Freitag, 29. März 2024

Archiv

Religion in TV-Serie
"Die Simpsons" bitten zum Gottesdienst

Religion ist eine der liebsten Zielscheibe der "Simpsons". Die Zeichentrickserie nimmt seit inzwischen 30 Jahren bevorzugt Gott und seine Welten aufs Korn, sagen zwei Freiburger Theologen. Zum Glück, denn Religion brauche Satire.

Von Samuel Dekempe | 18.05.2017
    Das Maskottchen Homer Simpson steht im Rahmen der Spielwarenmesse in Nürnberg vor der St. Lorenz Kirche
    Die Simpsons und die Kirche - eine deutlich engere Beziehung als man denken mag (dpa)
    Seit über 30 Jahren laufen die Geschichten über Homer Simpson, seine Frau Marge und die Kinder Bart, Lisa und Maggie weltweit im Fernsehen. Inzwischen gibt es über 600 Folgen in 28 Staffeln und weitere sind geplant. Auch wenn es sich um Zeichentrick handelt – eine harmlose Kinderserie sind die Simpsons nicht. Vielmehr schuf der studierte Philosoph Matt Groening Ende der 80er-Jahre eine Satire des westlichen Lebensstils. Und auch Religion spielt in der Serie eine wichtige Rolle, wie die Freiburger Theologen Thomas Jürgasch und Johannes Heger erforscht haben:
    "Das faszinierende ist, dass Religion dort nicht nur irgendwie oder randständig vorkommt. Sondern sogar eine Studie hat gezeigt: Religion ist mitunter das meistbespielte Thema bei den Simpsons. Und Religion kommt nicht nur so als Anlass, um mal irgendetwas zu machen, daraus vor, sondern wirklich in ihrer Vielgestalt, könnte man sagen. Religion wird also im einzelnen Leben der Menschen gezeigt und auf ganz, ganz unterschiedliche Weise. Religion wird aber auch in ihrer konfessionellen Verfasstheit gezeigt. Religion ist also quasi in ihrem Plural, wie sie auch im wahren Leben da ist, bei den Simpsons abgebildet", erklärt Johannes Heger.
    Religiöse Praktiken und der Umgang mit Religionals Thema
    Im Bereich der Religion veralbern die Simpsons vor allem Themen, die heute für viele Menschen problematisch sind. Sie werfen zum Beispiel die Frage auf, wie zeitgemäße Seelsorge, Gemeindeformen und Gottesdienste aussehen könnten, sagt Heger.
    Kirchenhistoriker Thomas Jürgasch (links) und der Religionspädagoge Johannes Heger (rechts) stehen vor Homer Simpsons Namensvetter "Homer"
    Kirchenhistoriker Thomas Jürgasch (links) und der Religionspädagoge Johannes Heger (rechts) vor "Homer" (Samuel Dekempe)
    "Und da zeigt sich bei den Simpsons meiner Meinung nach ein sehr interessantes Bild, denn die Simpsons gehen nie darauf hinaus, Glaubensgrundsätze oder die Substanz der Religionen ins Lächerliche zu ziehen, sondern es sind eher die Praktiken, die religiösen Praktiken und der Umgang mit Religion, der zum Ausgangspunkt von Spaß und Humor wird."
    Einerseits komme Religion in ihrer konfessionellen Verfasstheit vor: Die Unterschiede zwischen Protestanten und Katholiken werden thematisiert und Vertreter verschiedener Religionsgemeinschaften haben ihren Platz in der Serie. Religion spiele aber auch als sinngebende Instanz eine Rolle, sagt Heger. Dabei werden die Simpsons auch sehr konkret. So wird beispielsweise die Frage aufgeworfen, ob Gott überhaupt Gebete erhört:
    Homer Simpson: "Hey Junge, wir sollen uns religiösisch aufführen – was treibst du?"

