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Religionsphilosoph Mircea Eliade
Heilung durch das Heilige

Der rumänische Religionsphilosoph Mircea Eliade galt als "Einstein der Religionsgeschichte". Er vertrat eine scheinbar simple Botschaft: Die Menschheit solle zurückkehren zu ihren religiösen Wurzeln, um die Probleme der Moderne zu lösen. Damit fand Eliade in ganz unterschiedlichen Milieus Zuspruch – von Hippies bis zur Neuen Rechten.

Von Christian Röther | 03.01.2018
    Der rumänische Religionswissenschaftler, Philosoph und Schriftsteller Mircea Eliade im Jahre 1978 in seinem Zuhause in Paris, Frankreich.
    Der Religionswissenschaftler, Philosoph und Schriftsteller Mircea Eliade 1978 in Paris (imago / ZUMA Press)
    "Die menschliche Existenz ist bedeutungslos geworden. Der Mensch lebt in einer Natur ohne Vorbild, ohne Schöpfer, ohne Ziel. Das ist der Nihilismus, den Nietzsche ausgerufen hat, als er sagte 'Gott ist tot'."
    Dem Religionsphilosophen Mircea Eliade geht es um das große Ganze: um das Heilige. Er empfindet den modernen westlichen Menschen als defizitär. Der Mensch finde sich in der Welt nicht zurecht, weil er die höhere Ordnung darin nicht mehr erkenne, diagnostiziert Eliade. Er empfiehlt der Menschheit, zur Weltsicht ihrer Vorfahren zurückzukehren. Mircea Eliade hat mit solchen Sätzen viele seiner Zeitgenossen geprägt. Er war einer der bedeutenden Religionsgelehrten des 20. Jahrhunderts – und zugleich umstritten. Er beeinflusste ganz unterschiedliche Bewegungen: von Hippies über Esoteriker bis hin zur Neuen Rechten.
    "Wir sind Zeugen der Krise des modernen Menschen."
    Mircea Eliade wird am 9. März 1907 in Bukarest geboren, der Hauptstadt von Rumänien. Er gilt als fauler, frustrierter Schüler. Doch in seiner Freizeit verschlingt er ein Buch nach dem anderen.
    "Erinnerungen, Seite 15: Eines Tages fiel mir das Lesebuch meines Bruders in die Hände, und nach der ersten Seite konnte ich nicht mehr davon lassen. Ich war fasziniert, wie von einem neuen Spiel, und mit jeder gelesenen Zeile erfuhr ich unbekannte und ungeahnte Dinge."
    Ein Leben für die Religion
    Mit 16 nimmt sich Mircea Eliade vor, pro Tag ein Buch zu lesen, zehn Seiten zu schreiben und nur vier Stunden zu schlafen. Mit 18 entdeckt er sein Lebensthema: die Religion.
    "Es ist nicht die Suche nach Gott, die er damit verbindet", sagt Hannah Müller-Sommerfeld, "sondern es ist die Suche nach dem Geheimnis der Welt."
    Hannah Müller-Sommerfeld ist wie Eliade in Rumänien aufgewachsen. Sie hat ihre Doktorarbeit über Eliade verfasst und lehrt heute in Leipzig Religionswissenschaft.
    "Eliade hat sich in seiner rumänischen Zeit immer als ein Führer der jungen Generation, der Studenten betrachtet. Es ist, um es ganz vereinfacht auszudrücken, der Intellektuelle aus der Stadt, der sich dann eben ausmalt, wie dann die gute Religion oder der gute neue Mensch zu sein hat. Und das ist natürlich ein sehr spirituell ausgerichteter Mensch. Das sieht man dann natürlich in seiner späteren Zeit im Westen, wie er das dann noch schön ausbaut. Wobei die Grundlagen sind alle in Rumänien dafür gelegt worden."
    "Erinnerungen, Seite 116: In diesen Jahren nährten sich meine gesamten Anstrengungen von der Hoffnung, eines Tages alle 'Geheimnisse' der Religionen, der Geschichte und überhaupt des Schicksals des Menschen auf der Erde mit einem Schlag zu lösen."
