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Religion
Flüchtlinge lassen sich taufen

Mehrere Tausend Muslime sind seit dem Flüchtlingszuzug nach Deutschland zum Christentum übergetreten. Ein Teil von ihnen hat schon verdeckt im Herkunftsland als Christ gelebt. Andere wiederum haben sich erst hier für einen Glaubenswechsel entschieden. Doch es gibt auch Flüchtlinge, die meinen, mit einer Konversion einer Abschiebung zu entkommen.

Von Ulrike Hummel | 09.02.2017
    Pastor Gottfried Martens segnet das kleine Mädchen Meliza auf dem Arm ihres Vaters vor ihrer Taufe.
    In der Evangelisch-Lutherischen Dreieinigkeitskirche in Berlin-Steglitz sind in den letzten Jahren mehrere hundert Muslime aus dem Iran und Afghanistan in das Christentum übergetreten. (dpa / Lukas Schulze)
    Sonntagvormittag während des Gottesdienstes in einem Privathaus in Frankfurt. Anwesend sind Gläubige aus Taiwan, dem Iran, Pakistan, China, den USA und Afghanistan. An diesem Sonntag sind es zehn Muslime, die in einer Privatwohnung durch Taufe in einer Badewanne in die christliche Ortsgemeinde aufgenommen werden. Unter ihnen die 19-jährige Afghanin Amina Husseini, die ihren tatsächlichen Namen nicht im Radio hören möchte.
    "Sie haben mich einfach ins Wasser hinein gelegt, dann haben sie mich wieder herausgeholt und es war gut. Sie waren alle happy und ich war auch glücklich. Meine Taufe fand in einem Badezimmer statt. Es war ein aufregender Tag für mich."
    Nicht immer sind Glaubensfragen ausschlaggebend
    Mit Beginn der Flüchtlingskrise ist die Zahl der Glaubensübertritte vom Islam zum Christentum in der Bundesrepublik stark gestiegen. Bei den Katholiken, Protestanten und Freikirchen habe man im letzten Jahr jeweils mehr als 1000 Konversionen gezählt – das sei mehr als in den letzten 50 Jahren insgesamt, sagt der Religionssoziologe Thomas Schirrmacher. Dabei sind nicht immer Glaubensfragen ausschlaggebend. Sekten oder sektenähnliche Gruppen nutzen die Angst der Flüchtlinge vor Abschiebung und locken gezielt mit Blitztaufen, Fahrtkostenerstattung und Mittagessen gratis. Der Erstkontakt zu den Flüchtlingen findet meist schon in den Erstaufnahmeeinrichtungen statt:
    "Sie haben uns geholfen: Sie gaben uns Stifte, Papier, Schuhe, Schokolade und solche Dinge. Sie waren sehr, sehr nett und sie haben mir die Kirche gezeigt."
    Gezielte Mission afghanischer Flüchtlinge
    Berichtet Amina Husseini und meint damit eine Gruppe von christlichen Taiwanesen. Sie seien für drei Monate nach Deutschland geschickt worden, um gezielt unter afghanischen Flüchtlingen zu missionieren, sagt Sophia – ein Mitglied der Gruppe. Der Stempel auf dem Taufschein von Amina Husseini verweist auf einen Verein mit dem unverfänglichen Namen "Die Gemeinde in Frankfurt am Main e.V." Der Verein allerdings steht in Verbindung zu den Ortsgemeinden von Watchman Nee und Witness Lee, einer weltweit verbreiteten christlichen Bewegung aus China. Deren Motto, zuerst die Taufe und dann die Glaubenseinweisung, ist ein aus hiesiger Sicht eher unseriöses Vorgehen.
    "Der Pfarrer hat gesagt, wenn Du Christin werden möchtest, dann musst Du Dich zuerst einmal taufen lassen. Danach beten wir jede Woche zusammen und einmal pro Woche bringen wir Dir bei, was in der Bibel steht."
    Die Taufe kann für Muslime hochgefährlich sein
    So eine 22-jährige Freundin von Amina Husseini, die sich ebenfalls in Frankfurt taufen ließ. In afghanischen Flüchtlingskreisen hat es sich längst rumgesprochen, dass man über die taiwanesische Gruppe schnell zum Taufschein gelangt. Doch für die betreffenden Flüchtlinge aus Afghanistan könnte eine Konversion zum Christentum fatale Folgen haben. Thomas Schirrmacher, Theologieprofessor und Leiter des Internationalen Instituts für Religionsfreiheit mit Hauptsitz in Bonn:
    "Für viele Muslime ist die Sache hochgefährlich, weil im Islam eine Strafe auf Apostasie und Blasphemie steht. Und sie können dann so oder so nicht mehr in ihre Länder zurück. Im Regelfall wird aber auch die Familie sie verstoßen. In Afghanistan gibt es – ja man kann schon sagen – einen Kampf auf Leben und Tod zwischen dem offiziellen Islam und allen abweichenden Formen und der zweitgrößten Religion im Land, dem Christentum."
    Konversion schützt nicht unbedingt vor Abschiebung
    Laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge führt die Konversion eines Asylbewerbers dann zur Schutzgewährung, wenn den Betroffenen wegen des Glaubensübertritts im Herkunftsland Verfolgung droht. Für die Behörde ist die spontane Taufe in Deutschland ein sogenannter "selbst geschaffener Nachfluchtgrund", der genauer untersucht werden muss. Claus-Ulrich Prölß vom Kölner Flüchtlingsrat:
    "Menschen, die eher nicht aus Gewissensgründen konvertieren, da ist das so, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge oder die Verwaltungsgerichte ziemlich schnell feststellen können, wie tief der Glaube bei den Menschen vorhanden ist. Da werden nämlich ganz spezielle Fragen gestellt und wenn die Flüchtlinge diese Fragen nicht beantworten, ist es für das Bundesamt oder die Gerichte ein zentraler Hinweis darauf, dass eher aus taktischen Gründen konvertiert wurde."
    In Bezug auf Konversionen sei die Entscheidungspraxis bei Asylverfahren sehr unterschiedlich, so Prölß. Manche Konvertiten werden als Flüchtlinge anerkannt, insbesondere wenn die Verfolgung im Heimatland droht. Anderen wiederum wird ein Glaubensübertritt aus taktischen Gründen unterstellt. Die Betroffenen müssen dann mit einem negativen Bescheid rechnen. Rein rechtlich greift im Anschluss daran das reguläre Ausländerrecht. Die Frage der Abschiebung stelle sich in der Regel erst später.
    Was Amina Husseini im Falle einer Abschiebung nach Kabul erwarten würde, ist ihr durchaus bewusst:
    "Wenn ich nach Afghanistan zurückkehre und die Leute wissen, dass ich jetzt Christin bin – dann werden sie mich töten."