muss ihnen sagen: die zunehmenden Schwierigkeiten in der Schule –das war auch eine Schule, an der der Ausländeranteil relativ hoch ist, in Lurup – hat mich damals veranlasst, zu sagen: ‚Ich komme mit!‘"
    Allein mit den Sorgen um die islamistische Bedrohung
    Trudbert Kreth hat sich schon bei den Grünen engagiert, hat oft genug CDU und SPD gewählt. Heute vermisst er bei allen im Bundestag vertretenen Parteien die nötige Sensibilität für die Gefahren des Islamismus. Einzig die AfD würde sich darum kümmern:
    "Ich bin kein Mitglied der AfD. Ich unterstütze die Politik der AfD bei Weitem nicht in allen Bereichen, auf allen Gebieten. So auch nicht hinsichtlich der EU. Das ist für mich Schwachsinn, was sie da fordert. Aber in einem Segment, in dem Segment der Sorgen vor dem Islam, da gebe ich ihr recht. Und ich freue mich, dass es Menschen gibt, die so klar und eindeutig in dieser Frage Position beziehen, obschon sie regelmäßig dafür 'verprügelt' werden, auch von unserer Presse."
    Wahl 2017: Wer kann Deutschland am besten schützen?
    Ob er bei der Bundestagswahl die Partei wählt, stehe noch nicht fest. Trudbert Kreth will abwarten, wie die AfD mit Scharfmachern wie Björn Höcke umgeht, wie weit nach rechts sie sich bewegt. Natürlich hätten die Deutschen eine besondere Verantwortung, sie müssten wachsam und entschieden auf nationalistische Entwicklungen reagieren.
    "Aber die große Sorge, dass das jetzt hier in Deutschland ist oder wird, die ist für mich genauso schwerwiegend wie die Gefahren des radikalen Islams in Deutschland."
    Drei Stunden lang steht Trudbert Kreth Rede und Antwort. Politisch heimatlos sei er geworden, erzählt er an der Haustür, mittlerweile ist es dunkel geworden. Die Bundestagsparteien würden einfach keine Lösungen für so viele Probleme liefern. Und stattdessen immer nur auf die schrillen Töne aus der AfD reagieren, auf den Schießbefehl gegen Flüchtlinge oder die Demagogie eines Björn Höcke.
    "Aber so wird man diese Partei meines Erachtens nicht auf das Maß zurückstutzen, wo sie hingehört!"

    "Hörerwelten" - die neue Reihe im Deutschlandfunk

    "Ich finde es unangemessen, dass sie den ganzen Tag negativ über Erdogan berichten." "Nie zuvor hat sich eine Art Oberschicht so sehr bereichert." "Warum informieren Sie so einseitig über den VW-Skandal?" "Ich bin froh, dass es die AfD gibt." Uns erreichen täglich Hunderte Zuschriften und Anrufe von Hörern und Internetnutzern. Die Antworten nehmen wir nicht auf die leichte Schulter.

    Aus diesen Anregungen entstanden immer wieder Berichte. Aber das genügt uns nicht. Unsere Deutschlandkorrespondenten werden in den 16 Bundesländern unterwegs sein - im Gepäck Ihre Mail, im Ohr Ihren Anruf. Wir wollen uns mit Ihnen treffen, uns Ihren Punkt erklären lassen und darüber berichten. Zu hören ist diese lose Reihe in unterschiedlichen Sendungen des Deutschlandfunks, nachzuhören über das Online-Portal "Hörerwelten" und auch als Podcast.