    Nach dem Abitur studiert Eliade in seiner Heimatstadt Bukarest Philosophie. Dann geht er nach Indien, um seine Doktorarbeit über Yoga zu verfassen. Eliade lebt bei dem Philosophieprofessor Surendranath Dasgupta und in einem Ashram. In einem Brief schreibt er:
    "Es war vor allem dort drüben, in Bengalen und im Himalaya, dass ich versucht habe, mich dem Religiösen anders als über Bücher zu nähern."
    1931 kehrt Eliade nach Rumänien zurück. Später erinnert er sich in einer Filmaufnahme an diese Zeit. Der rumänische Filmemacher Paul Barbă Neagră hatte Eliade interviewt, für seine Dokumentation "Mircea Eliade und die Wiederentdeckung des Heiligen".
    "Als ich nach drei Jahren aus Indien zurückkam, verstand ich die Bedeutung unserer Volkstraditionen in Südosteuropa. Die ländlichen Kulturen und die traditionelle Folklore waren bei uns noch lebendig. Im Westen waren sie zwar nicht tot, aber ein wenig eingeschlafen."
    "Das Heilige und das Profane, Seite 143: Ein Mittel zur Erweiterung der religiösen Perspektive ist die Bekanntschaft mit der Folklore der europäischen Völker; in ihren Glaubensvorstellungen und Bräuchen, in ihrer Einstellung zu Leben und Tod sind noch viele archaische 'religiöse Situationen' zu erkennen."
    Faschistische Verstrickungen
    "Das ist dieser Hype, den die Orthodoxie im Osten Europas hatte, wo es darum ging, den neuen Menschen dann – den neuen religiösen Menschen natürlich auch – zu erfinden und dann eben zu neuen Ufern aufzubrechen."
    Erklärt die Religionswissenschaftlerin Hannah Müller-Sommerfeld. Mircea Eliade ist Teil dieses "Hypes" um Spiritualität und das orthodoxe Christentum. Er lehrt an der Universität Bukarest, schreibt für Zeitungen, erhält einen Literaturpreis – denn Eliade verfasst zeitlebens auch zahlreiche Romane, oft mit autobiographischen Zügen.
    Schon seit Studententagen wird Eliade maßgeblich beeinflusst von Nae Ionescu, einem rumänischen Philosophen mit rechtsextremen Überzeugungen. Auch in Rumänien erstarken zwischen den Weltkriegen Nationalismus und Antisemitismus. Ab 1936 unterstützt Mircea Eliade publizistisch die "Eiserne Garde", eine christlich-faschistische Bewegung. "Eine christliche Revolution" – das ist seine Forderung, die er in diesem Zeitungsartikel formuliert:
    "Seit hunderten von Jahren schien es, dass das östliche Christentum keine neuen historischen Formen mehr bilden kann. Die moderne Welt der Renaissance ging an diesem östlichen Christentum ignorierend und missachtend vorüber. Erst jetzt beginnt man den Sinn dieser christlichen Revolution zu verstehen, die ein neues Rumänien zu schaffen versucht, indem zuerst ein neuer Mensch, ein perfekter Christ geschaffen wird."
    In seinem Tagebuch und in Zeitungsartikeln vertritt Eliade teils antisemitische Positionen. Zugleich bestreitet er gegenüber einem jüdischen Freund, Antisemit zu sein. Wegen seiner Nähe zur faschistischen Bewegung wird Eliade für kurze Zeit interniert – jedoch schnell wieder rehabilitiert. Noch im Zweiten Weltkrieg entsendet der rumänische Staat ihn an die Botschaften in London und Lissabon. Nach dem Krieg kehrt Eliade nur noch für ein paar Tage nach Bukarest zurück – und verlässt Rumänien dann für immer. Als seine faschistischen Verstrickungen später nach und nach im Westen bekannt werden, sagt er dazu – nichts. Eliade wählt den Weg des Schweigens.
