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Rentenbeitrag gesenkt
Weit- oder kurzsichtig?

Die Rentenbeiträge sind zuletzt um über vier Prozent gestiegen. Die geschäftsführende Bundesregierung senkt den Rentenversicherungsbeitrag darum leicht ab, um 0,1 Prozentpunkte auf 18,6 Prozent. Ist das eine sinnvolle Entlastung oder rentenpolitisch kurzsichtig?

Von Volker Finthammer | 22.11.2017
    Alexander Gunkel, Mitglied der Hauptgeschäftsführung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA
    Die Rentenbeiträge seien in 2017 deutlich höher als im Vorjahr, sagt Alexander Gunkel von der Deutschen Rentenversicherung. Das soll laut geschäftsführender Bundesregierung allerdings höchstens bis 2022 so bleiben. (dpa/picture alliance/Tim Brakemeier)
    Der Rentenbericht aus dem Sozialministerium hatte die gute Lage der gesetzlichen Rentenversicherung bereits dargelegt, und auch die Deutsche Rentenversicherung geht von einem Spielraum für eine Senkung des Beitragssatzes zur gesetzlichen Rentenversicherung aus.
    "Die positive Lage am Arbeitsmarkt macht sich deutlich bemerkbar. Die Beiträge sind in diesem Jahr über vier Prozent gestiegen. Insofern ist es nach dem aktuellen Stand auch möglich, dass der Beitragssatz im kommenden Jahr auf 18,6 Prozent gesenkt werden kann", so der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Rentenversicherung Alexander Gunkel in der vergangenen Woche.
    Heute hat die geschäftsführende Bunderegierung den entsprechenden Beschluss gefasst. Ab dem kommenden Jahr sinkt der Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung um 0,1 Prozentpunkte auf dann nur noch 18,6 Prozent und damit auf die niedrigsten Stand seit 1995.
    Für Arbeitnehmer und Arbeitgeber bedeutet das insgesamt eine Entlastung um 1,2 Milliarden Euro pro Jahr. Für ein Durchschnittsverdiener mit einem Bruttoeinkommen von 3150 Euro im Monat sind das 20 Euro Ersparnis im Jahr.
    Die geschäftsführende Sozialministerin Katarina Barley (SPD) erklärte, die gesetzliche Rente sei gut und verlässlich finanziert, die Alterung der Gesellschaft bleibe aber absehbar eine große Herausforderung.
    Kritiker halten Senkung für kurzsichtig
    Diese Herausforderung ruft aber auch die Kritiker der Entscheidung auf den Plan: "Jetzt die Beitragssätze abzusenken wäre absolut kurzsichtig und ein Fehler. Denn wir wissen ja alle, dass Herausforderungen hier in der Alterssicherung auf uns zu kommen in den nächsten Jahren für die wir auch entsprechend Mittel in der Rentenkasse brauchen", hatte die stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Rentenversicherung Annelie Buntenbach vom DGB bereits im Vorfeld gewarnt.
    Der Rentenexperte der Linken Matthias Birkwald spricht von einer kurzsichtigen Rentenpolitik und fordert den Verzicht auf jegliche Beitragssatzsenkungen bis die Weichen für eine lebensstandardsichernde Rente gestellt worden seien. Ein höheres Rentenniveau als die aktuell 48 Prozent fordert auch der Paritätische Wohlfahrtsverband mit dem Verweis auf die zunehmende Altersarmut.
    Im Rentenversicherungsbericht erläutert die Bundesregierung, dass der Beitragssatz allenfalls bis zum Jahr 2022 auf diesem Niveau gehalten werden kann. Danach steigt er unter gleichbliebenden Voraussetzungen wieder über 20 Prozent an. Und alle weiteren Reformschritte, die in der Diskussion sind, kosten unweigerlich mehr Geld.
    Mögliche Senkung 2014 blieb aus
    Die geschäftsführende Bundesregierung hätte den Beitrag deshalb auch unverändert lassen können, wie zuletzt im Jahr 2014, als der Beitragssatz rechnerisch um 0,6 Prozentpunkte hätte gesenkt werden können.
    Die zusätzlichen Finanzspielräume hätten für die Bekämpfung von Altersarmut und insbesondere für Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente verwendet werden können, erklärte die Vorsitzende des Sozialverbands VdK Ulrike Mascher.