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Renaissance der Stadtwerke

Als in den 90er-Jahren in vielen Kommunen Geld fehlte, da wurde verkauft, was verkauft werden konnte. So auch sehr oft die Stadtwerke. Viele Städte gaben die Strom-, Wasser- und Gasversorgung aus der Hand und überließen diesen Markt den großen Energiekonzernen. Mittlerweile bereuen viele Kommunen diesen Schritt.

Von Dieter Nürnberger | 19.08.2009
    In der Tat sprechen die drei Veranstalter bereits von einer Renaissance der Kommunalgesellschaft. Der Deutsche Städtetag führt dieses Umdenken unter anderem auf negative Erfahrungen zurück: Die Privatisierungswelle habe nicht immer zum Vorteil der kommunalen Versorgung beigetragen, die Preise seien gestiegen, es fehle an Transparenz und Verbraucherfreundlichkeit. Dadurch habe auch in der Öffentlichkeit und in der Politik ein Umdenken eingesetzt.

    Die Zeit sei auch deshalb günstig, weil aktuell inzwischen viele Konzessionsverträge wieder ausliefen, die Kommunen somit vor der Entscheidung stünden, wie es weitergehe. Monika Kubahn ist stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Städtetages.

    "Für uns hat es nie einen Zweifel daran gegeben, dass öffentliche Daseinsvorsorge, und dazu gehört eben auch die öffentliche Infrastruktur, eine Aufgabe der öffentlichen Hand ist. Dass die Bürger davon profitieren, wenn sich die öffentliche Hand auch in diesen Bereichen engagiert."

    Der Städtetag geht davon aus, dass in allen Tätigkeitsbereichen in Deutschland, das können der Energie- und Wasser- oder auch der Verkehrs- und Abfallbereich sein, rund 20.000 Konzessionsverträge allgemein bestehen, davon stünden derzeit rund 780 zur Verlängerung oder eben auch zur Kündigung an. Die Kommunen hätten somit Handlungsspielräume, die sie nutzen sollten. Ein gutes Beispiel dafür: In Folge des Verkaufs einer Energiesparte des Unternehmens "E.on" mit dem Namen Thüga haben sich erst neulich Stadtwerke wieder neu gegründet. Die Energieversorgung steht deshalb auch im Mittelpunkt der Überlegungen. Zeit zum Handeln, sagt Monika Kubahn.

    "Wir sollten die Zeit der auslaufenden Konzessionsverträge nutzen: Zum einen innerhalb der Verträge - da könnten dann entsprechende Konditionen untergebracht werden. Zum anderen aber auch durch einen Wiedereinstieg in den Markt. Durch den Einstieg der kommunalen Stadtwerke gibt es mehr Wettbewerb und die Versorgung in diesem Bereich wird nicht mehr nur dem Renditeaspekt folgen, sondern auch den Themen Versorgungssicherheit und Umweltqualität."

    Über die energiepolitische Zukunft soll also unter anderem auch direkt vor Ort in den Kommunen entschieden werden. Die Stadtwerke hätten in der Bevölkerung zudem eine hohe Akzeptanz. Auch langfristig sieht man sich auf der richtigen Seite, denn gerade im Energiebereich stünden derzeit wichtige Weichenstellungen an. Hans-Joachim Reck, der Hauptgeschäftsführer des Verbandes Kommunaler Unternehmen, positioniert sich deshalb recht eindeutig: Es gehe künftig darum, auch beim Klimaschutz Vorreiter zu sein.

    "Der Punkt ist der, dass der energiepolitisch notwendige Umbau dezentral erfolgen wird. So wird die Kraft-Wärme-Kopplung einen ganz entscheidenden Ausbaustandard bekommen - zur Garantie nachhaltiger Energieproduktion. Nachhaltige Energieformen wie Biomasse, Windkraft und andere sind auch meist dezentral. Auch das Thema Energieeffizienz, nicht zuletzt auch in öffentlichen Gebäuden, sind dezentrale Fragestellungen, die jetzt unsere Geschäftsmodelle auch neu begründen."

    Mit einer heute vorgestellten gemeinsamen Publikation wollen die drei Veranstalter auch den Entscheidungsträgern in den Kommunen eine Arbeitshilfe bieten. Hier sind viele Beispiele bereits erfolgter Übertragungen auf die kommunalen Träger enthalten. Es geht auch um rechtliche und wirtschaftliche Aspekte, die es bei solch gravierenden Schritten zu berücksichtigen gilt. Klar ist auch, die Kommunen werden dann in diesen Bereichen auch investieren müssen. Bei der Energieversorgung etwa auch in den Netzausbau, sagt Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindetages.

    "Es ist ein wesentlicher Punkt: Die Kommunen müssen prüfen, ob sie sich das leisten können. Energiefragen sind ja auch wirtschaftlich interessant. Die Energiepreise werden natürlich wieder deutlich ansteigen, damit sind auch Chancen verbunden. Meist geht es aber nicht erstrangig um das Geldverdienen, es geht um andere Leistungen, die man damit verbindet. Das sind Stichworte wie alternative Energien, Energieberatung - all das muss eine Stadt oder Kommune prüfen. Wir sagen ja nicht, dass jetzt überall Stadtwerke gegründet werden sollen. Wir sagen aber, dass jeder das Potenzial eines auslaufenden Konzessionsvertrages prüfen sollte."

    Die Kommunen sollen somit künftig eine stärkere Rolle spielen, so die drei Verbände, vor allem im Energiebereich.