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Rainer B. Schossig | 03.11.2002
    Rund 260 Galerien aus dem In- und Ausland haben auf der heute zu Ende gegangenen Kölner Kunstmesse ihr Angebot gezeigt. Die Art Cologne, einer der bedeutendsten Marktplätze für Malerei, Skulptur und Graphik der Gegenwart, war wieder sehr gut besucht, ein Zeichen dafür, dass sich der Kunsthandel - trotz gedämpfter Stimmung auf den Kapitalmärkten - in keiner schlechten Situation befindet.

    Zwei Fragen bewegen die Beobachter des Kunstmarktes in diesen Tagen: Setzt vielleicht ein vom Aktienmarkt enttäuschtes Kaufpublikum jetzt verstärkt auf Kunst? Und: Können die Galerien die drohenden Sparpläne der Regierung verkraften? - Man gibt sich zwar gern kühl und gelassen im Kunsthandel, doch was jetzt das Bundesfinazministerium als Sparbeitrag der Branche plant, ließ den Kunsthändlern auf der Art Cologne die Haare zu Berge stehen: Die Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes von bisher 7 auf 16 Prozent. - Dietmar Löhrl betreibt eine gut eingeführte Galerie in Mönchen-Gladbach und ist Stammkunde beim Kölner Kunstmarkt:

    Vor jeder Messe hat man natürlich Befürchtungen und Hoffnungen, und es ist eigentlich in den letzten Jahren immer ganz gut gegangen. Aber in diesem Jahr bin ich pessimistischer als sonst; nicht nur weil man von den vorangehenden Messen, z.B. Berlin, sehr schlechte Nachrichten gehört hat, sondern vor allem wegen der ganz großen Unsicherheit über die weitere wirtschaftliche Entwicklung, vor allem verursacht durch die noch unklare Steuergesetzgebung, Schreckensbilder, die an die Wand gemalt werden, wenn die einträfen wäre es um die Kunst schlecht bestellt.

    Dietmar Löhrl steht damit unter seinen Kollegen nicht allein. Laut einer aktuellen Umfrage des Instituts für Wirtschaftsforschung (Ifo) klagen auch Unternehmen mit Umsatzsteigerungen wegen der hohen fixen Kosten über eine derzeit nur knapp ausreichende Ertragslage. Dies wird sich auch im kommenden Jahr kaum ändern. So ist es nicht nur Lobby-Getöse, wenn der Geschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Galeristen, Bernd Fesel, die Bundesregierung warnt, mit der angedrohten Erhöhung der Mehrwertsteuer für Kunstkäufe Rahmendaten zu schaffen, die dem vielseitigen und differenzierten Markt an die Substanz gehen.

    Wir halten es für einen schweren Fehler des Kanzlers, dass er den Finanzminister Eichel bei diesen Planungen bisher nicht gestoppt hat. Das verunsichert den Markt sehr. Galeristen verdienen, auf ihren Umsatz bezogen, ungefähr 9 Prozent. Wenn jetzt die Mwst. von 7 auf 16 Prozent steigt, dann werden die Erträge der Galeristen drastisch sinken.

    Dennoch ist es um den Kunsthandel in Deutschland keineswegs schlecht bestellt. Die Zuwachsraten lagen bis zum vergangenen Jahr deutlich über denen anderer Branchen. Aber da der nationale Kunstmarkt nicht nur vom privaten Konsum, verfügbaren Geldvermögen und Zinshöhe im Inland abhängig ist, sondern ebenso stark von der Nachfrage ausländischer Händler bzw. Sammler, sehen sich die Galeristen in einer Zwickmühle, die Bernd Fesel erläutert:

    Man kann für junge Kunst die Preise nicht erhöhen, und bei der etablierten, teuren Kunst werden die Werke im Ausland dann verkauft; da liegt die Mwst. - z.B in der Schweiz - bei 7,6 Prozent. Fazit der Sache: Deutsche Galerien zeigen etwa 8.000 Künstler, geben jährlich etwa 6 Mio EUR aus, um junge Künstler mit Erstausstellungen und dem Ankauf von Werken zu fördern. Das wird dann weitestgehend unterbleiben, die Künstlerförderung, die hier aus privatem Risiko seit Jahrzehnten in Deutschland Tradition ist, die wird so nicht mehr bestehen. Und das wird vor allem die Künstler treffen.

