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Restauratorenmut

Die Nachrichten, die uns aus dem Irak erreichen, sind wieder keine guten. Wieder gab es Tote und Entführte - eine Delegation aus dem Iran soll nun offenbar zu vermitteln versuchen. Zu den gefährdeten Ausländern zählt auch eine Gruppe von italienischen Restauratoren - Mitarbeiter des Kulturministeriums in Rom, die die beschädigten Kulturstätten im Irak sichern und wieder aufbauen sollen.

Von Thomas Migge | 14.04.2004
    Sie gelten als die besten der Welt. Auch wenn ihre Ausbildungsstätten eher wie heruntergekommene Schulgebäude aussehen genießen italienische Restauratoren für Kunstgegenstände und historische Monumente den Ruf, die Qualifiziertesten überhaupt zu sein. In die Ausbildung von Restauratoren haben Italiens Kulturminister in den letzten Jahren viel Geld investiert - nicht zuletzt auch deshalb, um teure Experten zur Rettung italienischer Kunst nicht mehr nur aus dem Ausland zu Hilfe rufen zu müssen. Jetzt leiht Italien seine Fachleute aus. Nach Peking zum Beispiel: die Stadtväter der chinesischen Hauptstadt suchen in Rom nach Restauratoren für die "Verbotene Stadt". Das Kulturministerin in Teheran nimmt die Hilfe aus Rom bereits in Anspruch: eine Equipe von Fachkräften für die Restaurierung historischer Lehmbauten befindet sich bereits in Bam, jener antiken Stadt, die am 26. Dezember letzten Jahres von einem Erdbeben fast ganz zerstört wurde. Die Italiener sollen die wichtigsten Lehmpaläste wieder aufrichten. Auch im benachbarten Irak sind Mitarbeiter des italienischen Kulturministeriums am Werk. Dazu Giuseppe Proietti, der zurzeit die Irak-Mission des Kulturministeriums leitet:

    Wir haben unsere Zusammenarbeit mit dem Nationalmuseum seit Kriegsbeginn intensiviert, weil wir das Schlimmste befürchteten, das ja dann auch tatsächlich eingetreten ist. Vor allem ging es uns erst einmal darum, die größten Zerstörungen zu beseitigen.

    Neun Beamte des italienischen Kulturministeriums arbeiten derzeit im Museum in Bagdad. Rund um die Uhr werden sie von schwer bewaffneten amerikanischen Soldaten bewacht. Nachts schlafen sie in der italienischen Botschaft. Nach den ersten Entführungen amerikanischer und japanischer Bürger und Soldaten durch schiitische Terroristen sind die Sicherheitsmassnahmen für alle ausländischen Mitarbeiter von Hilfsorganisationen verstärkt worden. Auch für die Italiener im Nationalmuseum. Sie arbeiten in den Kellern des Museums, erklärt Giuseppe Proietti:

    Wir haben in den letzten Wochen mit einem Flugzeug der italienischen Luftwaffe nicht nur modernste Technologien zur Restaurierung beschädigter Kunstwerke hierher gebracht, sondern auch Materialien, die wir für unsere Arbeit dringend benötigen. Mit irakischen Kollegen arbeiten wir nun an der Rettung der berühmten Uruk-Vase, die vielleicht das kostbarste Stück des Museums ist. Sie war geraubt und teilweise zerstört worden, bevor sie wieder gefunden wurde.

    Natürlich haben Proietti und seine Mitarbeiter Angst. Auch wenn Ministerpräsident Silvio Berlusconi noch gestern Abend im Fernsehen versicherte, dass kein einziger Italiener aus dem Irak abgezogen wird, befürchtet man auch im Nationalmuseum einen Angriff von Terroristen. Während das italienische Staatsfernsehen RAI bereits über die Rückkehr sämtlicher im Irak arbeitenden Journalisten nachdenkt, versuchen die Restauratoren aus Rom das, wie es genannt wird, "Programm zur Beseitigung der Kriegsschäden an den historischen Monumenten" in die Realität umzusetzen. Nach der Renovierung des Laboratoriums wollen sie irakische Kunstexperten an ihren Geräten ausbilden. Zusammen mit den Italienern sollen sie so schnell wie möglich die während des Krieges beschädigten Gegenstände des Museums restaurieren. Gleichzeitig soll ein Teil der Fachleute die archäologischen Grabungsstätten im ganzen Land auf ihren Zustand hin untersuchen und Pläne für entsprechende Restaurierungsmaßnahmen ausarbeiten. Eine Arbeit, die angesichts der immer dramatischer werdenden innenpolitischen Zustände immer unwahrscheinlicher wird. Das Irak-Komitee des italienischen Innenministeriums konzentriert sich deshalb vor allem auf die Wiederherstellung der Kunstwerke im Nationalmuseum, die während des Krieges und der dreitätigen Plünderungen beschädigt wurden. Eine sehr gefährliche Arbeit. Giuseppe Proietti:

    Ich muss zugeben, dass sie Situation für uns jede Woche gefährlicher wird. Jeden Morgen werden wir mit einem Panzerwagen ins Museum gebracht und kehren auf diese Weise abends wieder in die Botschaft zurück. Sollte die Situation noch brenzliger werden müssen wir über die Fortdauer unserer Arbeit hier nachdenken.

    Das italienische Außenministerium finanziert mit einigen Millionen Euro die Arbeit des Irak-Komitees in Bagdad. Die Linksparteien im italienischen Parlament befürchten deshalb, dass auch die Restauratoren ins Visier von Terroristen gelangen könnten, denn alle Hilfsprojekte, die im Irak in Zusammenarbeit mit Soldaten durchgeführt werden, sind zu möglichen Zielen von Anschlägen geworden. Italiens Kulturminister will davon nichts wissen. ³Meine Leute bleiben im Irak², erklärte er neulich fest entschlossen und fügte hinzu: er sich ganz auf seine amerikanischen Freunde verlasse.