    Zurück zum "homo religiosus"
    Ab 1945 lebt Eliade in Paris. Dort verfasst er seine ersten systematischen Schriften zur Religionsgeschichte. Aus dem umfangreichen Werk Eliades lässt sich eine recht einfache Botschaft herauslesen, sagt Hannah Müller-Sommerfeld:
    "Ausgehend davon, dass der moderne Mensch seine echte Religiosität verloren hat durch diese Zivilisation und durch alles Schlimme, was auf uns hier zugekommen ist in dieser Moderne – das kann eben über den sogenannten archaischen Menschen, der also noch in dieser ursprünglichen Religiosität lebt, dann aufgeholt werden. Und dahin müssen wir alle zurück."
    Mircea Eliade in Paris.
    Mircea Eliade in Paris. (imago / Leemage)
    Mircea Eliade: "Ich glaube, dass der Mensch so konstituiert ist: Seine Art, in der Welt zu sein, ist religiös zu sein – das heißt, die Erfahrung des Heiligen zu haben."
    "Geschichte der religiösen Ideen, Band 1, Seite 7: Durch die Erfahrung des Heiligen hat der menschliche Geist den Unterschied zwischen dem erkannt, was sich als wirklich, mächtig, bedeutsam und sinnvoll enthüllt, und dessen Gegenteil – dem chaotischen und gefahrvollen Fluss der Dinge, ihrem zufälligen und sinnlosen Aufgang und Untergang. Mensch sein oder, besser: werden heißt 'religiös' sein."
    Eliade nennt diesen ursprünglich-religiösen Menschen den homo religiosus. Der homo religiosus ist Eliades Gegenentwurf zum modernen Menschen. Mit seiner Sicht auf die Menschheit und die Religion stößt Eliade international auf großes Interesse.
    "Ein freundlich wirkender kleiner älterer Herr"
    1959 wird Eliade nach Chicago berufen, als Professor für Religionsgeschichte. In den USA gilt er als eine Art wandelndes Lexikon, wird "Einstein der Religionsgeschichte" genannt. Zwölf Mal bekommt Eliade einen Ehrendoktor verliehen.
    "Ein freundlich wirkender kleiner älterer Herr", sagt Andreas Grünschloß. "aber der durchaus erst mal so von seinem Esprit, wie er da so auftrat, sympathisch und interessant wirkte."
    Andreas Grünschloß ist in Göttingen Professor für Religionswissenschaft. Er studierte Anfang der 80er Jahre in Chicago. Damals wurde Eliade gerade emeritiert.
    "In Chicago gab es damals auch so einen Witz, der umging: Eliade wird vom Verleger gefragt, ob er nicht ein neues Buch parat hätte. Und da sagt er: 'Ja, ich hab was in der Schublade.' Und er sagt: 'Aber es darf nicht über das Heilige und das Profane und über Hierophanien und Kratophanien gehen oder Initiation.' Das sind so die Grundelemente, die immer wieder auftauchen bei ihm, und, wenn man Eliade liest, auch ständig wiederkehren."
    Mircea Eliade schafft seinen eigenen begrifflichen Kosmos:
    Hierophanie: Aufscheinen des Heiligen im Profanen.
    Kratophanie: Aufscheinen einer übernatürlichen Kraft.
    Eliade wird heute meist als Religionswissenschaftler bezeichnet. Manche sagen auch: Religionsphilosoph. Er selbst bezeichnete sich als Religionshistoriker. Religionswissenschaftlerin Hannah Müller-Sommerfeld kritisiert das:
    "Das Problematische an Eliade und auch an seinem religionsgeschichtlichen Ansatz – also da würde ich mich mehr als sträuben, ihn als Religionsgeschichtler zu bezeichnen – ist, dass er dann das religionshistorische Material für sein Konzept verbiegt."
    "Wenn er sagt 'I am a historian of religions', dann darf man das nicht missverstehen im Sinne, dass er Religionshistoriker ist", sagt Andreas Grünschloß, "sondern er ist Religionsgeschichtler in einem existenzialphilosophischen Sinn. Er versucht, die treibenden Kräfte von Religion zu identifizieren und will das auch – na ich würde mal sagen – missionarisch wäre zu viel gesagt, aber schon mit einem mindestens religiös-philosophischen Impetus auch seinen Studierenden weitervermitteln."
    Mircea Eliade: "Für mich zeigt die Disziplin der Religionsgeschichte den Gesamtmenschen in dem Sinne, dass wir auch in den archaischen Völkern eine spirituelle Dimension entdecken, die sich in der gesamten Religionsgeschichte fortsetzt."