    Internationale Spitzenkünstler der mittleren und oberen Preisklasse, wie Louise Bourgois, Cy Twombly oder Wols, vertritt der Kölner Galerist Karsten Greve. Er hat für die Steuerpläne nur schwarzen Humor übrig, wird dann aber schnell sehr ernst:

    Für die Art Cologne ist es eine ganz tolle Situation, weil man jedem Kaufinteressenten und Sammler raten muss, dass er sich schnell entscheidet, bitte jetzt auf dieser Messe! Das können wir ironisch optimistisch sehen, dass es, falls diese Wahnsinnstat käme, wir möglicherweise einen sehr guten Herbst haben und erfolgreiche Messe. - Und sie müssen ja die Gesamtbelastung sehen, wenn das wirklich käme: Wir hätten ja nicht nur die 16 Prozent Mwst., sondern Sie haben ja vielfach bei der wichtigen internationalen Kunst noch das Problem Folgerecht zu tragen, z. B. Picasso, wo sie vom Umsatz (!) 4 Prozent Sondersteuer hätten, dann hätten Sie in Deutschland auf ein Picassobild eine Steuerbelastung von 20 Prozent, und damit würden Sie den Markt kaputt machen.

    Tatsache ist, dass aufgrund der sinkenden Inlands-Nachfrage in der ersten Jahreshälfte 2002 der Kunstmarkt hierzulande einzig durch Händler und Sammler aus dem Nicht-Euro-Raum positiv beeinflusst wurde. Geordert wurde dabei in Erwartung von Preissteigerungen und angesichts absehbarer weiterer Verknappung hochwertiger Angebote. Der Galerist Dietmar Löhrl bestätigt diesen Trend, der vor allem für Junge Kunst problematisch ist:

    Unsere Galerie beschäftigt sich mit Junger Kunst seit vielen Jahren, und wir setzen immer noch darauf: Die Entwicklung hat uns recht gegeben in den letzten Jahren, wir haben mehrere junge Künstler zum ersten Mal ausgestellt oder gefördert und profitieren heute von deren zunehmendem Renommee. Andererseits ist es so, dass man vor allem ins Ausland doch teurere Sachen eher verkauft, denn die Käuferschicht, die sich für teure Kunst interessiert und auch das Geld hat, die hat es auch trotz schwacher Konjunktur und Unsicherheiten. Die Personenen, die finanziell nicht so gut situiert sind, haben auch schon früher kaum Kunst gekauft.

    Wer wirklich preisgünstige Angebote machen will, der kann dies nur, wenn er im oberen Preissegment Gewinne machen kann. Diese Beobachtung macht der Bundesverband Deutscher Galeristen zur Zeit immer wieder:

    Galerien betreiben das Ausstellen junger Künstler in der Regel aus den Erträgen, die sie mit den etablierten Künstlern erzielen. Das ist eine Quersubventionierung, der Handel hilft dem Aufbau des Nachwuchses. Zur Zeit erleben wir, dass etablierte, internationale Werte stärker nachgefragt werden, einen stärkeren Markt haben, nicht etwa wegen eines zunehmenden Interesses sondern weil die natürlich auch international gefragt sind, und der internationale Kunstmarkt ist durch die bessere Konjunktur in Frankreich, England und auch den USA einfach stabiler, während die Wirtschaftslage in Deutschland ja schwierig ist.

    Welche Kunst macht eigentlich mehr Punkte: Etablierte, also teurere Objekte, oder preiswertere junge Kunst, die dafür aber risikoreicher ist? Solche Trendfragen sind kaum eindeutig zu beantworten. Denn schon der normale Kunde ist ein durchaus unberechenbares Phänomen; und der Kunstkunde ist dagegen ein geradezu kapriziöses Irrlicht. Die Branche versucht den höchst eigenwilligen Ansprüchen durch Vielfalt von Einzelmärkten, Handelsformen und Angeboten sowie durch unterschiedliche Genres und Preiskategorien Genüge zu tun. Bernd Fesel ist gerade angesichts dieser differenzierten Branchenstruktur optimistisch:

