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Reine Volksbelustigung

Das Feuilleton hat sich lange über AlbertOstermaiers Methode getäuscht. Denn hinter dieser blubbernden Melange aus Antiken-, Literatur-, Film- und Werbezitaten steckt wirklich nichts, vor allem keine Erkenntnis. Das belegt auch der Lyrikband "Der Torwart ist immer, dort wo es wehtut".

Von Enno Stahl | 05.07.2006
    ""& im sprung, er hört gar nicht mehr auf zu fliegen
    seinen teleskoparm über den rotierenden rasurköpfen & dauerwellen ausfährt
    dann ist es für einen moment, ach, könnte er doch verweilen, als wollte er die sonne aus ihrer laufbahn fausten”"

    Das bringt mit allzu gewollter Flottheit Gott und Goethe zusammen, um dem Titan der deutschen Abwehr, dem "Flash Gordon der Strafräume” ein lyrisches Denkmal zu setzen. Zur Verdeutlichung seiner Absichten greift Ostermaier tief in die Klassiker-Kiste:

    ""seine arme sind wie skylla & charybdis
    & wer könnte diese enge passieren, ohne um sein leben zu fürchten
    selbst seine mannen macht er rund und schreit sie an, als hätten sie wachs in den ohren
    und könnten ihn nicht hören, den rauhen, aufbrausenden sirenensang ihres felsens in der brandung”"

    Die Antikeverwurstung überstrapaziert Ostermaier bereits seit seinen frühesten Gedichten beharrlich. Auf eine durchschaubare, handwerklich schlecht gemachte Weise laufen diese Montagen gleichsam leer: Das Material passt sich nicht ein, wirkt inkommensurabel ,und vor allem verleiht es dem Text keinen Mehrwert. Es ist ein bloßes Name Dropping oder besser: Mythen Dropping.

    Ebenso leicht bei der Hand wie politisch verdächtig ist für Ostermaier die Kriegsterminologie zur Beschreibung des Strafraumgeschehens, "Tretminen”, "Fronten”, "Klappmesser” - und natürlich besitzt der Heroe Kahn "Sprunggelenke wie Handgranaten”, eine Metapher, die nicht nur dümmlich und plakativ ist, sondern auch nicht funktioniert.

    Und so geht es weiter und weiter, die Szene "Eins mit der eins” beschreibt wie der Torwart "Titan”, also wohl wiederum Keeper Kahn, vom Stadionluder Ronalda becirct wird:

    ""RONALDA: Du bist die Hand, du bist 82 Millionen. Seid umschlungen, Millionen, nun faß schon meine Bälle an, oder hast du was gegen Ballzauber und etwas Spaß und willst du, dass sie wieder unter dir durchrutschen. Oder hast du etwa Angst? Deine Frau?

    TITAN faßt ihre Brüste an.
    Ich muß die zwei Gesichter der Angst kennen. Lähmt sie mich oder treibt sie mich an? Wenn sie mich beflügelt, suche ich sie sogar.

    RONALDA: Wunderbar, schön, geschmeidig sein, Panther. Ich habe alles dabei: Tornetz, darin verfang ich mich.

    TITAN: Nein, das geht nicht, Bälle im Netz. Ich halte den Kasten sauber.”"

    Die beiden plappern zwanghaft in jenen fußballerischen Stereotypen, die just in diese Moment aus jedem Fernseher quellen. Wohlgemerkt: Ostermaiers Stereotypen sind Stereotypen per se, sie dokumentieren oder decouvrieren nichts, sie dienen allein der Goutierbarkeit des Textes, damit auch der Beschränkteste ihn versteht.

    Dabei wäre das "System Fußball”, die schrankenlose mediale Vermarktung ebenso wie Eleganz und Ästethik auf dem Rasen, durchaus ein Thema für die Literatur. Ostermaier jagt stattdessen den wohlfeilen Kalauer: Wenn also die Rede vom Wetter ist, ulkt er erwartungsgemäß über die "3-Wetter-Tough”-Fönfrisur, die perfekten Sitz garantiert.

    Das Feuilleton hat sich lange über Ostermaiers Methode getäuscht. Denn hinter dieser blubbernden Melange aus Antiken-, Literatur-, Film- und Werbezitaten steckt wirklich nichts, vor allem keine Erkenntnis. Das ist reine Volksbelustigung, Schenkelklopferniveau, bestenfalls einem karnevalistischen Prinzip gehorchend. Mit sozialem oder politischem Anspruch, Gesellschafts-, Medien- oder Betriebskritik gar hat das nichts zu tun.

    Warum auch? Ostermaier ist ein Betriebs- und Gesellschaftsgeschöpf wie nur wenige deutsche Autoren. Sein vorgebliches Engagement, seine imageträchtigen Verbeugungen vor Toller und Brecht, sie sind nicht mehr als ein kokettes Augenzwinkern.

    Jedoch, wird man entgegenhalten, vielleicht ist das Ganze durchsogen von Ironie, und Ostermaier meint das gar nicht so? Aber nein, ironisch geht anders und das Kalauern beherrscht selbst Harald Schmidt um Klassen besser. Das Kardinalproblem des Verfassers wie seiner Dichtung ist vielmehr die vollkommene Ironieresistenz. Hier ist überhaupt nichts witzig, obwohl die Ostermaierschen Suaden es gerne wären.

    Natürlich hätte man all das längst merken können, bei seinen bierernsten, skandalgetrimmten Dramen, der aufgesetzt-lockeren High-Society-Lyrik der letzten Jahre - doch erst der Fußball fördert es offen zu Tage! Wenn er doch geschwiegen hätte, sein Schaden wäre es nicht gewesen.

    So geht das nicht mit der Literatur, Herr Ostermaier, so nicht!