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Reiseland Türkei
"Ein Recht auf Umbuchungen haben die Kunden nicht"

Auch nach dem Selbstmordanschlag in der Istanbuler Altstadt hätten Reisende keinen Anspruch auf eine kostenfreie Stornierung ihrer Reise, betonte der Rechtsanwalt Kay Rodegra im DLF. Dennoch böten viele Reiseveranstalter aus Kulanz Umbuchungsmöglichkeiten an. Individualreisende seien aber deutlich schlechter gestellt - und müssten Stornierungskosten selbst tragen.

Kay Rodegra im Gespräch mit Georg Ehring | 13.01.2016
    Innenansicht des Istanbuler Flughafens Sabiha Gökcen im asiatischen Teil der Stadt vom 27.10.2011
    Wer nicht nach Istanbul reisen möchte, muss die Stornokosten eventuell selbst tragen. (IMAGO / Wiegand Wagner)
    Georg Ehring: Mitten im historischen Stadtviertel Sultan Ahmed in direkter Nähe zur Blauen Moschee und zur Hagia Sophia sprengte sich gestern ein Selbstmordattentäter in die Luft. Er riss elf Menschen mit in den Tod. Nach Angaben des türkischen Innenministers waren darunter neun Deutsche. Den Anschlag kann man als gezielte Attacke auch gegen Besucher der Türkei werten und für viele stellt sich jetzt die Frage, ob sie sich diesem Risiko jetzt noch aussetzen wollen. Über die Möglichkeit, ohne Kosten von der Reise zurückzutreten, möchte ich jetzt mit Kay Rodegra sprechen. Er ist Rechtsanwalt in Würzburg und spezialisiert auf Reiserecht. Guten Tag, Herr Rodegra.
    Kay Rodegra: Einen wunderschönen guten Tag.
    Ehring: Herr Rodegra, würden Sie denn persönlich jetzt eine geplante Türkei-Reise absagen?
    Rodegra: Nein, das würde ich nicht, erst recht nicht, wenn es zu Zielen geht, die irgendwo am Meer liegen und der Erholung dienen sollen. Selbst eine Reise nach Istanbul würde ich jetzt auch nicht absagen, denn jetzt kann man davon ausgehen, dass die Stadt wirklich durch die Polizei sehr gut bewacht wird.
    Ehring: Wie sieht es denn rechtlich aus? Wenn ich eine Reise gebucht habe, eine Pauschalreise, und jetzt Angst habe, sie anzutreten, kann ich kostenfrei zurücktreten?
    Rodegra: Nein, kostenfrei kann man nicht zurücktreten. Wenn man stornieren will, dann bleibt man zumeist auf Stornokosten sitzen, es sei denn, ein Reiseveranstalter reagiert kulant. Etwas anderes würde gelten, wenn ein Fall der sogenannten höheren Gewalt vorliegen würde. Das würde dann sein, wenn weiterhin mit massiven Anschlägen zu rechnen sein wird, oder diese konkret vorausgesagt werden. Dann ist eine solche Gefährdungslage gegeben, dass man dann wegen höherer Gewalt kündigen kann. Das kann dann auch der Reiseveranstalter und dann muss der Kunde keine Stornokosten zahlen.
    "Es gibt keine offizielle Reisewarnung für die Türkei"
    Ehring: Aber das Auswärtige Amt hat ja Warnungen herausgegeben. Die zählen dann in dem Fall nicht?
    Rodegra: Das ist keine richtige Warnung, sondern nur verschärfte Sicherheitshinweise. Es wird davor abgeraten, Menschenansammlungen auf öffentlichen Plätzen oder touristische Attraktionen nicht aufzusuchen oder diese zu vermeiden. Das gilt aber auch in vielen anderen Ländern der Welt, so schlimm das klingt. Aber eine offizielle Reisewarnung für die Türkei, für die typischen Orte, die man dort besucht, die besteht nicht.
    Ehring: Wie sieht es denn aus mit der Aussicht auf Kulanz? Könnte man darauf hoffen, dass man kostenfrei umbuchen kann, oder die Reise stornieren kann, weil das Reiseunternehmen sich seinen guten Ruf nicht verderben will?
    Rodegra: Ja, da kann man hoffen, zumindest, wenn man in den nächsten Tagen nach Istanbul reisen will. Ich habe das gerade noch mal ein wenig im Internet recherchiert. Viele große Reiseveranstalter bieten kostenfreie Umbuchungen an. Aber da muss man wirklich sagen, das ist reine Kulanz der Veranstalter. Ein Recht auf Umbuchung habe ich als Kunde nicht.
    Ehring: Nun sind ja nicht alle als Pauschalreisende unterwegs. Man kann ja auch individuell einen Flug gebucht haben, ein Hotel reserviert haben. Wie sieht denn da die Rechtslage aus?
    Rodegra: Da sieht die Rechtslage schlechter aus, nicht so verbraucherfreundlich. Da gibt es nicht diese Möglichkeit, Kündigung wegen höherer Gewalt, wenn weitere Gefahren drohen. Das soll heißen: Nehmen wir mal an, es wäre jetzt eine verstärkte Gefährdungslage in Istanbul, und selbst das Auswärtige Amt würde eine Reisewarnung aussprechen, dann könnte ich meinen gebuchten Flug, der ja durchgeführt wird von der Fluggesellschaft, nicht kostenfrei zurückgeben, sprich kündigen, weil das kennt nur das Pauschalreiserecht. Da ist man als Pauschaltourist ganz klar besser geschützt durchs Gesetz.
    Ehring: Und für Autovermietung und Hotel sieht es dann ähnlich aus?
    Rodegra: Das ist genau dasselbe. Wenn ich direkt gebucht habe, liegt kein Pauschalreisevertrag vor, und dann muss ich Stornokosten, wenn ich dann nicht hinfahre an das Urlaubsziel, bezahlen. Die Kosten, die mir das Hotel oder auch der Autovermieter in Rechnung stellt.
    Ehring: Nun richtete sich der Anschlag ja wohl auch gegen den Tourismus. Das heißt ja, dass möglicherweise die Urlaubsgebiete an der Küste bedroht sein könnten. Wie sieht es denn da aus? Was ist da Ihr Rat?
    Rodegra: Auch da ist mein Rat, dass man sich beim Auswärtigen Amt auf der Internet-Seite vom Auswärtigen Amt erkundigt. Da gibt es nämlich für jedes Land dieser Welt Sicherheitshinweise oder auch Reisewarnungen, sollte es wirklich zu Gefahren kommen, und da kann man sich vor der Reise gut informieren. Und natürlich auch bei seinem Reiseveranstalter, denn der hält Informationen auch nicht zurück. Der will ja auch nicht, dass seine Kunden Gefahren ausgesetzt werden.
    Ehring: Kay Rodegra war das. Er ist Rechtsanwalt in Würzburg und spezialisiert auf Reiserecht. Herzlichen Dank.