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Reporter ohne Grenzen
Pressefreiheit weltweit in Bedrängnis

Die Organisation Reporter ohne Grenzen sieht die Freiheit der Medien weltweit zunehmend bedroht. Unter anderem werden die Entwicklungen in der Türkei und Polen mit Sorge gesehen. Auch Deutschland ist in der neuen Rangliste um vier Plätze abgerutscht.

20.04.2016
    Demonstranten bei einer Protestaktion für das Internetportal Netzpolitik.org am 1.8.2015 in Berlin.
    Die Organisation Reporter ohne Grenzen sieht die Pressefreiheit weltweit bedroht (Archiv-Bild). (dpa / Britta Pedersen)
    Von "gute Lage" bis "Sehr ernste Lage" bewerten die Macher der Rangliste die Situation in 180 Ländern weltweit. In den skandinavischen Ländern und Mitteleuropa sieht es gut aus, Richtung Russland, Naher Osten, Asien und Afrika dagegen weitgehend schwierig.
    "Viele Staatsführer reagieren geradezu allergisch auf legitime Kritik durch unabhängige Journalisten", so Michael Rediske, Vorstandssprecher von Reporter ohne Grenzen.
    Polen deutlich abgerutscht
    Als ein Negativbeispiel führt die Organisation Polen an, das im Ranking um 29 Plätze abstürzte und jetzt auf Rang 47 liegt. Dies sei eine Folge der Bestrebungen der polnischen Regierung, "die Eigenständigkeit der öffentlich-rechtlichen Medien einzuschränken und private Medien zu 'repolonisieren'". In Polen ist seit Anfang des Jahres ein neues Mediengesetz in Kraft, wodurch die Regierung die Chefs des öffentlichen Rundfunks bestimmen kann. Kritischen Journalisten droht die Entlassung.
    Die Türkei landet in dem Ranking auf Platz 149. Dort seien Medien zuletzt wieder massiv gegen kritische Medien vorgegangen - vor allem nach dem Wiederaufflammen des Kurdenkonflikts. So wurden Nachrichtensperren verhängt und kritische Medien unter staatliche Zwangsverwaltung gestellt. Erst am Dienstag hatten türkische Behörden einem deutschen Korrespondenten die Einreise verweigert. Auch Verurteilungen von Journalisten in der Türkei nehmen zu - und könnten in diesem Jahr sogar deutlich steigen, berichtet ARD-Korrespondent Reinhard Baumgarten im DLF.
    In Deutschland ist die Presse- und Meinungsfreiheit in der Türkei vor allem wegen eines Gedichts des ZDF-Satirikers Jan Böhmermann in der Diskussion. Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan geht deswegen juristisch gegen Böhmermann vor.
    Rangliste der Pressefreiheit:

    1. Finnland
    2. Niederlande
    3. Norwegen
    4. Dänemark
    5. Neuseeland
    6. Costa Rica
    7. Schweiz
    8. Schweden
    9. Irland
    10. Jamaika

    16. Deutschland
    ...
    178. Turkmenistan
    179. Nordkorea
    180. Eritrea
    Deutschland ebenfalls abgerutscht
    Auch Deutschland ist in der Rangliste um vier Plätze abgerutscht und liegt auf Platz 16. Verschlechtert habe sich die Position wegen zunehmender Übergriffe auf Journalisten. Die Organisation zählte 39 gewaltsame Übergriffe im vergangenen Jahr - besonders bei Pegida-Demonstrationen oder deren regionalen Ablegern sowie bei Kundgebungen rechtsradikaler Gruppen oder Gegendemonstrationen. Reporter ohne Grenzen beklagt "Gewalt und Anfeindungen bis hin zu Todesdrohungen gegen Journalisten" hierzulande.

    "Sehr ernst" bleibt die Situation unter anderem in China, dem Iran, Syrien, Saudi-Arabien, dem Jemen, Libyen und dem Sudan. In Russland, Indien, Ägypten, Algerien, Kolumbien und Mexiko beurteilt die Organisation die Lage als "schwierig".
    Weltweit gesehen zieht Reporter ohne Grenzen eine negative Bilanz: Der globale Indikator der Pressefreiheit sei im Vergleich zur vorigen Rangliste um 3,7 Prozent gesunken, seit 2013 sogar um 13,6 Prozent.
    Auch Positivbeispiele
    Doch es gibt auch positive Beispiele, wie etwa Tunesien, das sich um 30 Plätze auf Rang 96 verbesserte. Zwar gebe es dort immer noch Defizite, aber seit dem Umbruch im Jahr 2011 und Medienreformen verbessere sich die Lage zunehmend, auch die Zahl von Gewalttaten und Prozessen gegen Journalisten sei rückläufig. Auch in Sri Lanka und der Ukraine habe sich die Situation verbessert.
    Für das Ranking hat die Organisation Fragebögen an Hunderte Journalisten, Wissenschaftler, Juristen, Menschenrechtsaktivisten sowie eigene Korrespondenten versendet und ausgewertet.
    (pr/kis)