    Die internationale Kunst wird durch den internationalen Markt stabilisert, durch die hohen Einkommen, insbesondere in den USA; aber 60 Prozent aller Verkäufe in Deutschland finden statt in der Preisklasse bis 5.000 EUR. Also der überwiegende Markt liegt im Bereich junge Kunst. Nun haben wir festgestellt, dass der Kunstmarkt früher mit 4 Prozent gewachsen ist, nach unserer Schätzung. Wir erwarten dieses Jahr ein Wachstum von 2 Prozent; d.h. für die junge Kunst sieht es nach wie vor gut aus, wenn auch nicht mehr so gut wie im letzten Jahr. Es gibt Dämpfer, aber der Trend ist insgesamt positiv, von einer Rezession oder Krise zu sprechen, wäre falsch.

    Seit Monaten, spätestens aber seit dem 11. September 2001, befinden sich die Aktienmärkte in der Krise. Interessanterweise hat sich der internationale Kunstmarkt per saldo davon nicht beeindrucken lassen, wie Ifo festgestellt hat. Doch auch dieser Markt kann sich nicht langfristig von der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung abkoppeln. Könnte es dennoch sein, dass jetzt der Kunsthandel kurzfristig vom Absturz der Kurse profitieren könnte?

    In der Tat ist es so, dass sich der Kunstmarkt nicht einfach simultan mit der Konjunktur entwickelt. Das sehen Sie daran, dass, wenn die Börse 20 Prozent boomt, der Kunstmarkt ja nicht mit 20 Prozent boomt, sondern mit 5 oder 6 Prozent. Genauso ist das mit den Ausschlägen nach unten. Wenn die allgemeine Konjunktur sich dann schlechter entwickelt, dann hat dies längst nicht so negative Auswirkungen im Kunstmarkt. Das hängt damit zusammen, dass Kunst gekauft wird aus einer ganz grundsätzlichen Haltung heraus, nicht aus einer modischen; Kunstsammler kaufen jedes Jahr regelmäßig aus ihrem Bereich, aus Liebe, Sammelleidenschaft an der Kunst.

    Solch hehre Motive stabilisieren den Markt, sorgen aber gleichzeitig dafür, dass er nicht in den Himmel wächst, wie Galeristen sich dies manchmal wünschten. Die Frage "Verdiene ich Geld an der Börse oder kaufe ich mir Kunst?" ist nicht neu. Dass auch in der jetzigen Börsensituation verstärkt solche Entscheidungen zugunsten der Kunst fallen, ist möglich, aber schwer nachprüfbar. Bernd Fesel - selbst jahrelang als Galerist tätig - kennt Angebot und Kunden und weiß, dass für den Kunstmarkt besondere Gesetze gelten. Er warnt seine Kollegen eindringlich davor, hier ein neues Käuferreservoir zu vermuten. Noch nie sind Börsenspekulanten zu Hauf spekulativ bei Kunst eingestiegen:

    Ich glaube, dass enttäuschte Börsianer nicht die ideale Voraussetzung sind, um begeisterter Kunstsammler zu werden. Der wird man durch Begeisterung an der Kunst. Es ist nur so, dass jemand, der schon Kunst sammelt, bei der Frage, lege ich das Geld heute in Kunst oder an der Börse an, sich dann eher entscheidet für: heute in der Kunst. Aber jemand, der eigentlich nur ein Börsianer ist, der kommt zur Kunst nicht aus Finanz- und Redite-Überlegungen. Da hat es über Jahrzehnte immer wieder Beispiele gegeben, wie herausragende Börsianer auch herausragende Kunstsammler waren.

