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Rettung bei aggressivem Hirntumor?

Die Medizin hat in den vergangenen Jahrzehnten im Kampf gegen Krebs große Fortschritte gemacht. Chemotherapie, Bestrahlungen und neue Operationsverfahren versprechen gute Behandlungserfolge. Doch immer noch sterben rund 200.000 Menschen in Deutschland jedes Jahr an der heimtückischen Krankheit. In Berlin haben Wissenschaftler einen völlig neuen Therapieansatz entwickelt - aus dem Bereich der Nanotechnologie. Erste Tests am Patienten haben jetzt die Wirksamkeit des Verfahrens gezeigt.

Von Andrea Kalbe | 25.01.2005
    Diagnose Glioblastom - aggressiver Hirntumor. Als Carmen Hofmeister im September 2003 davon erfährt, schätzen die Ärzte ihre Überlebenszeit auf eineinhalb Jahre. Heute ist ein Tumorwachstum bei der 30-Jährigen nicht mehr nachweisbar. Bei Carmen Hofmeister wurde eine völlig neue Therapie angewendet - die Krebsbehandlung mit Nanotechnologie. Dabei injizieren die Ärzte eine Flüssigkeit mit winzig kleinen Eisenoxidkügelchen in den Tumor. Die Teilchen sind mit einer Nährstoffschicht umhüllt - die Krebszellen nehmen sie deshalb besonders gut auf. Der Patient legt sich dann in einen Apparat, der ein Magnetfeld aufbaut. Die Partikel beginnen zu schwingen und erwärmen den Tumor. Solange bis dieser überhitzt ist und die Krebszellen absterben. Entwickelt hat die Methode der Berliner Biologe Dr. Andreas Jordan.

    Wir haben in den 15 Jahren Forschung, die wir schon hinter uns haben, festgestellt, dass diese Partikel durch die Wärme sich ihren Weg bahnen entlang der Tumorgewebe und interessanterweise dort genau stoppen mit ihrer Wanderung, wo der Tumor aufhört, also an der Grenze zwischen Tumor und Normalgewebe.

    Deshalb werden gesunde Zellen auch nicht beschädigt. Konventionelle Methoden wie Bestrahlung oder Chemotherapie greifen dagegen auch intaktes Gewebe an und sind deshalb nur begrenzt einsetzbar. Die neue Wärmetherapie kann beliebig oft wiederholt werden - solange bis die Krebszellen zerstört sind. Oder aber so sehr geschädigt, dass Bestrahlung oder Chemotherapie dosierter eingesetzt werden können. Im Tierversuch hat das neue Verfahren seine Wirksamkeit bereits bewiesen. Für den Menschen gibt es bisher noch zu wenig Daten, um allgemeine Aussagen treffen zu können. Prof. Klaus Maier-Hauff, Neurochirurg an der Berliner Charité, hat die erste Studie zu der Methode mit 16 Hirntumorpatienten vor kurzem beendet.

    Unser Patientengut ist ja das ungünstigste, das wir haben. Das Problem ist, dass diese Geschwülste trotz guter Operation, trotz Bestrahlung und Chemotherapie zu 90 Prozent am Rand weiterwachsen. Und wir versuchen eben, mit dieser Wärmebehandlung dieses Randgebiet, dieses Übergangsgebiet dieser Geschwülste besser in den Griff zu bekommen. Ob es uns gelingt, können wir nicht sagen. Die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass wir doch in der Lage sind, das Weiterwachsen der Geschwülste über einen gewissen Zeitraum zu verhindern.

    Die Ergebnisse zeigen auch, dass die Methode von den Patienten gut vertragen wird: Das Magnetfeld ist ungefährlich. Die Eisenoxid-Lösung wird ohne Probleme über den Stoffwechsel abgebaut. Anfang März dann soll eine Nachfolgestudie mit 65 Hirntumor-Patienten beginnen. Parallel testen Mediziner der Charité die Methode auch bei anderen Krebsarten, wie Gebärmutterhals- und Eierstockkrebs, Prostatakrebs und bei Weichteiltumoren. Eine Garantie für Heilung können die Ärzte auch bei dieser Therapie nicht geben. Aber, so Biologe Jordan:

    Gerade die Patienten, deren Tumor konventionell nicht angesprochen hat, die haben dann nur noch wenige Optionen in der Regel. Denen können wir eine neue Perspektive geben, indem wir diesen lokalen und sich als resistent gezeigten Tumor gegenüber den konventionellen Therapien zum Wachstumsstopp bringen. Und Wachstumsstopp, sei es nur vorübergehend oder länger, ist für den Patienten Überleben. Und das ist das Ziel, was wir vor Augen haben, dass es eben den, ich hasse dieses Wort, austherapierten Patienten nicht mehr geben wird.

    Ob das Verfahren zur Krebsbehandlung zugelassen wird, müssen jetzt längerfristig angelegte Untersuchungen zeigen. Carmen Hofmeister hatte Glück, an der ersten Studie teilnehmen zu können. Bisher ist der Krebs bei ihr zum Stillstand gekommen. Ihr geht es heute gut:

    Ich komm jetzt vierteljährlich zur Kontrolluntersuchung hierher. Und ansonsten gehe ich seit 1. April 2004 wieder arbeiten. Und das ist schon ein sehr großes Stück Lebensqualität, dass ich das machen kann. Das macht mir auch viel Freude. Und im Privatleben ist es natürlich auch schön, dass man ein fast normales Leben führt. Ich kann Fahrrad fahren und alles machen, was mir Spaß macht.