Donnerstag, 28. März 2024

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Retrospektive von Olaf Breuning
"Ich möchte Kunst machen, die alle Leute erreicht"

Fotos, Filme, Skulpturen, Installationen: Damit er sich nicht langweilt, probiert der Schweizer Künstler Olaf Breuning immer wieder neue Dinge aus. Seine Kunst wird in dem Bereich der Popkultur eingeordnet. Das sei aber eine extrem veraltete Beschreibung, sagte er im Deutschlandfunk.

Olaf Breuning im Corso-Gespräch mit Susann El Kassar | 13.06.2016
    Der in New York lebende Schweizer Künstler Olaf Breuning steht am 09.06.2016 im NRW-Forum in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) vor seinem Werk "Marilyn 10" (2010). Die Retrospektive ist vom 11.06.2016 bis 21.08.2016 in Düsseldorf zu sehen.
    Olaf Breuning vor seinem Werk "Marilyn 10". (dpa/picture alliance/Rolf Vennenbernd)
    Susann El Kassar: Olaf Breuning, Sie sind ja noch relativ jung, kann man sagen, 46 Jahre, ist das nicht ein bisschen früh für eine Retrospektive?
    Olaf Breuning: Ja natürlich, ich meine, jung, ich bin noch nicht 80, aber ich sehe die ganze Sache auch eher als eine – wie sagt man auf Englisch, eine Midlife-Retrospektive, also eher als etwas zwischendrin, als etwas am Ende, und für mich ist es eine gute Zeit das zu haben, nach zwanzig Jahren Arbeit zurückzuschauen und so eine Ausstellung zu machen, ist super!
    "Meine Kunst, das ist wie Batterien, die sich immer wieder aufladen"
    El Kassar: Parallel zur Ausstellung im nrw Forum Düsseldorf erscheint eine Monographie zu Ihren Arbeiten und darin steht, dass Sie sich viele Bilder gewünscht haben, wenig Text, Ihre Werke wären selbsterklärend. Mögen Sie es denn überhaupt über Ihre Sachen, Ihre Kunst zu sprechen?
    Breuning: Natürlich ja, ich denke schon. Aber es ist nicht so, dass ich meine Kunst erklären möchte, in keinem Fall. Meine Kunst, das ist wie, das sind wie Batterien, die sich immer wieder aufladen mit neuen Erklärungen und was auch immer die Leute drin sehen, das ist, was meine Kunst schlussendlich ist. Und das Buch war wirklich so geplant, dass es – weil ich hab viel produziert in den letzten 15 bis 20 Jahren – ich wollte wirklich ein visuelles Buch machen und nicht ein textbeladenes Buch. Ich bin auch kein Textmensch, ich bin ein visueller Mensch.
    El Kassar: Auf dem Cover von der Monographie blicken uns drei Gesichter an, drei gemalte Gesichter, eins gemalt auf einen Popo, eins auf die Fußunterseite und eins auf ein Knie. Und das sind nicht die einzigen bemalten Körperteile, die man in ihren Bildern und Fotografien sehen kann. Sie haben sich anscheinend so einen kindlichen Spaß in Ihrer Kunst bewahrt, ist das richtig?
    Breuning: Ja, man kann es sagen. Man sagt immer kindlich, weil die Kinder sind die, die eigentlich ein bisschen naiv sind, die die Welt noch nicht wirklich kennen und dann auch von einer sehr einfachen Perspektive aus sehen und das ist etwas, das ich beibehalten möchte. Ich möchte einfach Kunst machen, die alle Leute erreicht und nicht von Anfang an schon Leute ausgrenzt, die nichts von Kunst verstehen. Deswegen sagt man oft, Olaf macht Kunst, die ein Kind verstehen kann, aber ich finde das ein Kompliment!
    "Entweder gefällt’s den Leuten oder nicht"
    El Kassar: Gut! Das hätte ich Sie sonst gefragt, ärgert Sie das, aber anscheinend ja nicht.
    Breuning: Nein überhaupt nicht, mich ärgert eigentlich nichts, weil ich liebe meine Kunst zu machen und dann entweder gefällt’s den Leuten oder nicht – es dann nicht mehr meine "Responsability", es geht mich dann nichts mehr an.
