Donnerstag, 18. April 2024

Archiv

Reportage Midlife-Krise
Krankheit oder Neuorientierung?

Die Krise in der Lebensmitte - ist sie eine Modediagnose, vergleichbar mit dem Burn-out-Syndrom? Oder ist sie eine Krankheit oder doch eher eine Neuorientierung? Fest steht: In der zweiten Hälfte des Lebens unterliegt das Erreichte häufig einer schmerzlichen Neubewertung.

Von Mirko Smiljanic | 28.04.2015
    Eine niedergeschlagene Frau lehnt ihren Kopf auf einen Koffer
    Ist die Krise in der Lebensmitte eine Krankheit? (imago / Westend61)
    Erich Fromm, der deutsch-US-amerikanische Psychoanalytiker, Philosoph und Sozialpsychologe, brachte es so auf den Punkt: Nach dem Volksmund, sagte er in einem Interview, sei jeder ab 40 für sein Gesicht selbst verantwortlich. Von der Lebensmitte an könne jeder erkennen, ob er oder sie richtig oder falsch gelebt habe. "Waren oder sind wir wirklich lebendig? Leben wir - oder werden wir gelebt?"
    "Also ich habe gemerkt, dass ich Probleme bekam, als ich so Ende 40 war. So kurz vor meinem 50. Geburtstag habe ich gemerkt, mit meinem Älterwerden zu hadern, die Vorstellung, demnächst 50 zu werden, die habe ich als sehr, sehr schrecklich empfunden".
    "Diese Krise begann so im Alter von 45 Jahren, auch so mit dem Tod meines Vaters. Zu der Zeit war ich auch stark eingebunden an drei beruflichen Standorten, großes Grundstück, Familie, Sohn auch in der Pubertät, in einer schwierigen Situation, ich war auch schon 20 Jahre im Dienst, und da kam so dieses Gefühl, Mensch, das wird mir alles zu viel, ich bin hier wie in einer Hamsterrolle, das kann es doch nicht sein."
    Kein Zweifel: Midlife-Krise kommt
    Wann die Krise beginnt und mit welcher Intensität, hängt auch von äußeren Faktoren ab. Der späte Einstieg ins Berufsleben und die hohe Lebenserwartung verschieben den Beginn der Midlife-Krise nach hinten: Wer erst mit 40 Kinder bekommt, erlebt die Trennung von ihnen entsprechend später. Dass die Midlife-Krise kommt - C.G. Jung verglich sie mit der Pubertät - darüber besteht aber kein Zweifel. Menschen sind keine Dinge, sondern Lebewesen, die sich ständig weiterentwickeln. Was ich heute bin, ist nicht das, was ich morgen sein kann. "Angesichts des Todes als unübersteigbare Grenze unserer Zukunft und Begrenzung unserer Möglichkeiten" - so der österreichische Psychiater und Neurologe Viktor Frankl - müssen wir die Lebenszeit ausnützen. "Wären wir unsterblich, dann könnten wir mit Recht jede Handlung ins Unendliche aufschieben, es käme nie darauf an, sie eben jetzt zu tun. Und C.G .Jung schreibt: "Um zwölf Uhr mittags beginnt der Untergang. Und der Untergang ist die Umkehrung aller Werte und Ideale des Morgens."
    "Ja, ich hatte sehr, sehr turbulente Gefühle in mir, Aussteigertum, Sabbatjahr, alles schwirrte mir durch den Kopf, auch heftige Diskussionen mit meiner Frau, es war ein Prozess, der über lange Zeit ging, über viele Jahre."
    "Ich habe angefangen, vieles infrage zu stellen, ob der bisherige Lebensweg, so wie ich ihn mir gewählt hatte, ob der der Richtige war und was man alles versäumt hat so im Leben und was man hätte anders machen können, dann kamen auch so Bedürfnisse hoch zum Beispiel den Motorradführerschein zu machen, da hatte ich plötzlich Lust, und was ich auch bedauert habe, dass ich nie reiten gelernt habe, habe das aber dann als zu spät empfunden."
    "Ich hatte Gefühle von Extremreisen, Neuseeland, hab mir Bildbände gekauft, Filme damals noch und mit damit sehr intensiv auch mit beschäftigt, um da vielleicht noch mal eine ganz andere Perspektive aufzumachen."
    "Das Aussehen empfindet man plötzlich kritischer, man achtet mehr auf Äußerlichkeiten, auf die ersten Falten, die man so wahrnimmt."
    "Parallel zu dieser Krise entwickelten sich auch bei mir psychosomatische Erscheinungsbilder, erlebte auch zwei Mal einen Hörsturz in zwei aufeinanderfolgenden Jahren, Bluthochdruck wurde herauskristallisiert, ich merkte auch, die Energie lässt nach, Schlafstörungen kamen hinzu."
    "Ich bin der Meinung, dass man das erst mal so akzeptieren sollte, dass das so ist, ich finde das auch gar nicht schlecht, eine solche Krise mal durchzumachen, weil die auch zwingt, sich wirklich mit dem eigenen Leben auseinanderzusetzen, und eventuell auch durchaus hilfreich ist, sich mit neuen Perspektiven auseinanderzusetzen, letztendlich finde ich Krisen im Leben immer hilfreich!"