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Reportage: Der gutartige Kribbel-Tumor

Kribbeln in den Beinen, Seh- und Erektionsstörungen. Diffuse Beschwerden, die Ärzte finden zunächst nichts. Erst nach weiteren Untersuchungen ist die Ursache gefunden, ein ein sogenanntes Prolaktinom, ein gutartiger Tumor an der Hypophyse.

Von Martin Winkelheide | 11.01.2011
    "Begonnen hat das ganze schon vor ungefähr sechs, sieben Jahren, dass ich immer wieder das Gefühl hatte, dass Arme und Beine kribbeln. Also das klassische Ameisenlaufen."

    Christian Steinkrüger ist 35 Jahre alt. Von Beruf ist er Architekt.

    "Damit bin ich natürlich zu verschiedenen Ärzten gegangen, Orthopäden, Hausarzt. Da wurde das dann meistens auf Verspannungen im Halsbereich, Nackenbereich geschoben. Ich konnte es auch nicht dingfest machen, wann und wie es genau auftaucht."

    Die Beschwerden kamen und gingen. Sie waren mal schwächer, mal stärker. Die Ärzte verordneten Spritzen, Massagen, Salben.

    "Alles Mögliche wurde mir da verschrieben, und das brachte dann auch immer wieder teilweise Besserung, teilweise kam es dann auch wieder, teilweise waren größere Zeitabstände dazwischen. Es war halt alles sehr diffus.
    Was mich dann nachher hat aufhorchen lassen, war, als ich auf dem rechten Auge plötzlich etwas schlechter sah, und dieses Kribbeln auch im Gesicht hatte. Schlussendlich, was noch hinzukam, waren noch Potenzstörungen beziehungsweise Erektionsstörungen, wofür auch kein klarer Grund gefunden werden konnte."

    Im August 2010 traten plötzlich alle Symptome an einem einzigen Tag auf. Die Ärzte waren ratlos.

    "Die konnten nichts finden, nichts messen, bloß der Orthopäde sagte: Das scheint nichts mit Nerven oder sonst was zu tun zu haben. Gehen Sie mal ins Krankenhaus, lassen Sie sich mal ein CT machen. Im CT hat man aber festgestellt, dass im Kopf ein dunkler Punkt ist, 'Irgendwas, was da nicht hingehört', sagte man mir am Anfang."

    Christian Steinkrüger bekam eine genaue Diagnose: Er hat ein sogenanntes Prolaktinom.

    "Ein Prolaktinom ist ein gutartiger Tumor, an der Hypophyse, das ist also mittig im Kopf eine Drüse, die zuständig für die Hormonproduktion ist. In meinem Fall war es halt das Prolaktin. Was vermehrt produziert wurde. Man kann sich das so vorstellen: Der normale Prolaktin-Wert liegt irgendwo zwischen zehn und 20, und bei mir war dieser Wert bei 6000, das heißt, enorm hoch."

    Plötzlich waren alle Symptome erklärbar.

    "Dieser Tumor, der hat eine Größe von drei mal drei Zentimeter – kann man sich wie einen Golfball vorstellen – und der drückte zum Beispiel auf den Sehnerv. Die Erektionsstörung kam wiederum davon, dass durch diese vermehrte Prolaktinproduktion die andere Hormonproduktionen runter gefahren wurden, also das Testosteron, das männliche Hormon, wurde extrem runter gefahren, und dadurch kam da nichts mehr zustande."

    Seitdem nimmt Christian Steinkrüger ein Medikament, das die Prolaktin-Produktion blockiert.

    "Das Kuriose ist, dieses Medikament, was dann gegeben wird, ist sehr verträglich und sehr harmlos, weil es normalerweise bei Frauen zum Abstillen verwendet wird. Diese Prolaktinwerte, die am Anfang wie gesagt bei 6000 waren, sind innerhalb von ein bis zwei Wochen in den Normalbereich runtergefallen und sind momentan ideal. Ansonsten bewirkt halt dieses Medikament, dass weniger Prolaktin produziert wird, und dieser Tumor mit und mit in sich zerfällt. Der wird erst weich und zerfällt dann."

    Christian Steinkrüger wird das Medikament so schnell nicht absetzen können.

    "Heute ist alles O.K.. Das Kribbeln in den Armen und Beinen habe ich nicht mehr, ich sehe 100 Prozent normal. Das wird auch immer wieder überprüft, ich werde weiterhin betreut von der Uniklinik Köln, da werden regelmäßig MRTs gemacht, Blutuntersuchungen, das Herz wird untersucht, und: rein körperlich, mir geht es wunderbar. Dank einer kleinen Tablette, die ich jeden Abend nehmen muss, aber wie gesagt, das ist das geringste Übel."