    El Kassar: Jeder Künstler steht ja vor dem Problem, was er nun Neues macht. Man kann sich dem nicht entziehen, was schon da war, was andere Künstler geschaffen haben. In Ihren Arbeiten kann man ganz deutlich Referenzen finden: z.B. in der Serie Art Freaks. Models bemalt mit typischen Gemälden von Pablo Picasso, Frida Kahlo, Jackson Pollock, Yves Klein usw. Und Sie stellen diese Gemälde-Körper alle in eine lange Reihe. Diese offensichtliche Referenz auf das bereits Geschaffene, ist das so etwas wie eine Flucht nach vorn?
    Breuning: Nein, ich denke nicht. Für mich ist es ganz eine ehrliche Reaktion, weil heute mit dem Internet, mit dem Archiv, das einem die ganze Zeit omnipräsent ist, da ist so viel schon passiert in der Kunst und ich denke, das ist wahnsinnig wichtig, das als Künstler auch in die eigene Arbeit reinzunehmen und die meisten Künstler, die ich auf die Körper bemalt habe bei den Art Freaks, das sind Künstler, die ich gut finde vom letzten Jahrhundert und das ist eigentlich so etwas, das ich gerne in meine Arbeit aufgenommen habe und das irgendwie zelebriere.
    Breuning: Eine Sprache sprechen, mit der man erkennbar ist
    El Kassar: Wie geht denn abgesehen davon Neues in der Kunst?
    Breuning: Ja, das ist schwierig, weil ich kann heute eine Idee haben und dann denken, oh my god, das ist super, das mache ich jetzt, dann kann ich ins Internet gehen, googlen, und dann irgendjemand hat das schon gemacht, irgendwo. Das ist recht schwierig, etwas ganz Neues zu machen aber ich denke, dass ist auch nicht der Anspruch der Kunst heute. Ich denke für mich heute ist es wichtiger eine Sprache zu sprechen, die bis ans Ende meines Lebens meine eigene sein wird und ich dadurch erkennbar bin.
    El Kassar: Was mir aufgefallen ist: dass der Begriff "Life" ganz schön oft in Ihren Werken vorkommt, sie kreisen um diesen Begriff des Lebens. Wie kommt es, dass Sie zu diesem Begriff immer wieder zurückkommen?
    Breuning: Ja, das ist eine gute Frage, das ist das, was wir haben, das Leben – wir alle. Und das Leben an und für sich ist eine Tragödie. Wir werden geboren und dann sterben wir – egal, was wir machen zwischendrin – und das finde ich, das ist so deprimierend eigentlich, wenn man es von außen anschaut, aber dann in der gleichen Zeit so schön auch, das Leben, dass das für mich eine Ambivalenz ist, über die ich gerne spreche, also das Leben und daneben all die Probleme, die wir haben: wir müssen alle essen, wir müssen alle schlafen. Es gibt gewisse Dinge, die uns alle verbindet als Menschen in diesem Leben und das ist für mich ein Grundthema, über das ich gerne spreche in meiner Kunst.
    El Kassar: Ich unterstelle Ihnen mal, dass Sie auch eine gewisse Liebe zum Menschen zeigen, auch in Ihrem Video Dreiteiler HOME, auch wenn Sie da einen etwas kritischen Blick auf uns westliche Menschen werfen, denn da haben Sie Brian Kerstetter als Akteur und ich beschreib mal kurz etwas aus dem zweiten Teil aus dieser Serie HOME: Er bewegt sich da wie ein Tourist durch Japan, Papua-Neuguinea und auch die Schweiz und er bewegt sich aber so ein bisschen wie ein Clown da durch und er kann die Eigenarten der Kulturen nicht richtig wertschätzen. Was hat Sie bei dieser Arbeit beschäftigt?
    Breuning: Ja ich denk, das ist schon der Gedanke, dass heute, über das Internet haben wir alles da, also wir wissen, wir können Papua-Neuguinea, diesen Bird of Paradise, diesen wunderschönen Vogel, das können wir alles im Internet schnell checken, wir wissen so viel über die ganze Welt, aber dann trotzdem ist es dann verschieden physisch dort zu sein und ich denke, das ist das, was mich interessiert hat in diesen Home-Movies: Dieser westliche Typ, der irgendwie in diese Orte geht in dieser Welt und dann perplex ist und nicht richtig weiß, wie er reagieren muss und das finde ich schon ein Thema, das interessant ist, wir haben das Gefühl, wir wissen alles, aber schlussendlich wissen wir doch nicht so viel…
    "Ich bin vielleicht ein bisschen schnell gelangweilt"
    El Kassar: Wie haben Sie mit Brian Kerstetter gearbeitet? Ist das Improvisation, was wir da sehen?