    Bleibt die Frage, ob Kunst als sichere Geldanlage derzeit attraktiver wird? Die Idee des Kunstinvestments ist ein Kind der 80er Jahre. Da suchten Leute, die das Gras wachsen hörten, die enormen Preissteigerungen im Kunsthandel kurzfristig zu nutzen. Damals war der Kunstmarkt überhitzt, die Preise definitiv überzogen, und als die nach oben offene Spirale abbrach, war der Fall umso tiefer; freilich waren nicht alle Künstler betroffen. Heute ist die Situation anders. Der Markt ist stabiler geworden, ein tiefer Fall ist daher nicht zu erwarten. Doch die Erinnerungen an den Kollaps des Marktes Ende der 80er Jahre sind noch zu frisch. So gilt Kunstinvestment nach wie vor nicht nur als riskant, sondern genießt in Kunstkreisen auch kein gutes Ansehen. Die Hamburger Kunstvermittlerin und Beraterin Claudia Herstatt:

    Das wird immer mehr propagiert, und ich frage mich, wird das von denen propagiert, die selber an diesem Geschäft teilhaben wollen, also z.B. die Banken, die über Private Banking, Art Banking immer mehr in diesen Markt hineinstoßen. Ich frage mich allerdings, was das für ein Typ Investor sein soll?

    Wie berechenbar ist also der Kunstmarkt, Frau Herstatt?

    Eigentlich nur bei den ganz gesicherten Werten ist er berechenbar. Also, wenn Sie einen Beckmann kaufen oder einen Duchamp oder so etwas, da kann man sich wahrscheinlich darauf verlassen, dass die Preise nicht sehr weit absinken. Aber beispielsweise bei dem großen Boom Ende der 80er Jahre, als die Japaner so viel gekauft haben, und immense Preise bezahlt haben, 90 Mio für einen van Gogh, die kommen jetzt klamm heimlich alle wieder auf den Markt, und zu sehr viel niedrigeren Preisen.

    Kunstkonjunkturen hängen nicht unmittelbar mit den wirtschaftlichen Zyklen zusammen, sondern haben viel mit so irrationalen Phänomenen wie Kunst- und Geschmackswandel zu tun. Daher ist es nahezu unmöglich, Kauf- und Sammeltrends langfristig vorauszusagen. Wie aber entsteht neue Nachfrage? Claudia Herstatt hat soeben ein Nachschlagewerk, eine Art Knigge für Kunstsammler vorgelegt:

    Ich wende mich in diesem Sammlerguide mehr oder weniger an Einsteiger, an Leute, die Liebe zur Kunst haben, zu zeitgenössischer Kunst, Design und Fotografie. Eigentlich nicht an die Spekulanten, weil ich glaube, dass das nicht richtig funktioniert. Gut, Spekulation gibt es im Kunstbereich immer, und wenn man bestimmte Preise verfolgt, verführt das auch dazu, daran zu glauben. Also, van Gogh hat für seinen 'Dr. Gachet’ mal 200 alte französische Franken bekommen, dann verführt das natürlich schon dazu, zu denken, da ist ein Geschäft zu machen.

    Die Kunstmarktbeobachterin Claudia Herstatt sieht jedoch spekulative Bewegungen als Randphänomene des Marktes. Den Kern des Geschäfts bilden nach wie vor die klassischen privaten Sammler. Wer Kunst sammelt, tut dies meist ein ganzes Leben lang; der weiß, was er tut, und vor allem, was er will.

    Es gibt jedes Jahr ein Ranking der 100 wichtigsten Sammler der Welt, in einer amerikanischen Zeitung, da sind ungefähr 30 - 40 Leute, die 100 Mio. Dollar im Jahr für Kunst ausgeben. Also, ich glaube, dass es immer noch ein sehr 'erwachsenes’ Segment ist, was viel Geld hat und viel Geld für Kunst ausgibt. Wer anfängt, kann dies natürlich sehr gut tun über Multiples, Jahresgaben für von Kunstvereinen und Editionen, man kann da auch reinwachsen.

    Auch der Kölner Top-Galerist Karsten Greve weiß, dass es der profilierte, im internationalen Angebot versierte und zugleich der gebildete, geschmacksfeste Private Sammler ist, mit dem nach wie vor die besten, verlässlichsten und nachhaltigsten Geschäfte zu machen sind. Es handelt sich dabei um Kunden, bei denen - wie man gemeinhin sagt - Geld keine Rolle spielt:

    Wir haben auf der Art Cologne immer Geld verdient. Mit Kunden in verschiedenen Preiskategorien. Für mich ist ein erfolgreiche Messe, wo wir sehr preiswerte Kunst verkaufen, d.h. Kunst in einer Klasse, die bei 2.000 EUR anfängt bei jüngeren Künstlern, und die dann auch hochgeht. Interessant und erfolgreich ist eine Messe, wo Sie in jeder Preiskategorie gut verkaufen, d.h. bei den ganz preiswerten, aber eben auch bei den Objekten von 100.000 - 150.000 EUR. Ich glaube, dass es eine Preisschwelle gibt, die bei 150-200.000 EUR liegt. Darüber gibt es dann wieder einen anderen Bereich. Man muss versuchen in den verschiedenen Bereichen erfolgreich zu sein. Es ist auffallend, wie gut das hohe Preisniveau funktioniert. Da muss man aber auch schon einschränken: Das Spitzenpreisniveau - Objekte ab 500.000 EUR, da ist der internationale Markt ausschlaggebend, nicht der deutsche. Da haben wir das Phänomen, dass in allen Ländern die Börsenschwäche und die Verunsicherung, die vermögende Personen haben, wo man Geld seriös anlegt, das hat - wie schon 1978 folgende - dem Kunstmarkt keinen Abbruch getan, sondern wir haben eine Stärke des Kunstmarktes, weil Sie natürlich als Kunstsammler und -Interessent, wenn Sie sich selbst gut informieren, ihr eigener bester Ratgeber sind.

    Vor allem der internationale und europäische Markt für ausgesprochen hochwertige Kunstobjekte ab einer Summe von ca. 100.000 EUR hat im vergangenen Jahrden den - nach wie vor positiven - Aufwärtstrend fortgesetzt, während regionale Märkte starkt geschrumpft oder zusammengebrochen sind. Teilmärkte - wie z.B. die erstaunlich boomenden Design-Objekte oder der nach wie vor stabile Künstler-Foto-Bereich - scheinen allerdings von solchen Entwicklungen völlig unbeeinträchtigt. Ein solcher Teil- oder sogar Nieschenmarkt ist der deutsch-deutsche Kunstmarkt. Der 1988 aus der DDR freigekaufte, heute in Berlin ansässige Galerist Gunar Barthel vertritt - neben jüngeren westdeutschen Künstlern - traditionell einen festen Stamm von ostdeutschen Malern, mit Erfolg:

    Beide Künstlergruppen oder Künstlergruppierungen, die wir vertreten, haben sich sehr gut entwickelt, sowohl die ostdeutschen, weil das viele sind, die man bisher so hier gar nicht gekannt hat. Man kannte ja nur die offiziösen. Das war eine andere Gruppierung, die sich in Chemnitz und Dresden etabliert hatte; da gab es einen großen Informationsbedarf, das Interesse war groß, viele Museen haben sich dann Dinge angesehen und zugelegt, es ist ein Segment, das sich sehr gut entwickelt hat. (...) Wir haben auf dem Tiefpunkt angefangen, der Kunstmarkt war ja damals am Zusammenbrechen, Zusammenziehen, kann man auch sagen, und wir haben mit den Künstlern aus Ostdeutschland, mit einem relativ niedrigen Preisniveau beginnen müssen, weil die vorher an dem 'freien Kunstmarkt’ gar nicht vertreten waren.

    Gunnar Barthel, der zu DDR-Zeiten mit seinem autonomen Kunsthandel in Chemnitz gründete, steht nun im vereinten Deutschland - zusammen mit der "Galerie Oben" in Chemnitz und wenigen weiteren Häusern - nicht nur für gediegenes deutsch-deutsches Künstlerangebot zu angemessenen Preisen, sondern er betont auch seine Funktion als Programm-Galerie:

    Wir verstehen uns nicht als Kunsthändler im klassischen Sinne sondern mehr als Programmgalerie. Wir versuchen schon, Künstler, die wir seit 20, 25 Jahren kennen, zu begleiten, indem wir Ausstellungskataloge, Messebeteiligungen machen, und insofern da nicht andere Galerien zwischengeschaltet sind, ist die Preissteigerung noch moderat, weil wir dies alles selbst bestimmen.

