Freitag, 19. April 2024

Archiv


Revolutionäres Signal mit geringer Wirkung

Als Konstitutionsfeier war die überwältigende Demonstration für Freiheit, Demokratie und nationale Einheit getarnt, zu der am 27. Mai 1832 auf der Schlossruine im pfälzischen Hambach fast 30.000 Menschen zusammenkamen. Bürger aus insgesamt 39 deutschen Einzelstaaten forderten die Einheit ihres Vaterlandes. Ihre Parolen richteten sich gegen politische Willkür, Zensur und soziales Elend.

Von Jochen Stöckmann | 27.05.2007
    "Ob wir rote, gelbe Kragen, Helme oder Hüte tragen, Stiefel tragen oder Schuh, oder ob wir Röcke nähen und zu Schuhen Drähte drehen: Das tut, das tut nichts dazu."

    Mit Gesang begann in Deutschland die Parteiendemokratie. Weil politische Kundgebungen verboten waren, luden die Publizisten Philipp Jakob Siebenpfeiffer und Johann Georg August Wirth, Gründer des "Deutschen Preß- und Vaterlandsvereins", zu einem Fest aufs Hambacher Schloss. Fast 30.000 Vorkämpfer für eine Republik strömten am 27. Mai 1832 in die Pfalz, vor allem aus Hessen, Hannover, Braunschweig und Sachsen. Dort waren die Bürger durch die französische Juli-Revolution von 1830 politisiert.

    Über der Schlossruine wehte die schwarz-rot-goldene Fahne. Diese Farben des Lützowschen Reiterkorps der Freiheitskriege wurden in einem Hambacher Festlied aktuell umgedeutet:

    "Schwarz sei der Trauer ew'ge Nacht,
    Die rings ihn soll umgeben,
    Solang' er unter Fürstenmacht
    Fortführt sein Sklavenleben.
    Rot sei der Farben dunkle Glut,
    Die rings er will entzünden.
    Auf Thrones Schutt mit edlem Mut
    Der Freiheit Reich zu gründen
    Gold sei der heil'gen Wahrheit Licht,
    Die rings er will verbreiten,
    Dass finstrer Mächte Lüge nicht
    Mehr hemmt den Gang der Zeiten."

    Unter der schwarzrotgoldenen Trikolore versammelte sich ein bunter Haufen, die Patrioten von 1832 waren Kosmopoliten. Unter Studenten, Handwerksgesellen und Kaufleuten fanden sich Franzosen und auch sehr viele Polen, Emigranten des Novemberaufstands von 1830. Und so schloss Philipp Jacob Siebenpfeiffer seine Begrüßungsrede:

    "Es lebe das freie, das einige Deutschland!
    Hoch lebe jedes Volk, das seine Ketten bricht
    und mit uns den Bund der Freiheit schwört!
    Vaterland - Volkshoheit - Völkerbund hoch!"

    Jene drückenden Ketten, die es zu brechen galt, hatten die Monarchen der Heiligen Allianz verhängt. Russland, Österreich und Preußen knebelten demokratische Bestrebungen. Insbesondere gegen Preußen richtete sich der Volkszorn, notierte die Schriftstellerin Fanny Lewald:

    "Auf gedruckten Plakaten an öffentlichen Lokalen war unter den Worten: 'es wird gebeten, keine Hunde mitzubringen,' der schriftliche Zusatz gemacht worden: 'und keine Preußen!'"
    Kein Wunder, dass die freiheitlichen Hambacher Parolen einem Vorzeigepreußen wie Otto von Bismarck, damals Student, absolut nicht schmecken wollten:

    "In mein drittes Semester fielen die Hambacher Feiern, deren Festgesang mir in der Erinnerung geblieben ist. Diese Erscheinungen stießen mich ab, meiner preußischen Schulung widerstrebten tumultuarische Eingriffe in die staatliche Ordnung; ich kam nach Berlin mit weniger liberaler Gesinnung zurück, als ich es verlassen hatte."

    Der "Tumult", den der spätere Reichskanzler Bismarck voraussah, blieb allerdings aus. Wirth und Siebenpfeiffer, die Organisatoren des Hambacher Festes, setzten auf Argumente. Nur eine Minderheit plädierte für die Propaganda der Tat, für einen Volksaufstand, auch mit Schützenhilfe Frankreichs. Und aus Paris kommentierte Heinrich Heine:

    "Was war es aber, was die Männer von Hambach abhielt, die Revolution zu beginnen? Ich wage es kaum zu sagen. Als man darüber stritt, ob die anwesenden Patrioten auch wirklich kompetent seien, im Namen von ganz Deutschland eine Revolution anzufangen, da lautete die Entscheidung: man sei nicht kompetent. O Schilda, mein Vaterland!"

    Fanny Lewald aber, die als politisch denkende Publizistin und emanzipierte Frau den Blick für die ganz gewöhnliche Psychologie ihrer männlichen Mitstreiter nicht verloren hatte, konstatierte nur:

    "Von einem Feste, an welchem man sein Herz in Reden ausgeschüttet, in feurigen Liedern erhoben, und mit Gesinnungsgenossen sich ausgesprochen hat, kehrt man beruhigt, und zum Hoffen und Abwarten geneigt, in die friedliche Behausung zurück. Solche Feste wirken in der Regel ableitend, wie Blasenpflaster bei Entzündungen."