    Dem areligiösen Menschen fehlt etwas
    Eliade wertet auf, was oft als primitiv belächelt wird: ein einfaches Leben im Einklang mit der Natur:
    "Arbeit, Jagd, Fischerei, Ehe und auch alle Künste waren zunächst religiös. Für alles gab es Rituale, die von höheren Wesen offenbart worden waren."
    "Das Heilige und das Profane, Seite 175: Indem der Mensch das Verhalten der Götter nachahmt, versetzt er sich in die Nähe der Götter, also ins Reale und Bedeutsame."
    Doch wer die alten Rituale nicht mehr kennt, der führt in Eliades Augen ein bedeutungsloses Leben. Die ursprüngliche Ordnung der Welt sei dem Großteil der Menschheit verlorengegangen:
    "Allmählich, nach der großen Revolution durch den jüdischen Monotheismus und vor allem durch die Propheten, wurde der Kosmos entsakralisiert. Judentum und Christentum wollten das Heilige aus dem Kosmos entfernen."
    Die religiöse Ordnung und ihre Erklärung der Welt wurden durch andere Ordnungen ersetzt. Eliade nennt die modernen Naturwissenschaften, kritisiert Nietzsche, dessen Nihilismus, wie er sagt, sowie den Kommunismus von Karl Marx.
    "Das Heilige und das Profane, Seite 175: Der moderne Mensch kann nicht wirklich frei sein, ehe er den letzten Gott getötet hat. Es ist hier nicht unsere Aufgabe, diese philosophische Einstellung zu diskutieren. Nur so viel sei festgestellt, dass der moderne areligiöse Mensch eine tragische Existenz auf sich nimmt."
    Aber nicht nur dem areligiösen Menschen fehlt in Eliades Augen etwas, sondern auch vielen modernen Christen.
    "Seite 155: Das Christentum der industriellen Gesellschaften, besonders das der Intellektuellen, hat seit langem seine kosmischen Werte eingebüßt. Zum Mysterium der Teilnahme der Natur am christologischen Drama haben die Christen einer modernen Stadt keinen Zugang mehr."
    Mit seiner Kritik an der modernen westlichen Weltsicht ist Eliade in ganz unterschiedlichen Bewegungen populär, erklärt Hannah Müller-Sommerfeld:
    "Die Wege sind nicht ganz nachvollziehbar, weil er heutzutage auch – besonders seit den 90er Jahren – in rechten Kreisen sehr stark rezipiert wird. Auf der anderen Seite aber: Zu seinen Lebzeiten ist er noch beispielsweise in der Hippie-Bewegung stark rezipiert worden, weil natürlich diese Spiritualität, die er vertritt – das war dann ein guter Aufhänger, was dann diese junge Generation entsprechend aufgenommen hat."
    Ähnliches hat auch Andreas Grünschloß beobachtet:
    "Es fiel mir auf, wenn man hier so in den 90er Jahren in die Esoterik-Buchläden ging, dann fand man durchaus Publikationen von Eliade. Gerade für spirituelle Sucher war Eliade wieder ein interessanter Gewährsmann, weil er eben auf diese spirituellen Erfahrungsdimensionen rekurriert, die normalerweise heute von Religionswissenschaftlern so nicht bemüht würden. Und deswegen ist er da wieder in diesem Feld plötzlich sehr interessant geworden."
    Eliade und Ernst Jünger
    Ende der 50er bis Anfang der 70er Jahre gibt Eliade eine deutschsprachige Zeitschrift heraus: "Antaios". Dort schreiben auch Vordenker der sogenannten Neuen Rechten, etwa der Italiener Julius Evola. Co-Herausgeber von Antaios ist Ernst Jünger. Der umstrittene deutsche Schriftsteller wird von den einen als ein geistiger Wegbereiter des Nationalsozialismus bezeichnet. Andere sehen in ihm das Gegenteil: einen großen Denker und Versöhner von Deutschen und Franzosen. Jünger und Eliade lernen sich in den 50ern in Italien kennen. Der rumänische Eliade-Biograf Florin Turcanu schreibt:
    "Jünger und Eliade teilten manche gemeinsamen Züge, von der Geringschätzung der Geschichte und der Aufwertung des mythischen Denkens bis hin zur umstrittenen politischen Vergangenheit, deren Schatten beide Männer in der Nachkriegszeit verfolgte. Die Verwandtschaft zwischen Jüngers Zeitbegriff und Eliades 'Sehnsucht nach den Ursprüngen' ist unübersehbar."