    Breuning: Natürlich ich habe den ganzen Film vorgeschrieben, die Szenen entwickelt und Ideen entwickelt, aber dann, in dem Moment als wir gefilmt haben, ist spontan sehr viel entstanden, wo dann seine Qualität gelegen ist, er hat so extrem gut improvisieren können und das war wirklich genial! In dem Moment war es dann wirklich eine Zusammenarbeit, wenn die Kamera gelaufen ist, dann war es ein magischer Moment.
    El Kassar: Sie haben Fotografie studiert, und bedienen aber vieler Medien: Video, Malerei, Skulpturen und natürlich auch Fotos. was ist für Sie der Mehrwert von diesem Medienwechsel?
    Breuning: Der Mehrwert ist einfach, ich bin vielleicht ein bisschen schnell gelangweilt: Da mache ich irgendwie Zeichnungen und dann denke ich "Ach, jetzt hab ich genug Zeichnungen gemacht, jetzt mach ich mal ein Foto" und dann bin ich wieder gelangweilt von Fotos und dann mache ich einen Film. Für mich ist es super nicht immer dasselbe zu machen, die Möglichkeit zu haben, abzuwechseln, mit den Weisen, wie ich spreche, weil es ist ja verschieden, ob man Zeichnungen macht oder eine Film.
    El Kassar: Ist es auch ein Spiel damit, dass Sie nicht überall der Profi sind?
    Breuning: Wie meinen Sie das? Nein, nein, versteh ich schon! Das ist vielleicht auch der Charme meiner Kunst ein bisschen, es ist nie wirklich perfekt. Das ist auch das Schöne, ich bin definitiv nicht jemand der sagt, ich muss so lang daran arbeiten, bis jedes Detail stimmt, ich bin jemand, der sagt, das ist schon gut, Dak Dak! Und das sieht man dann vielleicht am Ende.
    Ich wäre ich ein unglücklicher Künstler, wenn ich mich nur auf die Kunstwelt fokussieren würde"
    El Kassar: Ja tatsächlich, ich hatte das Gefühl, man sieht bei den Fotos manchmal, wie sie gemacht worden sind, aber nicht als negative Beobachtung, sondern ich fand es interessant, weil es die Fotos ausmacht.
    Breuning: Genau, die Fotografie ist für mich eher die Dokumentation einer Aktion, die stattgefunden hat, obwohl das fotografische Bild dann das Endprodukt ist, aber für mich ist es oft wichtiger, es auch als Dokumentation zu haben, zu sehen, was wirklich passiert ist, an diesem Tag, in diesem Moment.
    El Kassar: Sie tragen das Label Popkultur als Künstler mit sich, fühlen Sie sich damit wohl?
    Breuning: Ich finde das ein extrem veraltete Beschreibung "Popkultur", das ist irgendwie so idiotisch! Man denkt immer doch, da ist die Hochkultur und da die Popkultur, aber in den letzten 10, 20 Jahren hat sich das so durchmischt, ich meine, man sieht Kunst in der Fashion, man sieht Fashion in der Kunst, in der Musik gibt es Künstler, die Covers haben, die von Künstlern gemacht sind und ich meine, das vermischt sich alles, ich denke nicht mehr, dass das so … Für mich, wie gesagt, Popkultur oder nicht, ich möchte einfach in die Welt schauen und in die Welt schauen, wie die Welt ist, und die Welt ist vorwiegend ohne Kunst, also da gibt es andere Dinge, die präsenter sind und die möchte ich gerne in meiner Kunst erwähnen. Also ich wäre glaube ich ein unglücklicher Künstler, wenn ich mich nur auf die Kunstwelt fokussieren würde und nur in die Kunst schauen und dann nur die Kunst machen, die nur die Kunstleute interessiert, das würde mich nicht interessieren.
    El Kassar: Vielen Dank, Olaf Breuning, für das Gespräch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.