    Bart Simpson:
    "Ich les Gebete und ignoriere sie – so wie Gott."
    Der Freiburger Theologe Thomas Jürgasch sieht in solchen Beispielen aber keine strikte Ablehnung von Glaube, Religionen und Kirchen.
    "Sie lehnen nicht prinzipiell Kirchen oder Religion ab"
    "Was die Simpsons prinzipiell, in ganz vielen kulturellen, gesellschaftlichen Bereichen tun, ist, dass sie Grenzen aufzeigen. Dass sie durch ihre satirische Kritik darauf hinweisen, wo eigentlich die Grenzen bestimmter Konzepte von Gesellschaft, Politik, Religion liegen. Und damit weisen sie auch auf die Grenzen dessen hin, was kirchliches Leben ist oder wo die Grenzen der kirchlichen Vorstellung liegen. Indem sie das tun, lehnen sie aber nicht prinzipiell die Kirche oder die Religion ab, sondern zeigen eben nur auf, inwieweit und wo sie begrenzt sind."
    Auch die Familie Simpson selbst ist religiös: Sie geht regelmäßig in den sonntäglichen Gottesdienst und die Tochter Lisa sucht im Buddhismus den Sinn des Lebens. Dabei bezeichnet sich der Erfinder der Simpsons, Matt Groening, selbst als Agnostiker. In einem Interview sagte er: "Wenn es einen Gott gibt, sprechen alle Anzeichen dafür, dass er mich hasst." Auch wenn Gott für Groenings Leben keine Rolle spielt – in der Serie hat er eine, erklärt Johannes Heger.
    Simpsons-Erfinder Matt Groening (M.) mit den beiden Simpsons-Charakteren Bart (l.) und Homer (r.) im Jahr 2012 bei der Ehrung mit einem Stern auf dem Walk of Fame.
    Simpsons-Erfinder Matt Groening bezeichnet sich selbst als Agnostiker (Imago/APress)
    "Gott wird insofern ganz besonders gezeigt, da er zwar als Figur auftritt, aber sein Antlitz ist nie zu sehen, außerdem umgibt ihn immer so eine Aura von Heiligkeit und sämtliche Menschen die ihm dann begegnen, gegenüberstehen verfallen auch in eine Anmuts- und Demutshaltung eigentlich. Und Gott ist derjenige, der auf die Menschen zugeht und selbst dafür sorgt, dass die Menschen sich entspannen. Durch diese Darstellung wird schon natürlich mit dem traditionellen Gottesbild gespielt und viele mögen daran auch anecken. In meiner ganz subjektiven Lesart würde ich sagen, dass sie diese Transzendenz und die Heiligkeit Gottes, die ja nicht nur im Christentum großgeschrieben wird, wirklich auch wahrnehmen, aufnehmen und dass das ihre Form von Respekt ist, wie sie Gott da zeigen."
    "Mein Sohn ist mal auf die Erde herabgestiegen, seitdem ist er nicht mehr derselbe."
    So landet Homer Simpson einmal in einem apokalyptischen Traum bei seinem Schöpfer. Nur Homer ist in den Himmel gekommen – der Rest der Familie erleidet Höllenqualen auf der Erde. Gott erkennt, dass Homer deprimiert ist und sucht das Gespräch.
    Gott: "Homer, was fehlt dir?"

    Homer Simpson:
    "O Herr, ihr habt hier einen erstklassigen Bestimmungszufluchtsort – absolut super. Doch ich habe keine Freude daran, wenn ich weiß, dass meine Familie leidet."

    Gott:
    "Ach, erzähle mir nichts von leidenden Familien. Mein Sohn ist mal auf die Erde herabgestiegen – ich weiß nicht, was ihr Menschen mit ihm gemacht habt, aber seitdem ist er nicht mehr derselbe."
    An solchen Beispielen zeigt sich das wahre Gesicht der Zeichentrickserie. Denn die Simpsons wollen nicht predigen – sie kritisieren und veralbern. So übernimmt Homer in einem Theaterstück die Rolle von Jesus, weil dieser Wein in Wasser verwandeln konnte und erst nach einem üppigen Mal starb. Die Bewohner Springfields sind nach anfänglicher Skepsis von der schauspielerischen Leistung begeistert.
    Chester Turley: "Dieser Mann ist echt voll der Sohn Gottes."

