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Revolution oder Luftnummer?

Mit ihrem Energiekonzept will die Regierung weg von fossilen Großkraftwerken und hin zu Wind-, Sonnen- und Biogasanlagen, um die CO2-Emissionen zu verringern. Selbst Klimaschützer finden für das Ziel des Energiepapiers lobende Worte - es ist der Weg dahin, der umstritten ist.

Von Philip Banse | 27.09.2010
    "Das ist nicht mehr und nicht weniger eine Revolution im Bereich der Energieversorgung. Und das ist eine Revolution, die planbar wird und damit auch eine völlige Veränderung unserer Energieversorgung mit sich bringen wird."
    Große Worte, die Bundeskanzlerin Angela Merkel wählte, nachdem ihre Regierung den Entwurf für ein lange erwartetes und heiß diskutiertes Energiekonzept vorgestellt hatte. Das Papier skizziert den Umbau des deutschen Energiesystems: Weg von fossilen Großkraftwerken, hin zu Klima schonenden Wind-, Sonnen- und Biogasanlagen. Ziel: Die massive Reduktion von Klimagasen.
    Nicht mal einen Monat sind Merkels begeisterte Worte alt. Mittlerweile hat die Freude an der Revolution deutlich nachgelassen. Vor allem die Abgeordneten der Regierungskoalition haben wesentliche Teile des Energiekonzepts umgeschrieben, entschärft und gestrichen. Jetzt liegt die Fassung vor, die morgen im Kabinett verabschiedet werden soll. Angela Merkel widmet dem Energiekonzept eine Folge ihrer regelmäßigen Video-Mitteilungen. Von Revolution ist keine Rede mehr:

    "Wir werden ein Konzept auflegen, das deutlich macht: Das Zeitalter der erneuerbaren Energien ist erreichbar – und zwar schneller als viele Menschen gedacht haben. Wir setzen uns hier ehrgeizige Ziele."
    Oberstes Ziel ist: Runter mit den CO2-Emissionen: minus 80 Prozent bis 2050, ein in der Tat ehrgeiziges Ziel, das sich deckt mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen des Weltklimarats. In diesem Umfang müssen die Industrieländer die Kohlendioxidproduktion drosseln, damit der Temperaturanstieg durch den Klimawandel auf zwei Grad begrenzt werden kann.
    Klimakiller Nummer eins ist die Energieproduktion. Acht von zehn Tonnen der deutschen Klimagase entstehen bei der Gewinnung von Energie: Strom für Küchenlampen, Strom für Kupferhütten, Drehmoment für Automotoren und vor allem: Wärme fürs Wohnzimmer. Diesen Energieverbrauch will das Energiekonzept drastisch senken und den Rest möglichst mit erneuerbaren Energien decken. Selbst Klimaschützer finden für die grundlegenden Ziele des Energiekonzepts lobende Worte. Regine Günther, Klimaschutzexpertin beim WWF:

    "Was wir gut finden, ist, dass das erste Mal über 2020 hinaus gedacht wird. Man hat den Zeithorizont bis 2050 gespannt. Das heißt, man hat sich Ziele gesetzt: Wie stark müssen die Treibhausgase runter gehen? Wie stark muss die Effizienz sich steigern. Das ist alles gut."
    Erbitterter gestritten wird darüber, wie diese Ziel zu erreichen sind. Im Mittelpunkt steht die Debatte um die Atomkraft.
    Was passiert mit der Atomkraft in Deutschland? – diese Frage brachte dieser Tage wieder Zehntausende auf die Straße und wird auch morgen Demonstranten vor das Kanzleramt treiben. Die Debatte um das Energiekonzept war eine Debatte um die Frage "Was passiert mit der Atomkraft?"
    Die Zukunft der Atomkraft ist das mit Abstand umstrittenste Kapitel im 39seitigen Energiekonzept – nimmt dort aber lediglich zwei Seiten in Anspruch. Was steht auf den übrigen 37 DIN-A-Seiten dieses Entwurfs eines Energiekonzepts?