    Solche Selbstbestimmung von Sammlern und Galeristen ist durch den Siegeslauf der Auktionshäuser in den letzten Jahren empfindlich gestört worden. Galerien müssen sich heute der direkten Konkurrenz der einst nur für Spezialisten interessanten Auktionsfirmen stellen. Doch auch wenn von den Frühjahrs- und Sommerauktionen in New York und London wieder Rekordpreise gemeldet wurden, wachsen auch deren Bäume seit einem Jahr nicht mehr in den Himmel, wie die Kunstberaterin Claudia Herstatt betont:

    Die Galerien schätzen das natürlich nicht, dass die Auktionshäuser in diesen sog.’Primärmarkt’ einbrechen, also da, wo die Dinge entdeckt und erstmals gezeigt werden. Aber es ist einfach so, dass Kunstberater und Auktionshäuser eben mit ihren Kunden dahin gehen, sie mit in Ateliers nehmen, eben da versuchen, früh an die Dinge heranzukommen.

    Die Auktionen zu Jahresanfang 2002 stießen auf eine rege internationale, dabei allerdings stark differenzierte Nachfrage nach ausgesuchter bis hervorragender Ware, bei knapper werdendem Angebot. Dieses Publikums-Segment ist deutlich im Wachstum begriffen. Kein Wunder, dass der Galerist Karsten Greve die Rolle der Auktionshäuser negativ für seine Branche beurteilt:

    Auktionshäuser waren und sind immer ein Problem. Heute gibt es aber auch viele Kunstinteressenten, wie auch viele Bankkunden, die die Erfahrung gemacht haben, dass die Ratschläge der Investmentbanker nicht unbedingt die besten waren. Und die gleiche Erfahrung haben Kunstkäufer gemacht, die sich von den Auktionshäusern haben beraten lassen und die Preisspiralen der Auktionshäuser mitgemacht haben. Die Auktionshäuser haben ja, wenn Sie die Preisspanne sehen, die der Einlieferer und der Käufer zahlt, da haben Sie ja z.T. eine Preisspanne, die höher ist als im Galeriebereich.

    Marktbeobchter halten den Preiskampf zwischen Auktionshäusern und Galeristen zwar für hart, glauben aber nicht, dass durch die Expansion der Auktionshäuser der primäre Kunstmarkt absterben könnte. Claudia Herstatt sieht - angesichts einer wachsenden Zahl von Kunstmessen - noch eine andere Gefahr:

    Es ist die Frage: Es gibt etwa 50 wichtige Kunstmessen weltweit im Jahr, ob die Galeristen sich über diese Messen ihre eigene Klientel wegnehmen. Die kommt dann nämlich nicht mehr in die Galerie. Aber die Galeristen sind nach wie vor die Entdecker und die Vermittler und die, die sich auch für ihre Künstler einsetzen, z.B. dass sie ihnen am Anfang, wenn sie noch kein Geld verdienen, monatlich einen Scheck geben, damit die Künstler arbeiten können.

    Fest steht, dass eine Galerie ihren Kunden einen wesentlich besseren Service, fundiertere Beratung und Begleitung bietet, als etwa Sothebys. Aufbauend darauf erarbeitet der Bundesverband Deutscher Galeristen seit zwei Jahren einen Index aller in deutschen Galerien gezeigten Künstler, der auch im Internet abrufbar ist. Geschäftsführer Bernd Fesel:

    Wir bemühen uns um Preistransparenz, indem wir ein Kunsthandelssystem aufbauen, was ein "Business for business"-Modell ist, euroweit zwischen Galeristen den Handel erlaubt. Wir machen auch Seminare, wo sich auch Kunstinteressierte informieren können, wie der Kunstmarkt funktioniert. Und eine der wesentlichen Botschaften ist, dass Preise im Kunstmarkt sich nicht so entwickeln wie die für Spüliflaschen oder Börsenpapiere. Preise im Kunstmarkt sind Liebhaberpreise und deswegen auch nicht auf einer Zeitachse einfach vergleichbar und skalierbar. Jemand der ein Kunstwerk selbst mal gekauft hat, versteht das sofort, er würde sich dagegen wehren, dass sein Kunstwerk preislich mit einem anderen verglichen wird. Der Sammler spricht zuerst über die Qualität des Bildes und dann über den Preis.