Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Reihe: In den Hinterzimmern des Kulturbetriebs
Kunst auf Reisen

Wenn Kunst auf Reisen geht, müssen nicht nur versicherungstechnische Fragen beachtet werden. Ebenso wichtig ist die Organisation des sicheren Transportes und eine individuell abgestimmte Verpackung. Die Kölner Kunstspedition Tandem sorgt dafür, dass Fotografien, Gemälde und Skulpturen unbeschadet um die Welt reisen können.

Von Tim Schauenberg | 05.09.2014
    Die japanische Künstlerin Miwa Yanagi neben ihrem Kunstwerk "Windgepeitschte Frau" im japanischen Pavillon der 53. Biennale Venedig 2009.
    Ob von Köln nach Düsseldorf oder von New York nach Venedig: Die Kölner Kunstspedition Tandem ist international tätig. (picture alliance / dpa / Andrea Merola)
    Die Kreissäge tut ihre Arbeit. Das Holz birst und die Späne fliegen. Was sich anhört, wie das Sägewerk eines Holzhandels, ist alles andere als das. Ort des Geschehens sind die Lagerhallen der Firma Tandem in Köln. Sie hat sich auf Kunsttransporte spezialisiert. Kunst sicher an ihren Bestimmungsort zu bringen, das ist ihr Geschäft.
    Tischlermeister Edgar Schwerfen baut in der firmeneigenen Werkstatt maßangefertigte Sicherheitskisten für den Transport. Sei es für einzelne Kunstwerke oder ganze Bildersammlungen. Pro Tag zwischen drei und fünf Kisten:
    "Das kommt natürlich drauf an, wie die Wünsche vom Kunden so sind. Eine normale Luftfahrtkiste, die dämmen und polstern wir ein bisschen und dann machen wir eine Tischlerplatte drum herum. Und wenn natürlich was Wertvolles ist, dann nehmen wir die Klimakisten. Sie sind natürlich mit Dämmmaterial drin und mit Aluminiumdämmung und solche Sachen. Innen drin sind die mit rotem Filz ausgeschlagen. Das sind natürlich schon die Hightech-Dinger."
    Diese speziellen Transportbehälter kosten rund zweieinhalbtausend Euro. Dafür speichern sie aber die Temperatur für mindestens 24 Stunden. Das ist wichtig, denn Fotografien und Gemälde sind besonders temperaturempfindlich. Deshalb herrscht auch in den drei 600 Quadratmeter großen Lagerhallen ein konstantes Klima zwischen 18 und 22 Grad. Schlimmer als ein deutlicher Temperatursturz wären für Lack und Rahmen nur, wenn man das Bild fallen ließe.
    Etliche Bilder sind bereits in Kisten verpackt und warten auf ihre Weiterreise. Darunter auch eine Fotoausstellung des deutschen Künstlers Ottmar Hörl. Titel: "Schwäbischer Traum". Der schwäbische Traum wird eine Tournee durch asiatische Museen machen. Ralph Bühr, Fahrer und Packer bei Tandem, nimmt sich derweil eine Styropor-Installation vor. Sie sieht aus, wie aus Beton gemacht. Der Eindruck aber täuscht:
    "Das ist natürlich ganz leicht, aber natürlich sehr empfindlich. Muss jetzt so verpackt werden, dass es so steif bleibt, dass nichts bricht oder abknickt. Das heißt, das machen wir jetzt auf ne Kartonage drauf, dann schön verpacken in ne Luftpolsterfolie und dann bleibt das so schön steif."
    Mehr als Packen und Fahren
    Nur mit Packen und Fahren ist es beim Kunstspediteur nicht getan. Tandem hilft bei Instandhaltung und Pflege der Kunstwerke wie auch bei der Auswahl der Stücke. Denn nicht jedes Bild, nicht jedes Kunstobjekt ist in der Lage, eine oder mehrere Reisen rund um den Globus zu überstehen:
    "Der Job besteht nicht nur aus fahren und packen, sondern auch darin, bei Ausstellungen zu hängen und zu betreuen. Also was mir an dem Job am meisten gefällt, ist der Umgang mit verschiedenen Menschen. Vom Galeristen bis zum Bankdirektor. Alles dabei."
    Die Styropor-Skulptur geht nach München, zurück zu der Künstlerin. 600 Kilometer hin und sechshundert Kilometer zurück wird Ralf Bühr am nächsten Tag fahren. Dass die Zentrale der Firma im Rheinland liegt, ist dabei kein Zufall. Klaus Hillmann, der Geschäftsführer von Tandem:
    "Köln ist traditionell, seit der Gründung unserer Firma, ja eines der Zentren des deutschen, des europäischen Kunstmarktes gewesen. Und Köln ist nach wie vor halt die geografische Mitte des für uns wichtigen westeuropäischen Bereichs. Alles, was zwischen London, Berlin und der Schweiz abspielt, ist das, was im Kunstmarkt im westeuropäischen Kunstmarkt wichtig ist. Und in der Mitte sitzen wir da wie die Spinne im Netz."