    60 Maßnahmen werden aufgelistet, mit denen das deutsche Energiesystem in den nächsten 40 Jahren komplett umgebaut werden soll.
    Eine der wichtigsten Aufgaben der deutschen Energiepolitik ist das Energiesparen. Denn: Je weniger Energie verbraucht wird, desto weniger Klimagase werden produziert. Doch dieser zentrale Aspekt ist bisher immer zu kurz gekommen, klagt Holger Krawinkel, Energieexperte beim Verbraucherzentrale Bundesverband:

    "Einerseits ist der gesamte Bereich der Energieeffizienz, also Gebäudesanierung und Energieeinsparung im Stromsektor nicht vollständig, das heißt, wir haben nach wie vor viel zu geringe Sanierungsraten im Gebäudebereich und auch der Stromverbrauch sinkt nicht in dem Umfang, wie es möglich wäre, wenn überall die effizienteste Technik eingesetzt würde. Das ist, glaube ich, der größte Mangel in der Energiepolitik."
    Diesen Mangel will das Energiekonzept jetzt beheben. Alle Experten wissen: Ohne eine umfassende Sanierung vieler Millionen Gebäude in Deutschland wird es keine spürbare Reduzierung der Klimagase geben. Wohnhäuser und Büros verheizen fast die Hälfte der Energie, die in Deutschland verbraucht wird – nirgends wird mehr Energie vergeudet als beim Wärmen von Wohnungen, Häusern und Büros. Denn 30 Millionen Gebäude, das sind drei Viertel des Gebäudebestands in Deutschland, wurden vor 1979 gebaut, das heißt, sie haben alte Fenster, so gut wie keine Dämmung und ineffektive Heizungen. In der Gebäudesanierung schlummert das größte Potenzial, um den deutschen CO2-Aussstoß zu senken. Umweltminister Norbert Röttgen:

    "Der bekannte schlafende Riese der Energieeffizienz, wir wollen ihn wach machen."
    Röttgens Weckruf fällt jedoch deutlich zaghafter aus, als angekündigt. Bis vor wenigen Tagen klang das Energiekonzept äußerst ehrgeizig: Es sah eine Pflicht zur Sanierung aller Altbauten in Deutschland vor. Spätestens vom Jahr 2050 an sollte kein Gebäude in Deutschland mehr CO2 ausstoßen, ein Drittel der gesamten deutschen Klimagase wäre damit eingespart. Alle Gebäude so gut zu isolieren, dass sie 80 Prozent weniger Heizwärme brauchen – so sah der ursprüngliche Plan aus. Der Rest sollte durch erneuerbare Energien erzeugt werden. Sanierungsmuffel sollten Strafen zahlen. Dies wäre das klimapolitische Glanzstück des Energiekonzepts gewesen, sagt Regine Günter vom WWF:

    "Wenn wir es ernst meinen mit einer dekarbonisierten Gesellschaft, führt an den Maßnahmen, die im Gebäudesektor aufgeführt sind, kein Weg dran vorbei."
    Doch Lobbyisten wie Alexander Wiech von der Hauseigentümervertretung "Haus und Grund" liefen Sturm gegen die ambitionierten Sanierungspläne.

    "Wenn das so Eins-zu-eins-Realität würde, wie das jetzt in diesem Energiekonzept, in diesem Entwurf angedacht ist, dann würde es zu massiven Verwerfungen auf dem Wohnungsmarkt kommen. Denn wer sanieren will, kann es nicht bezahlen und wer es dann doch tut als Eigentümer, dann können die Mieter es nicht bezahlen."
    Diese Klagen fanden Gehör bei den Abgeordneten der Regierungsfraktion. Sie strichen Röttgens Konzept in drei Punkten erheblich zusammen:
    Erstens: Die Sanierungspflicht ist weg. Hauseigentümer müssen nicht mehr sanieren, sie können, angeregt durch staatliche Finanzierungsprogramme. Zweitens: Ziel der Sanierung ist nicht mehr ein Haus ohne Klimagasemissionen. Hausbesitzer müssen den CO2-Ausstoß nicht mehr um 100 Prozent, also komplett senken, sondern nur noch um 80 Prozent. Und das eben freiwillig. Drittens: Auch das Bestrafungssystem ist gestrichen. Wer zögerlich oder gar nicht saniert, hat also nichts mehr zu fürchten – außer explodierender Energiepreise.
    Zentrales Instrument zur finanziellen Unterstützung sanierungswilliger Hauseigentümer ist das unstreitig erfolgreiche Gebäudesanierungsprogramm. Die Bundesregierung hatte dieses Förderprogramm zuletzt auf 430 Millionen Euro zusammengestrichen. Jetzt soll es "im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten besser ausgestattet" werden, heißt es sehr vage im Energiekonzept. Umweltminister Röttgen verlangt zwei Milliarden Euro pro Jahr – auch das reicht nicht, sagen die Deutsche Energieagentur und auch Holger Krawinkel vom Bundesverband der Verbraucherzentralen:

    "Wir brauchen mindestens fünf Milliarden Euro im Jahr, um die Gebäudesanierung in dem Tempo umzusetzen, damit die Effizienzziele und auch die Klimaschutzziele erreicht werden."
    Doch statt fünf Milliarden im Jahr, gibt es wohl nicht mal eine Milliarde für das energiepolitische Großprojekt Gebäudesanierung, berichten Nachrichtenagenturen.

    Nicht nur Wärme, also thermische Energie, muss gespart werden, auch Strom. In Europa will sich die Regierung dafür einsetzen, dass etwa Kühlschränke oder auch Autos einheitlich gekennzeichnet sind, damit jeder sofort sieht, wie viel Energie sie verbrauchen. Behörden und Ämter sollen rechtlich verpflichtet werden, nur effiziente Geräte zu kaufen. Doch auch beim Stromsparen wurde das Konzept entschärft: Ursprünglich sollten Unternehmen nur dann weniger Ökosteuer zahlen müssen, wenn sie Energiemanagementsysteme installieren, also genau beobachten und analysieren, wo, wann und warum in den Betrieben Energie verbraucht wird. Diesen Öko-Steuer-Rabatt können Betriebe jetzt auch durch "gleichwertige Maßnahmen" erreichen. Welche Maßnahmen das sein können, lässt das Konzept offen.
    Doch selbst wenn die Republik auf Stromsparfernseher schaut, überall Energiesparlampen leuchten und die Industrie Elektrizität effizient nutzt – die Nachfrage nach Strom wird auch in 40 Jahren noch immens sein. Allerdings soll dieser Strom dann zu 80 Prozent aus erneuerbaren Quellen stammen, sagt das Energiekonzept. 80 Prozent Ökostrom. Heute sind es ganze 16 Prozent. Dieser massive Ausbau erneuerbarere Energien ist ein weiteres Kernstück des Energiekonzepts.
    Wenn in 40 Jahren fast der komplette Strom aus erneuerbaren Quellen stammen soll, dann heißt das vor allem: aus Wind. Nur wenn es gelingt, wesentlich mehr und wesentlich leistungsfähigere Windräder aufzustellen, kann das Ziel erreicht werden. Um neue Standorte erschließen zu können, will die Bundesregierung deshalb mit den Kommunen neue Raumordnungspläne entwickeln. Außerdem soll das Planungsrecht geändert werden, um alte Windräder leichter gegen neuere, bessere und auch immer größere Räder austauschen zu können. Windmühlen auf dem Festland werden jedoch nicht reichen.
    In Nord- und Ostsee sind bereits 26 Windparks genehmigt. Längst sollten mehrere Offshore-Windkraftwerke mit vielen Hundert Windmühlen Strom liefern. Doch der Ausbau von Windenergie auf dem Meer kommt nicht vom Fleck. Bisher existiert nur ein kleines Testfeld mit 12 Windrädern: Der Windpark Alpha Ventus, 45 km vor Borkum, mitten in der Nordsee: Hohe Wellen, tiefes Wasser, heftige Stürme - Michael Munda-Oschimek ist mit seiner Firma Arewawind an dem Projekt beteiligt und berichtet über unerwartete Probleme des Betriebs von Windrädern auf dem hohen Meer:

    "Ab welchen Wellenhöhen ist noch ein sicheres Übersteigen der Techniker möglich? Das wissen wir vorher nicht. Und wenn wir denken, mit dem Helikopter kann ich die Anlagen das ganze Jahr erreichen, dann stimmt das nicht immer. Auch gibt es Vereisungsprobleme an den Rotorblättern. Das sind alles Dinge, die wir im letzten Jahr gelernt haben."
    75 Milliarden Euro müssen in den nächsten 20 Jahren in diese Offshore-Windparks investiert werden, schätzt das Energiekonzept. Um das wirtschaftliche Risiko überschaubarer zu machen, sieht das Energiekonzept zahlreiche Hilfen für Investoren vor: 5 Milliarden Kredite, Förderung von Spezialschiffen und staatliche Bürgschaften. Eine Änderung der Seeanlagenverordnung soll jedoch auch verhindern, dass Baugenehmigungen wie jetzt gehortet, aber nicht umgesetzt werden. Und dennoch: Das alles werde die Windenergie auf dem Meer nicht wirklich voranbringen, sagt Hermann Albers vom Bundesverband Windenergie. Denn solche Milliardenprojekte auf See könnten nur die großen Energieversorger stemmen – und die hätten kein Interesse an einem zügigen Ausbau:

