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Religionspolitik
Moscheesteuer hin, Minarettverbot her

Die AfD will sich als Anti-Islam-Partei profilieren. Seit ihre Vorschläge publik wurden, ist ein religionspolitischer Wettbewerb entbrannt. Das Geld soll kontrolliert werden, der Glaube ebenso. Und wenn ohnehin schon von Religion die Rede ist, könnte auch das Verhältnis zu den Kirchen neu justiert werden. Die wichtigsten Ideen und Nicht-Ideen aus den Parteien im Überblick.

Von Michael Hollenbach | 26.04.2016
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    Die Spitze des Minarett der Yavus Sultan Selim Moschee mit dem Halbmond und das Kreuz auf der Kirchturmspitze der Liebfrauenkirche in Mannheim. (picture alliance / dpa / Ronald Wittek)
    Die Religion ist zurück in der Politik. Seit die Alternative für Deutschland den Islam entdeckt hat, melden sich auch die anderen Parteien mit religionspolitischen Vorschlägen zu Wort. Im geplanten Grundsatzprogramm der AfD heißt es:"Ein orthodoxer Islam, (..) der einen Herrschaftsanspruch als allgemeingültige Religion erhebt, ist mit unserer Rechtsordnung und Kultur unvereinbar."
    Eine klare Absage an den Islam ganz allgemein. Parteivize Alexander Gauland erklärte in der Talkshow bei Maybrit Illner: "Muslime gehören zu Deutschland. Der Islam als eine kompakte Religionsgemeinschaft hat hier in diesem Lande keine Spuren hinterlassen. Deswegen sagen wir ganz deutlich: Der Islam gehört nicht zu diesem Land." Und die stellvertretende Parteichefin Beatrix von Storch setzte noch eins drauf. Der Islam an sich sei gar keine Religion, sondern eine politische Ideologie, die mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sei.
    Aus ihrer antiislamischen Position erhebt die AfD konkrete Forderungen im Entwurf des Parteiprogramms. Ganz konkret fordert die AfD: "Die Finanzierung des Baus und Betriebs von Moscheen durch islamische Staaten oder ausländische Geldgeber soll unterbunden werden."
    Eine Position, mit der auch die CSU zu liebäugeln scheint. Denn deren Generalsekretär Andreas Scheuer hat ein Islamgesetz vorgeschlagen: Er möchte ebenfalls die ausländische Finanzierung deutscher Moscheen verbieten lassen. Eine weitere CSU-Forderung: Die Sprache in den Moscheen müsse deutsch sein. Der Göttinger Kirchenrechtler Michael Heinig zieht einen Vergleich zur katholischen Kirche: "Man muss sich das mal vorstellen: Vor dem II. Vaticanum war es üblich, dass in den Messen Latein gelesen wurde. Und der Staat hätte das verboten. Das wäre unvorstellbar gewesen."
    Um die Auslandsfinanzierung der Moscheen zu vermeiden, hat der CSU-Bundestagsabgeordnete Alexander Radwan eine Moscheesteuer in die Diskussion gebracht. Ähnlich wie bei der Kirchensteuer sollten auch muslimische Gemeinschaften eine Steuer erheben dürfen.
    Wie Moscheen genau auszusehen haben, dazu hat sich die CSU noch nicht geäußert. Wohl aber die AfD: "Das Minarett lehnt die AfD als islamisches Herrschaftssymbol ebenso ab wie den Muezzinruf, nach dem es außer dem islamischen Allah keinen Gott gibt", heißt es im Programmentwurf.
    Ist der Muezzinruf ein Problem in Deutschland? Da kann CDU-Vize Julia Klöckner nur den Kopf schütteln: "Also ich höre nicht so oft einen Muezzin rufen von einer Moschee oder einem Minarett. Wenn man da jetzt Ängste schürt über etwas, was gar nicht der Fall ist, dann ist das auch nicht ganz anständig, finde ich." Allerdings hat auch die rheinland-pfälzische CDU-Vorsitzende im Wahlkampf das Verbot der Burka gefordert, obwohl dieses Kleidungsstück nicht gerade ein Massenphänomen in Deutschland ist. Eine Forderung, die übrigens auch die AfD in ihr Parteiprogramm aufnehmen will. Und die Partei geht noch einen Schritt weiter: "Im öffentlichen Dienst soll kein Kopftuch getragen werden: in Bildungseinrichtungen weder von Lehrerinnen noch Schülerinnen."
    Und auch zum islamischen Religionsunterricht, der ja in der Verantwortung der Bundesländer liegt, hat die AfD eine klare Position: "Eine orthodoxe Auslegung des Islam ist mit unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht vereinbar. Anstelle eines bekenntnisorientierten Islamunterrichts fordern wir eine Islamkunde in deutscher Sprache für alle moslemischen Schüler, die in einen Ethikunterricht integriert wird."
    Die antiislamische Profilierung der AfD hat den Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime Aiman Mazyek zu der Aussage animiert: "Seit Hitler haben wir wieder eine Partei in Deutschland, die sich programmatisch voll und ganz auf einen Kurs einstellt, gegen eine Religionsgemeinschaft und sie existenziell bedroht."
    Für den Hitler-Bezug gab es viel Kritik. Aber wie sehr religiöse Debatten entgleisen können, zeigte sich auch schon 2012 beim Thema Beschneidung. Nach einer erregten Debatte in den Medien unter Aufbietung schwerer historischer Geschütze verabschiedete der Bundestag ein Gesetz, wonach muslimische und jüdische Eltern ihre Söhne nach religiöser Tradition beschneiden lassen dürfen. Der Protest ist seitdem nicht verstummt. So haben mehrere Verbände wie der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte und "terre des femmes" für den 7. Mai zum weltweiten Tag der genitalen Selbstbestimmung aufgerufen.
    Ursprünglich hatte sich die AfD auch für ein Verbot der religiösen Beschneidung und des Schächtens ausgesprochen. Doch nachdem sie sich dafür den Vorwurf des Antisemitismus einhandelte, wurde diese Forderung wieder fallen gelassen.
    Die vielen, zum Teil hektisch entwickelten Vorschläge bestätigen all jene, die grundsätzlich eine andere Religionspolitik wünschen, nicht nur im Verhältnis zum Islam, sondern auch zu den christlichen Kirchen. In der SPD haben sich die Humanisten und Konfessionsfreien organsiert, bei den Grünen hat die Religionspolitische Kommission gerade einen Bericht vorgelegt, der das Verhältnis zwischen Staat und Kirchen reformieren will. Und bei den Linken werden die Stimmen lauter, die sich – wie jetzt der sächsische Landesverband – gegen eine Privilegierung der Kirchen wenden. Gefordert wird nicht nur eine Religionsfreiheit, sondern auch eine Freiheit zur Religionslosigkeit. Das Grummeln über die deutsche Religionspolitik ist nicht mehr zu überhören.