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Reihe: Prekäre Arbeit in der Wissenschaft (Teil 5)
Alternative Tenure Track

Das amerikanische Beschäftigungsmodell für Jungwissenschaftler gilt als vorbildlich. 47 solcher Tenure-Track-Professoren hat die Technische Universität bereits in den vergangenen zweieinhalb Jahren berufen. Für Wissenschaftler bedeutet es vor allem mehr Forschungsfreiheit und bessere Aufstiegschancen.

Von Susanne Lettenbauer | 08.05.2015
    Studenten in einem Hörsaal
    Das alte System - Studium, Promotion, Habilitation und ab 40 dann eventuell eine Professur - hat ausgedient. (Jan Woitas, dpa)
    Im Büro von Professor Franz Hagn herrscht kreative Stimmung. Seit Oktober 2014 ist Hagn Assistant Professor für Strukturelle Membranbiochemie an der TU München-Garching. Eine Tenure-Track-Professur mit nur fünf Stunden Lehrdeputat, einer lukrativen W2-Besoldung und einem eigenen Etat:
    "Also am Tenure-Track-System finde ich erst mal sehr gut, dass man extrem unabhängig arbeiten kann, man ist seine eigene Einheit, seine eigene Professur, man macht in puncto Forschung, das was man halt vorhat."
    Hagn kam vor einem halben Jahr direkt von der Harvard Medical School zurück an die TU. Nur wegen des Tenure-Track-Modells. Denn wenn alles klappt, erwartet ihn eine finanziell wie wissenschaftlich lukrative Karriere in drei Stufen. Die ersten sechs Jahre kann und soll er eigenständig Forschungen betreiben, möglichst viel publizieren, einige Seminare geben und Doktoranden betreuen. Nach frühestens drei Jahren beginn die Evaluation durch die Uni.
    Überzeugt er seine Kollegen und das Präsidium wird ihm nach frühestens fünf, spätestens sechs Jahren die zweite Karrierestufe ermöglicht, eine Stelle als Associate Professor.
    Unbefristete Stelle und bessere Bezahlung
    Der Unterschied: Die Stelle ist unbefristet, die Besoldung steigt von W2 auf W3 und im besten Falle lockt die dritte Karrierestufe zum Full Professor. Schafft der junge Professor dies nicht, muss er die Uni verlassen nach einem siebten Übergangsjahr. Damit dies möglichst nicht geschieht, stellt TU-Präsident Wolfgang Herrmann dem jungen Professor Mentoren zur Seite:
    "Wie auch Stanford oder Harvard wird man im Gespräch mit den Kandidaten bleiben, um herauszufinden, ob der Schub nach oben drin ist oder ob man besser gemeinsam eine Umorientierung nach außen sucht."
    47 Tenure-Track-Professoren hat die TU bereits in den vergangenen zweieinhalb Jahren berufen. Entweder auf die klassische Weise per Ausschreibung auf eine Stelle oder als Open-Field- beziehungsweise Open-Rank-Ausschreibung. Beim Open- Rank-Verfahren bewerben sich Interessenten auf alle drei Tenure-Track-Stellen und das Präsidium entscheidet, so Herrmann:
    "Es stellt sich im Laufe eines Berufungsverfahrens erst heraus, ob das Ganze besser eine Assistant Professur oder aber ein arrivierter Lehrstuhl wird, je nachdem wen man identifiziert hat, und zwar nicht nur durch Bewerbungen, sondern auch durch gezielte Suche."
    Beim Open-Field-Verfahren, so Herrmann, werden Schwerpunktthemen ausgeschrieben, wie Energieforschung, Kommunikationsnetze oder Biosensorik, auf die sich Wissenschaftler unterschiedlichster Fächer bewerben können. Diese drei Bewerbungsverfahren seien für seine Universität die beste Möglichkeit, die herausragendsten jungen Forscher der Welt ans Haus zu holen, erklärt Thomas Hofmann, TU-Vizepräsident und Vorsitzender des mit der Berufung betrauten Tenure-Boards. Das alte System – Studium, Promotion, Habilitation und ab 40 dann eventuell eine Professur, weil der Lehrstuhl frei wird – dieses System sei heute zu unflexibel und habe ausgedient.
    Mehr Forschungsfreiheit und bessere Aufstiegschancen
    Das Tenure-Track bietet mehr Forschungsfreiheit und garantierte Aufstiegschancen, betont Thomas Hofmann. Im Gegensatz zu dem amerikanischen System, in dem mehrere Assistant Professoren um eine Associate Professur konkurrieren müssen, also um den Sprung von Treppe eins auf Treppe zwei kämpfen und dabei auch sehr gute Forscher herunterfallen. An der TU München sind von vornherein alle drei Karrierestufen garantiert - wenn man sich denn bewährt:
    "Das heißt, wir halten am Tag eins der Berufung die Professur nach dem sechsten Jahr vor, wir können die Stelle versprechen, die Finanzierung ist da, du stehst nicht in Konkurrenz zu anderen, das war nämlich das Problem, weshalb das US-Tenure-Track-System abgestürzt ist."
    Als werdende Mutter oder Vater kann man im Tenure-Track-System der TU München sogar ein, zwei Jahre aussetzen, ohne Nachteil für die Karriere, so Hofmann. TU Präsident Herrmann plädiert dafür, dass alle deutschen Universitäten das Modell übernehmen, und begrüßt deshalb den Vorstoß der Bundesbildungsministerin, Tenure-Track zu unterstützen. Weg von den großen, behäbigen Lehrstühlen, hin zu kleineren Clustereinheiten, die schneller auf aktuelle Forschungsfragen wie Krebsforschung, Stromspeicherung, Finanzströme reagieren könnten. Dann könnten junge Professoren, die den Aufstieg an der einen Universität nicht geschafft haben, sich noch einmal an einer anderen deutschen Uni bewerben. Der Austausch der jungen Professoren würde einfacher, die Berufungen für internationale Spitzenkräfte attraktiver, sagt auch Franz Hagn, der ohne das Tenure Track Modell seine Stelle in Harvard nicht aufgegeben hätte. Allerdings wünscht er sich mehr personelle Unterstützung für die Professoren neuen Typs, die ohne großen Lehrstuhl auskommen müssen.