    Der Literaturwissenschaftler Niels Penke von der Universität Siegen:
    "Da sind wir vielleicht auch schon auf einer gemeinsamen Fährte von Eliade und Jünger, nämlich das, was dann unter solchen großen Begriffen wie Religion oder Mythos konkret verfolgt wurde, ins Bewusstsein größerer Publika zu übersetzen. Es geht jetzt nicht darum, den Mythos sprach- oder zeichentheoretisch zu dechiffrieren oder ideologiegeschichtlich aufzuarbeiten, sondern es geht genau dahin, diesen Mythos wiederzufinden und zu zeigen, dass die Welt der Erscheinungen nicht alles ist. Und ich glaube, das verbindet Eliade und Jünger sehr stark. Also bei Eliade gerade diese Verfallsgeschichte, also dass die Zugänge und das Bewusstsein für eben das Heilige zunehmend in Vergessenheit geraten sind, das ist etwas, was sich bei Jünger auch durchaus als eine Grundthese feststellen lässt."
    Wenn das Heilige in Vergessenheit gerät, ist der moderne Mensch also verloren? Nein, sagt Mircea Eliade. Das ursprüngliche religiöse Wissen schlummere noch immer in ihm. Dafür findet Eliade Indizien im Alltag.
    "Das Heilige und das Profane, Seite 176 folgende: So haben die Neujahrsvergnügen oder Hauseinweihungen, obwohl sie verweltlicht sind, immer noch die Struktur eines Erneuerungsrituals. Dasselbe gilt für die Feste und Vergnügungen bei einer Hochzeit oder bei der Geburt eines Kindes, beim Antritt einer neuen Arbeitsstelle oder bei einer Beförderung usw."
    Der Mensch habe daher die Fähigkeit, schreibt Eliade, …
    "… die religiöse Erfahrung des Lebens zurückzugewinnen."
    "Ich denke, das wesentliche Element der conditio humana ist das Gefühl des Heiligen."
    Am Ende seines Dokumentarfilms über Mircea Eliade stellt Paul Barbă Neagră die Frage, was passieren würde, wenn die Menschen dieses archaische religiöse Wissen wiederentdecken würden – wenn sie wieder zu einem homo religiosus würden. Die Antwort Eliades:
    "Wenn wir dazu fähig sind, die religiösen, mythologischen und moralischen Werte zu entschlüsseln, die in gewöhnlichen Objekten oder alltäglichen Ereignissen versteckt sind, dann wird das Leben unendlich reicher und leidenschaftlicher. Es verdient dann wirklich, gelebt zu werden, weil die unbekannte Welt, die sich dann öffnet, voller Botschaften und Hoffnung ist. Diese Welt ist uns dann ganz nah und nicht mehr undurchsichtig. Wir sind nicht mehr zwischen den Mauern einer Festung eingesperrt. Wir fühlen uns nicht mehr wie in einer Zelle."
    Diese Filmaufnahme zeigt einen alten Mann. Wenige weiße Haare, weißer Vollbart. Eliade wirkt hager und klein. Er sagt:
    "Unfruchtbarkeit, Langeweile, Dekadenz und Verfall – das sind Symptome unserer Zeit. Aber diesen modischen Ideen werden abgeschafft durch die Öffnung für andere geistige Welten, andere imaginären Universen. Diese Öffnung kann nicht ohne Wirkung sein."
    Eliade richtet immer wieder seine etwas zu große Brille; zieht an seiner Pfeife. Weißer Rauch steigt gen Himmel. Mircea Eliade stirbt, bevor dieses Interview ausgestrahlt wird. Am 22. April 1986 in Chicago.
    "Also, ich kann sagen, ich bin optimistisch."