    "Denn man hat gar kein Interesse daran, diese Kraftwerke schnell zu bauen, denn viel lieber lässt man abgeschriebene Kraftwerke wie etwa die AKW, aber auch abgeschriebene Kohlekraftwerke, intensiver laufen und schöpft viel höhere Gewinne. Das heißt, die Strategie wird über die Energieversorger nicht funktionieren."
    Dem widersprechen die Energieversorger EON und RWE: Man investiere Milliarden in erneuerbare Energien.

    Der Umstieg auf eine grüne Stromversorgung bringt aber noch eine ganz andere Herausforderung: enormen Strommengen müssen zwischengespeichert werden. Bernd Oswald, emeritierter Professor für elektrische Energieversorgung, erklärt, dass immer genau so viel Strom ins Netz gespeist werden muss, wie aktuell verbraucht wird:

    "In jeder Millisekunde muss die Erzeugung dem Verbrauch angepasst werden. Wenn das nicht der Fall ist, würde die Netzfrequenz fallen, beziehungsweise steigen und das Netz würde auseinanderfallen."
    Nun lassen sich Wind- und Sonnenkraftwerke aber nicht an den Verbrauch anpassen: Mal weht der Wind, mal nicht – egal, ob gerade Strom gebraucht wird oder nicht. Um diese Problem zu beheben, braucht man Speicher, riesige Speicher, die enorme Strommengen zwischenlagern, wenn sie nicht gebraucht werden und abgeben, wenn vielleicht mal zu wenig Wind bläst.
    Die effektivsten Speicher sind Pumpspeicher: Mit überschüssigem Strom wird Wasser auf einen Berg gepumpt. Wird Strom gebraucht, läuft das Wasser wieder bergab und treibt Turbinen an. Solche Speicher müssen hierzulande mit hohem Aufwand erst noch ausgebaut werden, sagt Olaf Hohmeyer, Mitglied im Beratergremium des Umweltministeriums. Andernorts aber wäre das viel leichter:

    "Und wenn wir über die deutschen Grenzen hinausschauen, das wir relativ schnell ausbauen können mit einem extrem großen Speichervolumen: Das ist die norwegische Speicherwasserkraft, die mit wenigen Handgriffen, will ich mal vereinfachend sagen, von Speicherwasser zu Pumpspeichern umgebaut werden kann – mit einem Volumen, wenn wir das nur ein einziges Mal über die Turbine laufen lassen, entspricht das ungefähr acht Wochen der deutschen Stromversorgung. Das heißt, mit diesem System könnten sie, mit geringen Umbauten plus Leitungen nach Deutschland, das gesamte System abpuffern zu 100 Prozent."
    Der Haken an der Sache: Die Strom-Leitungen nach Deutschland. Die europäischen Stromnetze sind nicht gemacht für ein grünes Energiesystem, sagt Professor Olaf Hohmeyer:

    "Was das Schwierigste ist, ist von den großen Ressourcen, die wir im Windenergiebereich in Norddeutschland haben, die Trassen zu den Verbrauchszentren im Süden und im Westen des Landes zu bauen."
    Die Deutsche Energieagentur hat berechnet, dass bis 2015 lediglich 850 Kilometer neue Höchstspannungsleitungen geplant sind. Das reicht nicht. Der Netzausbau kommt nicht voran. Regine Günter vom WWF sagt, das habe zwei Gründe:

