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Religionsgemeinschaften und Koalitionsvertrag
Mehr Licht oder mehr Schatten?

Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD spielt auch die Religion eine Rolle. Die Koalitionäre würdigen die Kirchen. Der Islam taucht vor allem mit Blick auf den Kampf gegen radikale Tendenzen wie den Salafismus auf. Wie reagieren die Religionsgemeinschaften darauf?

Von Thomas Klatt | 09.02.2018
    Horst Seehofer, Ministerpräsident von Bayern und Vorsitzender der CSU, Angela Merkel, Bundeskanzlerin und Vorsitzende der CDU und Martin Schulz, Vorsitzender der SPD, äußern sich am Ende der Koalitionsverhandlungen in der CDU-Parteizentrale, dem Konrad-Adenauer-Haus.
    Horst Seehofer, Angela Merkel und Martin Schulz bei einer Pressekonferenz am Ende der Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD (Bernd von Jutrczenka / dpa)
    In ihrem neuen Koalitionsvertrag bezeichnen Union und SPD
    die Kirchen als "Partner des Staates". "Auf Basis der christlichen Prägung unseres Landes" will sich die neue Bundesregierung für ein gleichberechtigtes "Miteinander in Vielfalt" einsetzen. Für den Bevollmächtigten des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland bei der Bundesrepublik Deutschland, Prälat Martin Dutzmann, eine Selbstverständlichkeit:
    "Es gibt natürlich Defizite aus unserer Sicht, das ist völlig klar. Ich hätte mir zum Beispiel sehr gewünscht, dass die Agenda 2030 der Vereinten Nationen mit den 17 Nachhaltigkeitszielen, die nicht nur - und das ist das Revolutionäre - nicht nur die Entwicklungs- und Schwellenländer betreffen, sondern alle Länder dieser Welt, dass sich das in der Präambel wiedergefunden hätte dieses Koalitionsvertrages, das hätte ich wirklich innovativ gefunden und wirklich auf dem Stand der globalen Diskussion, das vermisse ich."
    "Eine sehr nützliche Institution"
    Obwohl Ziele wie Bekämpfung von Armut und Hunger oder der Einsatz für sauberes Wasser oder menschenwürdige Arbeit sich durchaus im Koalitionsvertrag finden lassen. Auf den fast 180 Seiten findet sich auch das Versprechen, Antisemitismus entschieden zu bekämpfen und anti-islamischen Stimmungen entgegenzutreten. Details werden nicht genannt. Aber es wird auf jeden Fall einen nationalen Antisemitismusbeauftragten geben.
    Dazu Martin Dutzmann: "Der hält das Thema wach und ist einfach ein Ansprechpartner für alle Fragen von Antisemitismus. Das halte ich für eine sehr nützliche Institution."
    Die Deutsche Islamkonferenz soll fortgesetzt werden, der radikale Islamismus soll verstärkt bekämpft und radikalisierte Moscheevereine sollen gegebenenfalls verboten werden. Von Imamen aus dem Ausland wird erwartet, dass sie Deutsch sprechen. Klare Ansagen für Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland. Er macht dahinter ein Fragezeichen.
    "Dass die Konnotation Extremismus, Terrorismus weitestgehend im Zusammenhang vom Islam beschrieben wird. Und dieser Duktus ist schon irritierend. Die absolute Mehrheit sind friedliebende Muslime, das gilt gleichlautend auch für die Moscheegemeinden. Wir müssen sie und werden sie weiter als Partner brauchen im Kampf gegen Extremismus. Dieser Kontext ist wenig und ganz rudimentär hergestellt.
    "Das hätte man großzügiger regeln können"
    Zum Thema Asyl: Die faktische Obergrenze für Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen dürfen, wird bei maximal 220.000 pro Jahr festgelegt. Der Familiennachzug für subsidiär Schutzbedürftige wird auf 1000 Menschen pro Monat beschränkt.
    Mazyek sagt dazu: "Die Tatsache, dass Integration viel besser gelingen kann, wenn sie in der Familie sind, das sind Binsenweisheiten. Die sind durch unsere Werte gedeckt und die werden hier eingeschränkt."
    Ähnlich argumentiert der evangelische Theologe Dutzmann: "Das hätte man anders und großzügiger regeln können und auch müssen, weil wir nach wie vor darauf bestehen, dass das Recht auf Familie ein Menschenrecht ist, dass nicht nur Bundesbürgern, sondern jedem Menschen zusteht."
    Auch die monatelange Isolierung von Asylsuchenden in sogenannten "Entscheidungs- und Rückführungszentren" kritisiert Martin Dutzmann:
    "Tatsache ist, dass man dort verschiedene Einrichtungen zusammen bringen kann und dadurch Behördengänge konzentrieren kann, raffen kann. Aber spätestens in dem Augenblick, wo ein negativer Asylbescheid ergeht und jemand dann klagt, dann ist abzusehen, dass viele Menschen auch tatsächlich diese 18 Monate dort verbringen ohne arbeiten zu können und das ist so nicht hinnehmbar. Das geht nicht."
    "Koalitionsvertrag besser als sein Ruf"
    Der neue Koalitionsvertrag verspricht zudem, "die erforderlichen Anpassungen und Ergänzungen, die sich durch die Öffnung der Ehe für Personen gleichen Geschlechts ergeben, zügig vorzunehmen".
    Dazu Dutzmann: "Der letzte Deutsche Bundestag hat die Öffnung der Ehe für homosexuelle Lebenspartnerschaften beschlossen und von daher muss das jetzt konsequent weiter bearbeitet werden. Das versteht sich von selber. Unabhängig davon kann man nicht leugnen, dass es innerhalb der Kirche auch weiterhin eine Diskussion darüber gibt, ob das der richtige Weg ist oder nicht."
    Die Deutsche Bischofskonferenz wollte sich zum neuen Koalitionsvertrag in einem Interview nicht äußern. Das höchste Laiengremium aber, das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), begrüßt die Einigung. ZdK-Präsident Thomas Sternberg wörtlich: "Dieser Koalitionsvertrag ist besser als der Ruf, der ihm in den letzten Wochen in den Medien vorauseilte".