    Die "Spinne" für den Kunst-Transport ist emsig unterwegs. Feste Routen gib es. Einmal pro Woche nach Paris, einmal nach London, zwei Mal nach München und Berlin. Der Transport eines Bildes von Köln nach Paris kostet mindestens 200 Euro, nach New York muss man mit mindestens 2000 Euro rechnen. Hinzu kommen alle Nahverkehrstouren:
    "Das sind klassische Museumstransporte, das heißt, kleinere oder auch mal größere Ausstellungen bis in die Schweiz oder auch nach Frankreich - da haben wir ganz gute Kundschaft – transportiert werden. Oder auch einzelne Transporte von sehr wertvollen Bildern."
    Durch die Kunstgeschichte und um die Welt
    Kreuz und quer durch die Kunstgeschichte wird transportiert. Der Impressionist Toulouse-Lautrec, die Expressionisten Beckmann und Kirchner wurden chauffiert ebenso wie die aktuellen Stammgäste unzähliger Ausstellungen – Baselitz, Richter oder der Arte-Povera-Künstler Mario Merz. Selbst Ikonen der Malerei – Picasso und Rembrandt – klemmten schon zwischen den Spanplatten von Tandems Speditionsbetrieb. Das seien aber Einzelfälle, sagt Geschäftsführer Hillmann bescheiden, da derart wertvolle Bilder nur sehr selten ihre Heimatgalerie verlassen.
    Zu Tandems Kunden gehören die berühmten Auktionshäuser Sotheby ´s und Christie´s oder die renommierte Düsseldorfer Galerie Ludorff sowie etliche private Kunden, die Sammler. Wer in der Spitzenliga der Kunsttransporte mitspielt, für den gelten zwei Regeln, erklärt Hillmann: Höchste Sicherheitsvorkehrungen und absolute Diskretion.
    "Es gibt Aufträge von Auktionshäusern, die von uns verlangen, auf jeden Fall mit neutralen Fahrzeugen vorzufahren, weil der Kunden eben nicht als jemand erkannt werden möchte, als jemand, der ein Kunstwerk aus seinem Haus raus lässt. Dazu zählen auch Transporte von Bildern, die so wertvoll sind, dass dann bitte in der Nacht, wenn der Transport noch eingelagert wird, noch jemand neben dem Bild quasi schläft. "
    Bisher wurde noch nie ein Bild aus den von außen unauffälligen grauen Hallen von Tandem gestohlen, beteuert Hillmann. Sollte dies aber trotzdem geschehen oder ein Bild geht kaputt, haftet Tandem selbst. Bis zu einem Schaden von 100.000 Euro. Das sei üblich in der Branche, erklärt der Geschäftsführer. Will sich ein Kunde über einen höheren Wert hinaus absichern, schließt Tandem für ihn eine Versicherung mit einem externen Anbieter ab.
    "Ich heize die Nachfrage nicht an"
    Als Klaus Hillmann die Firma vor 25 Jahren gründete, begann er mit einem Kollegen und zwei Transportern die Routen selbst zu fahren. Daher der Name: Tandem. Während dieser Zeit hat er gelernt, was er auch heute von seinen 45 Mitarbeitern erwartet: respekt- und liebevoll mit der Kunst umzugehen, die ihm für kurze Zeit anvertraut ist. Eine Expansion des Unternehmens in die besonders boomenden Märkte im Nahen Osten oder Hongkong wäre möglich. Tandem-Chef Hillman sieht seine Zukunft aber auf dem heimischen europäischen Markt:
    "Natürlich haben wir auch ein Chinageschäft, und es ist auch viel mehr, als es früher war. Aber ich setze nicht die Zukunft der Firma drauf. Ich biete das an, mache das, wie die Nachfrage kommt. Aber ich heize die Nachfrage nicht an und baue dafür keine neue Abteilung auf."
    Auch ohne Residenz in Übersee kann Tandem nach New York, Dubai und Schanghai liefern. Dabei hilft das weltumspannende Netzwerk von Kunstspediteuren, kurz ICEAFAT.
    Respektvoller Umgang mit der reisenden Kunst
    Auf die Mitglieder dieses Kunsttransportverbandes kann Tandem-Chef Hillmann jeder Zeit zurückgreifen. Sein Unternehmen liefert bis zum Flughafen, dort übernimmt dann eine Partner- Firma der Organisation die Tour bis zur Galerie. Und auch hier ist oberstes Gebot: respekt- und liebevoll mit der Kunst umzugehen, die auf Reisen geht.