    Homer Simpson:
    "Heute Abend wirst du zu meiner Rechten im Himmel sitzen."

    Chester Turley:
    "Ist ja cool. Kreuzigungs-Networking zahlt sich aus."
    Dass nicht jeder diesen Humor teilt, können die Freiburger Theologen verstehen. Jeder müsse sich jedoch der Kritik stellen und daran den persönlichen Glauben reflektieren, sagt Thomas Jürgasch.
    "Satire kann ein wirksames Heilmittel sein"
    "Ich glaube, Religion braucht Satire unbedingt. Weil Religion immer in der Gefahr steht, sich selber absolut zu setzen und die Konzepte und Vorstellungen, die in ihr transportiert werden, als absolute und unverrückbare anzusehen. Dagegen kann die Satire ein wirksames Heilmittel darstellen, indem sie auf die Grenzen dieser Konzepte, Praktiken und Vorstellungen hinweist und das – zu unser aller Glück – auch noch in einer lustigen Weise tut."
    Die Simpson-Familie im Wohnzimmer: (l-r) Familienvater Homer Simpson, daneben auf dem Sofa seine Frau Marge, Bart, der Stammhalter der Familie, mit seiner intelligenten Schwester Lisa und das Nesthäkchen Maggie im Laufstall. Aufnahme von 1991.
    Die Simpsons im Wohnzimmer: Homer (v.l.n.r.), Marge und die Kinder Bart, Lisa und das Nesthäkchen Maggie im Laufstall. (picture-alliance / dpa / 20th Century Fox)
    Damit sei der Satire jedoch kein Freibrief ausgestellt. Auch die Satire müsse sich innerhalb bestimmter Grenzen bewegen.
    "Ich denke die Satire braucht unbedingt auch einen Respekt vor der Religion, ebenso wie eigentlich jede zwischenmenschliche Begegnung Respekt erfordert. Wenn sich ein Mensch in seinen religiösen Gefühlen nicht respektiert fühlt, wird er auch die satirische Kritik nicht aufnehmen können und es wird eigentlich das Ziel der Satire verfehlt werden, weil die Infragestellung oder das Karikieren nicht auf fruchtbaren Boden fällt."
    Die "Chrismusluden" als neue Religionsgemeinschaft
    Dass die Kritik auf fruchtbaren Boden fallen kann, zeigt eine Folge, in der Homer Simpson als Messias auftritt und eine neue Religionsgemeinschaft gründet, die Christen, Muslime und Juden vereint: die "Chrismusluden".
    Homer Simpson: "Denn wenn wir ganz ehrlich sind, machen doch alle Religionen dasselbe: Sie sagen euch, was man essen und wann man beten soll und wie dieser unvollkommene Lehm namens Mensch sich selbst zum Ebenbild Gottes formen kann. Aber diese höchste Anmut erlangen wir nie, wenn in unseren Herzen Hass gegen den anderen herrscht."

    Ned Flanders: "Ich hab’s geschafft: Ich habe ihn erreicht."

    Homer Simpson:
    "Zelebriert das, was ihr gemeinsam habt. Manche von uns essen kein Schwein, andere keine Krustentiere, aber wir alle lieben Hähnchen."

    Muslim:
    "Man kann es in Tajine sieden."

    Jude:
    "In einer Suppe kann man es kochen."

    Homer Simpson:
    "Verbreitet das Wort: Friede und Hähnchen."
    Die Absurdität von Homers Botschaft zeige deutlich, dass interreligiöser Dialog eben keine Art Hühnerfrikassee sein dürfe, das für einen schlechten Minimalkonsens stehe, sagt Thomas Jürgasch. Andererseits werden so auch Äußerlichkeiten kritisiert: Kann es wirklich sein, dass sich Anhänger einer Religion wesentlich darüber definieren, was sie essen dürfen und was nicht? Die Serie kann solche Fragen nicht lösen. Sie regt aber zum Nachdenken über zentrale religiöse Fragen an.