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Reportage
Der Alltag mit einem psychisch kranken Elternteil

Eine der häufigsten psychischen Erkrankungen ist die Depression. Wenn eine Diagnose vorliegt, ist das ein wichtiger Schritt, doch viele Betroffene und deren Angehörige verschweigen das seelische Leiden nach außen. So war es auch im Fall der Familie von Sandra Lenz.

Von Thomas Liesen | 17.03.2015
    "Meine Mutter hatte rezidivierende Depressionen, also immer mal wieder hatte sie depressive Episoden und da saß sie halt ziemlich unbeweglich im Sessel und war kaum ansprechbar."
    Und das ging während ihrer gesamten Kindheit so. Ein einziges Auf und Ab. Mal war die Mutter sehr fürsorglich. Dann wieder zog sie sich völlig zurück.
    "Ich wollte meine Mutter immer beschützen. Ich wusste nicht, dass das eine Depression ist, aber ich wollte die beschützen, weil mein Vater sie dann verbal angegriffen hat und sagt, sie soll mal den Hintern hoch kriegen und ob er hier im Irrenhaus ist. Und mein Bruder und ich wollten meine Mutter beschützen vor meinem Vater, was wir natürlich nicht konnten und uns total überfordert hat."
    Aus heutiger Sicht war für sie besonders schlimm, dass niemand offen mit ihr darüber sprach, was die Mutter eigentlich hat.
    "Ich wusste nicht, dass sie Depressionen hatte bis ich 28 war, und mit 28 war ich schon ausgezogen und habe studiert und dann hat sie versucht, sich das Leben zu nehmen. Da bin ich dann halt nach Hause und in die geschlossene Psychiatrie und da ist mir das überhaupt erst bewusst geworden, dass sie Depressionen hat. Das war ein Trauma für mich. Und auch wenn ich da schon 28 war, das war ein echter Horror."
    Klare Auswirkungen auf das heutige Leben
    Heute erkennt die mittlerweile 42-Jährige, wie nachhaltig sie diese Kindheit geprägt hat. Sie versuchte immer alles, um ihrer Mutter nicht noch mehr Sorgen zu bereiten. Sie war stets brav, immer gut in der Schule, wollte nie anecken.
    "Und das ist heute auch noch so. Ich werde nie wütend, werde nie aggressiv, ich setze meine Bedürfnisse nicht durch und richte das alles gegen mich."
    Folge: Sandra Lenz erkrankte ebenfalls an Depression. Eine Therapie half ihr aus dem ersten Tief heraus. Und sie wünschte sich dann sehnlichst ein Kind. Tatsächlich wurde sie schwanger - und zunächst schienen alle Sorgen vergessen. Doch seit ihr mittlerweile dreijähriger Sohn da ist, wächst in ihr langsam eine neue Angst: Dass er ebenfalls in Gefahr sein könnte, psychisch krank zu werden.
    "Dass er von mir auch Verhaltensweisen lernt, die förderlich sind, auch eine eigene Depression zu entwickeln, sehr große Ängste sind da hochgekommen."
    Sie hat jetzt professionelle Hilfe in einer Beratungsstelle gesucht. Und dort einen Rat mitbekommen, den sie für besonders wichtig hält: Unbedingt offen mit den Kindern über psychische Erkrankungen sprechen. Und ihnen sagen, dass sie keine Verantwortung tragen.
    " Wenn es der Mama schlecht geht, dann kannst du der nicht helfen, dann muss die zum Arzt und der Arzt hilft ihr, als wenn die das Bein gebrochen hat, um da die Last von den Kinder auch runter zu nehmen."