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Republik Moldau
Bankenskandal gefährdet die europäische Integration

Den drei größten Banken in der Republik Moldau sollen bei dubiosen Kreditgeschäften umgerechnet eine Milliarde US-Dollar abhandengekommen sein. Möglicherweise sind auch Regierungspolitiker darin verwickelt. Der Vorfall wirft Zweifel auf an der Reformwilligkeit und -fähigkeit der Landes.

Von Gesine Dornblüth | 05.05.2015
    EU-Ratspräsident Donald Tusk bei einem Treffen mit den moldawischen Premierminister Chiril Gaburici in Chisinau.
    EU-Ratspräsident Donald Tusk bei einem Treffen mit den moldawischen Premierminister Chiril Gaburici in Chisinau. (picture alliance / EPA / Dumitru Doru)
    Es ist schon warm in Chisinau. Die Schauspielstudentinnen Anastasia und Veronica verbringen die Pause zwischen den Vorlesungen auf einer Parkbank.
    "Uns wundert nichts mehr in diesem Land. Unser Staat arbeitet nicht, sondern wäscht nur Geld. Gleichzeitig reden die Politiker von unserer europäischen Zukunft. Eine europäische Zukunft kriegen wir niemals. Nicht, solange wir so einen Staat haben."
    Die beiden Studentinnen meinen den Bankenskandal. Seit Wochen beschäftigt er die Öffentlichkeit in der Republik Moldau. Den drei größten Banken des Landes sollen insgesamt umgerechnet eine Milliarde US-Dollar abhandengekommen sein, bei dubiosen Kreditgeschäften. Eine Milliarde Dollar - das sind 15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts des kleinen Landes. Möglicherweise sind auch Rücklagen für Pensionszahlungen verschwunden. So etwas sei ohne die Beteiligung ranghoher Politiker und Staatsbeamter nicht möglich, davon sind viele Menschen in der Republik Moldau überzeugt.
    Zehntausende demonstrieren in Chisinau
    Am Sonntag gingen deshalb Zehntausende in Chisinau auf die Straße. Sie forderten den Rücktritt des Generalstaatsanwaltes und einzelner Politiker. Dabei fiel auch der Name Vlad Filat. Filat ist Vorsitzender der an der Regierung beteiligten Liberaldemokratischen Partei und war bis vor zwei Jahren Premierminister. Den Posten musste er nach einem Misstrauensvotum abgeben, schon damals sah er sich Korruptionsvorwürfen ausgesetzt. Filat weist die jetzigen Verdächtigungen zurück.
    "In der Republik Moldau werden Probleme immer gern einzelnen Personen angelastet. Das Problem im Bankensektor hat aber systemischen Charakter. Man muss das systematisch angehen, nicht mit politischen Erklärungen, sondern muss, basierend auf juristisch begründeten Fakten, herausfinden, was passiert ist, muss die Schuldigen finden und vor allem dafür sorgen, dass sich so etwas nicht wiederholt."
    Filat spricht seit Jahren von demokratischen Reformen. Mit diesen Versprechen brachten er und seine Mitstreiter vor sechs Jahren die Regierung der Kommunisten zu Fall. Die kurz darauf gegründete "Allianz für die europäische Integration" aus Liberaldemokraten, Demokraten und Liberalen trieb die Annäherung an die EU voran. Letztes Jahr unterzeichnete die Regierung ein Assoziierungsabkommen mit der EU. Brüssel unterstützt den Reformprozess mit Millionen. Doch die prowestlichen Parteien haben nur wohlklingende Namen, warnt der Politologe Oazu Nantoi vom Institute for Public Policy in Chisinau. In Wirklichkeit seien sie gar nicht an tiefgreifenden Reformen interessiert.
    "Ernsthaft wird bei uns nur gestohlen. Alles andere ist nicht ernsthaft. Mit der Korruption und den endlosen Skandalen haben sich unsere Politiker nicht nur selbst diskreditiert, sondern die europäische Idee gleich mit. Denn die Menschen hier verbinden Europa mit diesen Politikern."
    Deutliche Kritik von EU-Diplomaten
    Zumal die Brüsseler Beamten sich mit Kritik an den Verhältnissen in der Republik Moldau lange zurückgehalten haben. Einigen galt das Land gar als Musterschüler unter den Ländern der östlichen Partnerschaft. In ihrem letzten Fortschrittsbericht kritisierte die Europäische Kommission allerdings, die Republik Moldau sei 2014 weniger gut bei den Reformen vorangekommen als in vorigen Jahren. Das betreffe Demokratieentwicklung, Menschenrechte, grundlegende Freiheiten. Der Bankenskandal hat bei den EU-Beamten offenbar die Alarmglocken schrillen lassen. Der EU-Botschafter in der Republik Moldau zeigte sich "tief besorgt" und forderte eine "echte Untersuchung". Das Parlament der Republik Moldau hat einen Untersuchungsausschuss eingesetzt. Dessen Arbeit bewerten moldauische Medien aber als unbefriedigend.
    Umfragen zufolge bekennen sich immer weniger Menschen in der Republik Moldau zur europäischen Integration. Die Zustimmung ist auf rund 40 Prozent gesunken. Zugleich gewinnen prorussische Kräfte an Einfluss. Bei der letzten Parlamentswahl Ende 2014 wurde die prorussische Sozialistische Partei zur stärksten Kraft im Parlament. Die beiden Schauspielstudentinnen Anastasia und Veronica sind enttäuscht.
    "Natürlich wollen wir eine europäische Zukunft. Wir sind nicht im Geringsten dagegen. Aber wo ist sie bitte? Die Zukunft?"
    "Das hier ist jedenfalls keine Demokratie, kein Liberalismus, nicht Europa. Das ist blanker Hohn."