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Reihe Inside Korea (3/3): Nordkoreas Autobauer Pyeonghwa Motors
Selbst Kim Jong Un meidet die Autos mit den Friedenstauben

Weithin unbekannt gibt es in Nordkorea einen Autobauer. Aber für den gibt es nur einen einzigen Händler im Land, und gebaut wird auch nicht wirklich. Selbst das Firmenlogo mit den zwei Friedenstauben ist manchmal nur ein Klebe-Etikett.

08.03.2019
epa05601669 YEARENDER 2016 APRIL A view of the Mirae Scientists' Street in Pyongyang, North Korea, 16 April 2016. The Mirae Scientists' Street is a residential district for scientists, engineers and researchers which was inaugurated in November 2015. EPA/FRANCK ROBICHON |
Selbst in Pjöngjangs Vorzeigestraßen fahren nur wenige Autos (EPA)
Eine Fernsehwerbung des nordkoreanischen Autoherstellers Pyeonghwa Motors: Schnell, bequem und sicher sei das neue Modell, schwärmt die weibliche Stimme in dem Werbevideo.
Pyeonghwa Motors ist der einzige Pkw-Produzent Nordkoreas. Auf Koreanisch bedeutet "Pyeonghwa" Frieden. Dementsprechend prangt auf den Autos ein Logo mit zwei Friedenstauben.
1998 wurde das Unternehmen als Joint Venture zwischen einem nordkoreanischen Automobilwerk und dem wohlhabenden Gründer der südkoreanischen Vereinigungskirche gegründet. Dieser wollte mit Pyeonghwa Motors seinem ganz persönlichen Traum eines vereinten Koreas näher kommen. Doch bereits 15 Jahre später übertrug die Vereinigungskirche den Besitz vollständig an den nordkoreanischen Staat - aus wirtschaftlichen Gründen.
Werbe-Privileg für den Autobauer
Die Kim-Dynastie zeigte sich zunächst stolz auf seinen landeseigenen Pkw-Produzenten. Als einer der ersten Firmen durfte Pyeonghwa Motors öffentlich für ihre Produkte werben. Mittlerweile jedoch gehören Branding und Marketing für immer mehr nordkoreanische Firmen zum Alltag.
Der Brite Andray Abrahamian hat die wirtschaftliche Öffnung des Landes vor Ort mitbekommen. Mehrere Jahre lang organisierte er für die NGO Choson Exchange BWL-Workshops in Nordkorea. Dabei brachte er westliche Businessleader mit Uniabsolventen in Pjöngjang zusammen. Oft ging es um grundlegende Einführungen in Management oder Marketing. Von nordkoreanischer Seite gab es eine große Lernbereitschaft und wenig Berührungsängste, sagt Abrahamian.
"Es gibt mittlerweile mehrere nordkoreanische Firmen, die in verschiedene Geschäftsbereiche expandieren. Air Koryo ist ein gutes Beispiel: Die Firma hat, wie der Name vermuten lässt, als Fluglinie angefangen. Mittlerweile führen sie Taxis, Logistikdienstleistungen und mehrere Gebrauchsprodukte wie Zigaretten."
Diktator mit Interesse für die Ökonomie
Das einst kommunistische Regime habe sich von einer reinen Planwirtschaft weit entfernt. Dies hat auch mit Diktator Kim Jong Un zu tun, der seit sieben Jahren an der Macht ist. Seine Schulbildung genoss Kim unter anderem in der Schweiz. Was mit ein Grund ist dafür, dass er seiner Bevölkerung so offen wie nie zuvor Wirtschaftswachstum und Wohlstand verspricht. Experte Abrahamian sagt:
"Kim Jong Un umgibt sich verstärkt mit Pragmatikern. Er ist viel mehr an Wirtschaftsthemen interessiert. Tatsächlich hat er einige Entscheidungen getroffen, die ein gewisses Wirtschaftswachstum ermöglicht haben."
Dazu gehört unter anderem eine grundlegende Landwirtschaftsreform: Kleine Bauernkollektive dürfen rund ein Drittel ihrer Ernteerträge behalten und an den Märkten weiterverkaufen. Staatliche Betriebe dürfen in gewissem Rahmen die Löhne ihrer Mitarbeiter festsetzen. Zudem hat Kim Jong Un 20 Sonderwirtschaftszonen errichtet.
Eine schrittweise Öffnung zum Kapitalismus lässt sich beispielsweise in den Kaufhäusern der nordkoreanischen Hauptstadt erleben, sagt Nordkorea-Experte Abrahamian:
"Kaufhäuser in Pjöngjang verkaufen eine breite Palette an Produkten. Fast alles, was man sich wünscht, kann dort gefunden werden. Einige Kaufhäuser führen Luxusprodukte, andere richten sich eher an die Mittelschicht - mit ganz gewöhnlichen Gebrauchsgütern wie Waschpulver oder Tiefkühlessen und Möbel."
Tausend nicht bezahlte Volvos
Doch auch auf den Straßen des Landes lässt sich ein wirtschaftlicher Wandel beobachten: Waren noch vor wenigen Jahren Autos eine rare Seltenheit, gibt es mittlerweile in Pjöngjang zu Stoßzeiten kleinere Staus. Die meisten Autos stammen aus China, vereinzelt haben es auch Luxusmarken wie Mercedes trotz der Wirtschaftssanktionen ins Land geschafft. Zudem fahren noch immer ein paar alte Volvos auf den Straßen der Hauptstadt: Vor 45 Jahren hatte das Regime sich tausend Stück aus Schweden liefern lassen, doch die Rechnung von damals 74 Millionen US-Dollar bis heute nicht bezahlt.
Die Autos von Pyeonghwa Motors machen nur einen Bruchteil der nordkoreanischen Autos aus. Einige Experten glauben, dass die Produktionsbänder seit Jahren stilllegen. Selbst optimistische Schätzungen gehen von maximal 1.500 Fahrzeugen pro Jahr aus. Es gibt nur einen einzigen Pyeonghwa Motors Händler in Pjöngjang.
Trotzdem führt der Autobauer dort ein gutes Dutzend Modelle, von Limousinen bis hin Geländewagen. Die Fahrzeuge gleichen jedoch auf frappierende Weise ausländischen Modelle: Einige lassen sich unschwer als Fiat-Abklatsch erkennen, andere wiederum haben den VW-Jetta als Vorbild. Selbst die Radkappen und die Form der Scheinwerfer sind identisch.
Die Autos kommen nämlich als Bauteile ins Land und werden in der Fabrik in der Hafenstadt Nampo nur mehr zusammengebaut. In einigen Fällen werden die Autos wohl direkt aus China importiert, sie werden nur mehr mit dem firmeneigenen Pyeonghwa-Logo überklebt.
Dass sich die marode Lage von Pyeonghwa Motors entspannt, scheint angesichts der bestehenden Wirtschaftssanktionen gegen Nordkorea mehr als unwahrscheinlich. Auch Diktator Kim Jong Un wurde übrigens noch nicht in einem Pyeonghwa Auto gesichtet. Er fährt zu offiziellen Terminen meist im Mercedes oder Rolls Royce vor.