    "Das eine ist, das diejenigen, die ausbauen sollen, nicht ausbauen, weil sie sagen, für sie rechnen sich die Profite nicht. Das Zweite ist: Dort, wo ausgebaut werden soll, gibt es massive Widerstände vor Ort. Und da stehen zwei Interessen Gegeneinander. Einerseits brauchen wir einen kompletten Umbau der Infrastruktur für Energien, um erneuerbare Energien ins Netz zu bekommen und andererseits, wenn es dann konkret wird, wollen die Menschen es dann auch nicht."
    Um den massiven Bürgerprotest gegen riesige Höchstspannungsleitungen zu überwinden, will die Bundesregierung eine Informationskampagne starten. Bürger sollen überzeugt werden, dass es beim Stromnetzbau ums große Ganze und das Gemeinwohl geht. Zugleich sollen die Betreiber der Stromnetze dazu gebracht werden, neue Leitungen zu bauen. Und zwar mit einer Zusage, die für die Verbraucher teuer wird. Die Netzbetreiber werden die Ausbaukosten auf den Strompreis aufschlagen können, zuzüglich einer Verzinsung von 9,25 Prozent.
    Förderung der Windenergie, Einrichtung von Stromspeichern, Ausbau der Stromnetze – das Energiekonzept setzt die richtigen Schwerpunkte, um den Ausbau der erneuerbaren Energien voranzubringen, gestehen auch Umweltschützer ein. Die Förderung der Ökoenergien werde jedoch behindert durch die Förderung traditioneller Techniken wie Atomkraft und Kohle.
    So sieht das Energiekonzept vor, dass Kohlekraftwerke finanziell gefördert werden. Diese neuen Kohlekraftwerke müssen zwar ihr klimaschädliches CO2 abscheiden und im Boden speichern können. Doch diese sogenannte CCS-Technik ist umstritten und längst nicht ausgereift. Außerdem, so Kritiker vom WWF, würde neue Kohlekraftwerke 40 Jahre laufen und den Umstieg auf Erneuerbare behindern. Verbunden mit der Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke würde das traditionelle Energiesystem zementiert, der Wettbewerb behindert.
    Die Bundesregierung argumentiert, nur mit Kohle und Atom sei die Zeit zu überbrücken, bis genug erneuerbare Energie produziert werden könnte. Unsinn, sagt Hermann Albers, Lobbyist der Windenergie-Wirtschaft:

    "Wenn man uns ließe, würden wir aus den heute 16 Prozent erneuerbarerer Energien einen Anstieg haben, der schon in zehn Jahren bedeuten würde, dass schon jede zweite Kilowattstunde Strom aus erneuerbaren Energien kommen, also die Quote bei 50 Prozent läge. Allerdings ist das im Energiekonzept nicht vorgesehen."
    Gebäudesanierung, Energiesparen, Förderung erneuerbarer Energien, neue Stromnetze und Stromspeicher. All das kostet Milliarden. Die Bundesregierung ist stolz darauf, dass die Energieriesen einen Teil ihrer Zusatzgewinne durch die Laufzeitverlängerung in einen Fonds einzahlen und den Umbau des Energiesystems so quasi mitbezahlen. Das ist nicht falsch, aber völlig übertrieben, hat das Öko-Institut errechnet. Demnach würden RWE, Eon und Co in den wichtigen ersten zehn Jahren ganze 230 Millionen Euro pro Jahr in diesen Fonds einzahlen. 230 Millionen Euro – das reicht nicht mal, um die jetzt geplante Aufstockung des Gebäudesanierungsfonds zu bezahlen. Von neuen Stromkabeln, Stromspeichern und Windrädern gar nicht zu reden.

    Die Bundesregierung will auch die Erlöse aus der Versteigerung von Co2-Verschmutzungsrechten in den Umbau des Energiesystems stecken. Das könnten sechs Milliarden Euro im Jahr sein. Doch die fließen frühestens in drei Jahren – und mehr als eine Absichtserklärung ist das bisher nicht.
    Das Energiekonzept war gestartet als ein ambitionierter Masterplan für den Umbau des deutschen Energiesystems. Die Ziele sind nach wie vor ehrgeizig, aber die Mittel und Strategien zur Erreichung der Ziele teilweise heftig umstritten - Beispiel Kohleförderung und Laufzeitverlängerung –; bei der Gebäudesanierung sind sie deutlich verwässert worden oder zu unkonkret. Erst wenn das Energiekonzept morgen im Kabinett verabschiedet und anschließend in Gesetze gegossen wird, lässt sich sagen, ob es ein Versprechen einlöst: umweltschonende, verlässliche und bezahlbare Energie für die nächsten 40 Jahre.