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Rentengesetz im Bundestag
Ostrenten werden voll an Westbezüge angeglichen

Die Renten in Ostdeutschland sollen bis 2025 vollständig den Bezügen im Westen angeglichen werden. Über das entsprechende Gesetz hat der Bundestag in erster Lesung diskutiert. Arbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles, SPD, sprach von einem historischen Schritt für die Einheit des Landes, während die Opposition heftige Kritik übte.

Von Nadine Lindner | 28.04.2017
    Nahaufnahme der Hand einer alten Frau, die ein paar Münzen zählt.
    Nahaufnahme der Hand einer alten Frau, die ein paar Münzen zählt. (imago stock&people)
    In der Debatte über die Angleichung der Ostrenten wurde die Leipziger Bundestagsabgeordnete Daniela Kolbe, SPD, noch einmal grundsätzlich:
    "Kaum ein anderes Thema wird bei älteren Ostdeutschen so tiefemotional verhandelt. Der rationale Fakt, dass der Rentenwert niedriger ist, löst bei Vielen das Gefühl aus, dass die Lebensleitung weniger Wert geschätzt wird."
    Die unterschiedliche Berechnung der Renten habe nicht nur finanzielle, sondern vor allem emotionale Folgen:
    "Seit 27 Jahren wird im Rentenrecht bei ostedeutschen das Gefühl am Leben gehalten und verstärkt, Bürger zweiter Klasse zu sein."
    Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) gestikuliert am 28.04.2017 im Bundestag in Berlin auf der Regierungsbank.
    Arbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles, SPD, lobte das Gesetz als "historischen Schritt". (dpa / Michael Kappeler)
    Das soll sich endlich ändern. Es sei ein historischer Schritt für die Einheit des Landes. So trug es heute Arbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles, SPD, den Abgeordneten vor:
    "Ab 2025 sollen für die Rentenberechnung in Ost und West die gleichen Werte gelten. Die Rentenversicherung ist wirklich das letzte große Projekt, wo wir die innere Einheit noch nicht vollzogen haben."
    Angleichung in sieben Schritten
    Die Angleichung beginnt bereits im kommenden Jahr, so sieht es ihr Gesetzesentwurf vor. Und soll in sieben Schritten vollzogen werden. So soll zum 1. Juli 2018 der aktuelle Rentenwert (Ost) von derzeit 94,1 Prozent auf 95,8 Prozent des Westwerts angehoben werden. Allerdings ist damit auch verbunden, dass bis 2025 die Höherwertung der heutigen Ost-Löhne ebenfalls angepasst wird. Bislang sind Ost-Arbeitnehmer bessergestellt. Ihre Löhne werden für die Ermittlung der Renten derzeit höher bewertet, um die geringeren Verdienste im Osten auszugleichen.
    Kritik kam von der Opposition. Wobei Linke und Grüne ganz unterschiedliche Aspekte bemängelten. Dietmar Bartsch, Fraktionschef der Linken wurde ebenfalls grundsätzlich, und sagte, dass diese Renten-Angleichung die vielen Ungerechtigkeiten gegenüber ostdeutschen Rentnern nicht ausgleichen könne:
    "Letztlich ist es eine Unverschämtheit, die viele Ungerechtigkeiten, die vielen Diskriminierungen, die sollen nun mit einem Mal völlig ad acta gelegt werden?"
    Bartsch sprach zahlreiche Fälle an, in denen DDR-Sonderregelungen nicht ins gesamtdeutsche System übertragen wurden.
    Unmut bei der Deutschen Rentenversicherung
    Die jährlichen Kosten für die Angleichung sollen bei bis zu maximal 3,9 Milliarden Euro im Jahr 2025 liegen. Sie werden nach einem Kompromiss von Nahles mit Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) aus Beitrags- und Steuermitteln finanziert. Wobei der Großteil von den Beitragszahlern kommt, wie Markus Kurth, Rentenpolitiker der Grünen kritisierte:
    "Die Gesamtkosten sind beziffert mit 20 Milliarden Euro. Der Bund beteiligt sich ab 2022 mit jämmerlichen 200 Millionen Euro. Gerade mal ein Prozent der Gesamtkosten. Den Löwenanteil zahlen die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler."
    Unmut gibt es auch bei der Deutschen Rentenversicherung deren Präsidentin Gundula Roßbach sagte der "Nordwest-Zeitung", die vorgezogene Ost-West-Rentenangleichung sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und sollte deshalb voll aus Steuermitteln finanziert werden.
    Neuregelungen bei Erwerbsminderungsrenten
    Neben der Angleichung der Ostrenten auch für Neuregelungen bei Erwerbsminderungsrenten. Dort sieht der Gesetzesentwurf vor, dass Menschen, die wegen eines Unfalls nicht mehr arbeiten können ab 2018 bessergestellt werden sollen. Und zwar so, als hätten sie bis zum 62. Lebensjahr weiter gearbeitet.
    Bei beiden Gesetzen ist es die erste Lesung im Bundestag. Das Parlament sprach sich für die Überweisung in die Ausschüsse aus.
    Bereits im Jahr 2014 hatte die Bundesregierung Verbesserungen für Rentner beschlossen: die Mütterrente, Rente mit 63 und die erste Verbesserung der Erwerbsminderungsrente waren im Rentenpaket. Es war die größte Leistungsausweitung seit Jahrzehnten. Nun – kurz vor Ende der Legislatur – zieht die Bundesregierung hier noch einmal nach.