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Reimann: Nichtraucherschutz endlich voranbringen

Carola Reimann, gesundheitspolitische Sprecherin SPD-Bundestagsabgeordnete, hat einen effektiven Schutz vor Passivrauchen gefordert. Sie glaube, dass ein entsprechender Gruppenantrag, den bereits mehr als 140 Parlamentarier unterzeichnet hätten, gute Chancen habe. Die Erfahrungen in anderen Ländern zeigten, dass Rauchverbote in Gaststätten nicht mit Umsatzeinbußen verbunden seien.

28.09.2006
    Doris Simon: Was in Italien, in Irland und bald elf weiteren Ländern in Europa geht, das soll auch in Deutschland möglich sein: Klare Luftverhältnisse in Restaurants, Bars und öffentlichen Gebäuden. Wo woanders Raucher vor die Tür gehen, da ist es in Deutschland völlig normal, umnebelt von Zigarettenqualm zu essen, zu trinken und zu arbeiten. Kein Gesetz untersagt hier das Rauchen in Gaststätten und öffentlichen Gebäuden. Jetzt liegt im Bundestag ein Gruppenantrag vor zum Schutz der Passivraucher, der genau dies fordert. Carola Reimann, die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD im Bundestag, hat diesen Antrag mit initiiert. Sie ist jetzt am Telefon, guten Morgen!

    Carola Reimann: Guten Morgen Frau Simon!

    Simon: Frau Reimann, warum brauchen wir so ein neues Verbot?

    Reimann: Wir wollen einen effektiven Schutz vor Passivrauchen, denn Passivrauch ist keine Belästigung, sondern eine Gesundheitsgefährdung und Sie haben es in Ihrer Anmoderation auch gesagt, es ist in allen Ländern um uns rum Gang und Gebe, dass ein effektiver Schutz vor Passivrauchen gegeben ist.

    Simon: Frau Reimann, das ist ein Gruppenantrag, das heißt der wird nicht von oben her gestellt, sondern Sie haben sich Ihre Unterstützer selber gesucht. Wie viele Abgeordnete aus welchen Fraktionen haben Sie denn hinter sich?

    Reimann: Das ist eine Initiative der Parlamentarierinnen und Parlamentarier. Das ist richtig und es sind über 140, die diesen Antrag unterzeichnet haben und die Mehrheit der SPD-Fraktion hat auch den Gruppenantrag unterzeichnet.

    Simon: Ja zur SPD-Fraktion, wie weit steht denn Ihre eigene Fraktion hinter Ihnen, denn gestern waren Sie ja schon zu einem Gespräch zur Klärung in der Fraktionsführung gebeten und vorher hatte schon die Rede von einem Kompromiss die Runde gemacht.

    Reimann: Ja das war wohl eine Ente. Es gab gestern ein erstes Sondierungsgespräch, um ein Koalitionsantrag zu machen, aber es gibt bisher noch keine Einigung und wie gesagt die Mehrheit der SPD-Fraktion hat den Gruppenantrag gezeichnet, das ist also keine gefühlte Mehrheit, sondern ein klares Bekenntnis zu einem verbesserten Nichtraucherschutz.

    Simon: Aber noch einmal, Ihre eigene Führung steht die auch hundert Prozent hinter Ihnen?

    Reimann: Ja, da bin ich sicher, denn natürlich ist der parlamentarische Geschäftsführer jetzt derjenige der in der Koalition auch für einen Koalitionsantrag und für eine Vermittlung da sorgen will.

    Simon: Ihr Gruppenantrag hat ja nicht nur die Zigarettenindustrie - das war zu erwarten- aufgeschreckt und auch die Gastronomie, sondern eben auch den Koalitionspartner, den Sie gerade ansprachen, die Union. Da halten ja weite Teile ein Rauchverbot in Gastronomie und öffentlichen Räumen für völlig übertrieben. Werden Sie da für den Passivraucherschutz einen Koalitionsstreit riskieren?

    Reimann: Also ich glaube, dass wir da schon auch zusammen kommen und die Befürchtungen, die von Seiten der Gastronomie immer wieder geäußert werden hinsichtlich Umsatzeinbußungen, die kann man nicht bestätigen, die treffen auch nicht zu. Es ist belegt, weil ja so viele Erfahrungen in anderen Ländern schon vorhandnen sind, dass es weder zu Umsatzeinbußen kommt, noch zu anderen Verschlechterungen, ganz im Gegenteil. Alle, egal ob sie sich für strikte Rauchverbote oder auch für Raucherräume entschieden haben, haben durchweg gute Erfahrungen mit der Regelung gemacht.

    Simon: Wie weit können Sie sich denn vorstellen von Ihrem Entwurf wegzugehen und zu sagen, naja, es reicht, wenn bestimmte Gaststätten ab so und so viel Plätze eben Raucher-freie Zonen einrichten und eben nicht überall alles Raucher-frei wird.

    Reimann: Wir wollen effektiven Schutz vor Passivrauchen für die Gäste, aber auch für die Arbeitnehmerinnen und die Arbeitnehmer und da darf es unserer Ansicht nach eben keine Arbeitnehmer erster und zweiter Klasse geben. Und das würde schon bedeuten, dass man ein Rauchverbot in allen gastronomischen Bereichen erlässt.

