Freitag, 19. April 2024

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Religion im US-Wahlkampf
Muss sich ein US-Präsident als religiös bekennen?

Es gibt in den USA keine Staatskirche. Der Staat verhält sich gegenüber den Religionsgemeinschaften neutral. Und doch sind die Vereinigten Staaten ein durch und durch religiöses Land. Das müssen die Bewerber um die Präsidentschaft berücksichtigen. Wie stark spielen sie die christliche, die jüdische oder die muslimische Karte?

Michael Hochgeschwender im Gespräch mit Andreas Main | 11.03.2016
    Die fünf amerikanischen Kandidaten zur Präsidentschafts-Vorwahl, Trump und Clinton.
    Trump und Clinton: Wie wichtig ist die Religion in ihrem Wahlkampf? (DSK / AFP)
    In diesem Wahlkampf spielt die Religion eine geringere Rolle als in früheren Wahlkämpfen, sagt der der Theologe und Nordamerika-Experte Michael Hochgeschwender. Dennoch keiner der Kandidaten und Kandidatinnen gibt sich offen religionskritisch, auch wenn Donald Trump, möglicher Präsidentschaftskandidat der Republikaner, Gegenwind aus den Religionsgemeinschaften bekommt.
    Ob ihm das schadet oder nützt, ist "schwer zu sagen". Aber insgesamt "tun sich sowohl Evangelikale als Katholiken mit Trump schwer; denn er hat im Laufe seines Lebens sehr viele Positionen vertreten, auch liberale", so Hochgeschwender, Professor für Nordamerikanische Kulturgeschichte, Empirische Kulturforschung und Kulturanthropologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Trump habe kein Programm. "Sein Programm ist er selber."
    Die Bindung der Kirchenmitglieder an ihre jeweiligen Vordenker sei zurückgegangen. Das sei der Grund, warum das Wahlverhalten und die reservierte Haltung der Religionsgemeinschaften gegenüber Donald Trump so weit auseinanderklaffen.
    Michael Hochgeschwender sieht eine große inhaltliche Nähe des sozialistischen Bewerbers Bernie Sanders mit Papst Franziskus. Als Jude spielt er "aus Kalkül und aus Überzeugung nicht die jüdische Karte". Er will breite Wählerschichten erreichen. Deswegen bekennt er sich zur katholischen Soziallehre. "Er hat immer wieder Papst Franziskus zitiert", so Hochgeschwender.
    Auch Hillary Clinton als mögliche Kandidatin der Demokraten gebe sich "nie religionsfeindlich oder religionskritisch", so der Experte für US-amerikanische Religionsgeschichte. "Viele ihrer wichtigen Ansprachen finden in schwarzen Baptisten- oder Methodistenkirchen statt."
    Zur Frage, ob sich jemand, der US-Präsident werden will, religiös bekennen muss, sagte Hochgeschwender: "In Umfragen sagen die US-Amerikaner mehrheitlich, sie würden einen Nicht-Religiösen niemals zum Präsidenten wählen. Wobei man umgekehrt sagen muss, dass in diesem Wahlkampf Religion nicht mehr die Rolle spielt, die sie in früheren Wahlkämpfen gespielt hat. Man könnte die These aufstellen, dass die USA deutlich politischer geworden sind."