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Retro-Zeitschrift
Rückkehr einer Revoluzzerin

Während der Weimarer Republik galt sie als revolutionäre Zeitschrift: "Die Dame". Nun ist sie zurück am Kiosk: mit viel Nostalgie und Artikeln, die sich mit den aktuellen Rollenbildern von Frauen beschäftigen. Dazwischen Mode und Schmuck. Wenig Neues also, aber auch nichts Altes.

Von Beatrix Novy | 02.03.2017
    Redaktionsleiterin Lena Bergmann (l) und Christian Boros, Herausgeber von "Die Dame" präsentieren am 27.02.2017 bei einer Pressekonferenz in Berlin die neue Modezeitschrift "Die Dame". Als _illustrierte Modezeitschrift_ des Ullstein-Verlages gab es "Die Dame" bereits zwischen 1912 und 1943. Im März 2017 soll sie neu inszeniert in einer Auflage von etwa 60.000 Exemplaren erscheinen. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa | Verwendung weltweit
    Redaktionsleiterin Bergmann und Herausgeber Boros mit der "Dame": 1,5 Kilogramm schwer und 292 Seiten dick. (dpa / Bernd von Jutrczenka)
    In der Bahnhofsbuchhandlung soll schon ein Stapel davon liegen, aber wo ist der? Im Farbenmeer der ungezählten Zeitschriften findet sich "Die Dame" nicht - sie liegt nicht unter Lifestyle, sie liegt nicht unter Woman, also wo ist sie? Die Verkäuferin weiß es auch nicht und muss von ihrer Kundschaft weggelotst werden, um schließlich, das hätte man sich doch denken können, bei "Kultur" fündig zu werden.
    Zwischen "Missy-Magazine" und "Mint", dem Magazin für Vinylkultur, hat es "die Dame" nicht ganz leicht mit ihrem betont schlichten Cover: auf glänzend weißem Grund ein Mädchen-Foto der Schauspielerin Sue Lyon aus den Sechzigern, vom Fotokünstler Tony Ruff mittels Überblendung und Übermalung leicht verwirrend umgemodelt.
    Gehüllt in Nostalgie der Wertbeständigkeit
    So sieht es also aus, wenn ein Magazin - Zitat - "das Berlin der goldenen 20er Jahre mit der urbanen Bohème von heute" zusammenführen will. Dass der Bohème von heute erhebliche Kaufkraft zugetraut wird, zeigen die ersten 23 Seiten: ausschließlich Werbung für Teures, angeführt von Hermès und Patek Philippe mit ihrem expliziten Traditionsmarken-Image.
    Die in Aufmachung und Gestus betonte Nostalgie der Wertbeständigkeit ist allerdings eine etwas verquere Reminiszenz an die Avantgarden der 20er Jahre, die mit Traditionen nach Kräften aufräumen wollten.
    Heute sind, nicht nur für den Herausgeber, den Unternehmer und Kunstsammler Christian Boros, die emanzipatorischen Auf- und Ausbrüche der Weimarer Republik geronnen in ein Bild von Geist, Eleganz und Intelligenz - aus einer Zeit, als auch Tabubrecherinnen sich noch anständig, also damenhaft anzogen. Es ist ein Sehnsuchtsbild. So können die Autoren, die im Heft die Abteilung "Geist" übernommen haben, nur den "Geist" von heute beschwören, wie er eben ist.
    Die erste, der man begegnet, ist Helene Hegemann mit einem angenehm nachdenklichen Text über aktuelle Frauen- beziehungsweise Mädchenbilder, der durchaus taugt als eine Art Fortschreibung der Rollendiskussionen, an denen in den 20er Jahren "Die Dame" mit ihren kurzhaarig-emanzipierten Titelmodellen mitwirkte. Aber nach Hegemann laufen in der "dame" von heute die Uhren wieder rückwärts: Eine Fotoserie über junge Unternehmerinnen, alle zufällig attraktiv, vermerkt penibel, in wessen Klamotten sie stecken.
    Wenig Neues, aber auch nichts Altes
    Ein erheblicher Teil des Hefts ist ganz persönlich den Models Katlin und Lina gewidmet, die über 60 Seiten Mode vorführen; zwölf Seiten gibt es für "Schwermetall" - Understatement-Begriff für Schmuck. Der Wohnungsteil zeigt, erwartbar, "das Haus einer Galeristin und eines Regisseurs" - einzige Überraschung: ein Yoga-Raum -, der Künstler Martin Eder zeigt pastellig Dekoratives, Freifrau von Oppenheim verkörpert den feministischen Autorennsport. Immerhin wird der Begriff der "Dame" doch einmal zum Thema: in einer Diskussion zwischen Margit J. Mayer und Bazon Brock. Er wird als Ästhetik-Professor vorgestellt, sie: als "Stilinstanz". Dass sie Chefredakteurin bei Harper's Bazaar war, kann man aber googeln.
    Wenig Neues also, aber auch nichts Altes. Dafür sehr viel Vogue mit dem bekannten kulturambitionierten Vokabular. Vor dem Eindruck eines – demnächst - Bordexemplars im Lufthansa-Flieger wirken die Texte der engagierten Autoren etwas verloren: Lydia und Andreas' Rosenfelders aktualisierende Neo-Version von Schnitzlers Traumnovelle oder eine schöne Kurzgeschichte von Maxim Biller verdienen Aufmerksamkeit. Ein halbes Jahr wird das allerdings nicht vorhalten.