    Simon: Das heißt, was man jetzt aus der Union hört - da gibt es ja ganz verschiedene Vorschläge eben - das ist für Sie indiskutabel?

    Reimann: Indiskutabel ist gar nichts. Wir verschließen uns auch solchen Gesprächen nicht, aber wir wollen einen möglichst effektiven Schutz vor Passivrauchen, weil es ist eben nicht nur eine Belästigung, sondern wirklich eine Gesundheitsgefährdung.

    Simon: Das heißt, Sie sagen es ist indiskutabel, aber in der Sache wollen Sie dabei bleiben, rauchen soll überall in Gaststätten verboten werden.

    Reimann: Ja und in öffentlichen Räumen, überall da, wo Menschen zusammen kommen, die rauchen und die eben auch nicht rauchen und die vor diesem Passivrauch geschützt werden müssen.

    Simon: Es hatte sich in der Vergangenheit auch der Bundesverbraucherschutzminister Horst Seehofer für besseren Schutz der Passivraucher ausgesprochen. Haben Sie den auch gewinnen können für Ihren fraktionsübergreifenden Antrag?

    Reimann: Das weiß ich im Einzelnen jetzt nicht, ob er mit auf dem Antrag drauf ist, aber ich weiß, dass Horst Seehofer große Sympathie für diese Bestrebung hat. Er hat sich auch öffentlich so geäußert.

    Simon: Aber konkrete Hilfestellung haben Sie da noch nicht bekommen?

    Reimann: Bisher nicht. Erstmal ist es ja ein parlamentarisches Verfahren und dann ein Antrag der Parlamentarier.
    Simon: Aus der Union heißt es, es werde - egal was Sie jetzt sagen - einen gemeinsamen Koalitionsantrag geben. Können Sie sich vorstellen, dass da zwei konkurrierende Anträge entstehen?

    Reimann: Das ist im Moment noch nicht abzusehen. Wir sind noch in den Gesprächen und wir hoffen ja auch, dass wir einen gemeinsamen Antrag da entsprechend vorlegen können. Aber bis dahin ist eben der Gruppenantrag auch im Verfahren.

    Simon: Und wenn Sie sagen, Sie haben 140 Leute hinter sich. Der Bundestag hat über 600 Mitglieder. Das kommt einem ja ein bisschen wenig vor.

    Reimann: Es sind mehr als 140, ich weiß die ganz genaue Zahl nicht und es ist auch noch ein Grünen-Antrag im Verfahren, denn die Grünen haben einen Antrag mit ähnlicher Stoßrichtung vorgelegt.

    Simon: Und das heißt, da können Sie sich vorstellen, sich im Zweifel mit denen zusammen zu tun?

    Reimann: Da wird es sicher über die Fraktion hinweg auch ähnliche Anliegen geben und der Gruppenantrag ist ja jetzt nicht nur von der SPD, sondern auch von anderen Fraktionen oder von Mitglieder anderer Fraktionen gezeichnet worden.

    Simon: Spüren Sie eigentlich den Gegenwind vor allem der Zigarettenindustrie?

    Reimann: Ja, der Einfluss der Lobbyinteressen den darf man nie unterschätzen.

    Simon: Wie merken Sie das als Parlamentarierin?

    Reimann: Wir werden da natürlich auch zum Teil mit unsachlichen Argumenten versorgt. Es werden Dinge in Frage gestellt, die im wissenschaftlichen Raum völlig unumstritten sind und zum Teil auch mit sehr frechen Behauptungen.

    Simon: Haben Sie den Eindruck, dass solche Argumente gerne von Ihren Kollegen aufgenommen werden?

    Reimann: Ich glaube dass sie natürlich auch zur Kenntnis genommen werden. Ob sie gerne aufgenommen werden? Aber sie werden natürlich mit verwandt und mit aufgenommen.

    Simon: Frau Reimann, vor acht Jahren versandete ganz kläglich nach Jahre langen Bemühungen ein früherer Gruppenantrag zum Nichtraucherschutz, damals von einem CDU-Abgeordneten initiiert. Inzwischen hat sich im Rest Europas zwar der Wind gedreht, aber nach den Protesten, die Sie jetzt erleben, ist Deutschland reif für so ein strenges Gesetz?

    Reimann: Ich bin da zuversichtlich, weil wir haben ja jetzt seit vielen Wochen diesen Gruppenantrag im Gespräch und den Kolleginnen und Kollegen versandt und wir haben eine sehr, sehr positive Resonanz, im parlamentarischen Raum, auch im öffentlichen Raum und wie gesagt, seit dem ist um uns rum eine ganze Menge passiert. Alle anderen Länder haben eine strikte Rauchverbot oder einen andern Schutz vor Passivrauch für ihre Bevölkerung und ich glaube da kann Deutschland auch nicht länger das Schlusslicht sein in Europa.

    Simon: Das war Carola Reimann, die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD im Bundestag. Frau Reimann, vielen Dank und auf Wiederhören!