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Rheinische Post
Neue Multimedia-Erzählformen für die Lokalzeitung

Die traditionsreiche Rheinische Post ist modern geworden. RP Online ist eines der bedeutendsten regionalen Nachrichtenangebote in NRW mit vielen Zusatzangeboten wie Videos und Podcasts und einem eigenen Listening Center, das hilft, Themen im Netz zu recherchieren. RP gibt Einblick in eine moderne Zeitungsredaktion.

Von Kai Rüsberg | 25.05.2017
    Ein Zeitungsständer der Rheinischen Post steht am 27.06.2013 in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) im Flughafen. Die Rheinische Post Mediengruppe verkauft ihr Geschäft in Tschechien an den Milliardär Babis. Das teilten das Düsseldorfer Medienhaus und die Agrofert Holding des tschechischen Investors mit.
    Die Rheinische Post baut ihre Crossmedia-Angebote aus. (dpa / Federico Gambarini)
    Es ist elf Uhr am Morgen. Es ist erstaunlich ruhig im Großraumbüro der Rheinischen Post. Bislang ist erst die halbe Mannschaft an Bord. Gut 30 Schreibtische gruppieren sich in einer Wabenförmigen Struktur umeinander, so dass sich die meisten Redakteure gegenseitig im Blick haben. Trotz der Stille sind alle emsig am Werk, flüstert der Redaktionsleiter Digitales, Rainer Leurs.
    "Also das hier ist das klopfende Herz der Rheinischen Post Zentralredaktion, der integrierte Newsdesk. Und an diesem leicht spinnennetzartigen großen Arbeitstisch, hier entsteht RP-Online, dort hinten wo die ganzen Plätze frei sind, da wird das Blatt gemacht, der überregionale Teil der gedruckten Rheinischen Post Zeitung."
    Online Redaktion hat andere Produktionsprozesse als Print
    Die Kollegen der Online-Redaktion versorgen die Leser schon seit dem frühen Morgen mit Online-Nachrichten, Facebook-Postings. Ein Redakteur hat bereits zu Hause seinen Radio-Podcast mit den Nachrichten des Tages eingesprochen - lange bevor die Kollegen der gedruckten Zeitung beim Frühstück sitzen.

    Rainer Leurs:"Wir haben eine integrierte Redaktion, diese Trennung soll überwunden werden, ist auch zum großen Teil überwunden, aber dennoch gibt es eine Struktur für die Online-Redaktion, die auch sinnvoll ist, weil es halt zeitlich personell von den Produktionsprozessen her andere Abläufe sind als Print. Wir machen Nachrichten in Echtzeit. Print produziert einmal am Tag ne Zeitung."
    "Listening Center" entdeckt Themen im Netz
    Nicht jeder muß alles machen, sondern die Redakteure sollen mit ihren Kompetenzen für alle Bereiche des Hauses zuarbeiten. So sieht sich auch Daniel Fiene, der für die redaktionelle Digitalstrategie zuständig ist. Er betreut ein neues Computerprogramm, das im Netz Themen entdecken soll, die viel diskutiert werden.

    Daniel Fiene: "Wir sehen jedes Facebook Posting, Twitter Posting, jedes Bild auf Instagram, jede Pressemitteilung oder eine Diskussion in einem Forum und wenn eine Diskussion viral geht, dann sehen wir das. Oder dann könnte das bedeuten, da steckt eine Geschichte für uns drin."

    Eine ganze Wand mit Monitoren zeigt jedem im Büro die aktuellen Themen an. Listening Center steht darüber. Der Verlag rühmt sich, mit dieser Technologie ganz weit vorne zu sein.
    Daniel Fiene: "Das Listening-Center durchsucht in Echtzeit 400.000.000 Quellen im Netz. Facebook ist eine davon, also im Grunde sind das Internetadressen. Wir gucken uns alles an, wo Leute diskutieren, v.a. natürlich im deutschsprachigen Bereich. Und wenn dort ein Beitrag besonders häufig geteilt wird, dann kriegen wir das mit."
    Analyse soll Reichweiten ausbauen
    Bei der Landtagswahl hätte er an den Daten bereits frühzeitig einen Meinungsumschwung erkennen können, beteuert Fiene. Jetzt nach dem Wahlkampf soll der Internet-Beobachtungsroboter auf die Themen der Lokalredaktionen programmiert werden.
    Daniel Fiene: "Spannend wird das, wenn wir das mit unserer Region verknüpfen. Wir haben für jeden kleinen Ort Suchanfragen und die dort relevanten Themen schauen uns auch an, um halt mitzubekommen, was passiert dort eigentlich, das heißt jeder Redakteur kriegt auch mit, was passiert zu meinen Themen eigentlich im Netz."
    Mit der Analyse der für die Leser wichtigen Themen soll die Reichweite ausgebaut werden, sagt Chefredakteur Michael Bröker. Bei der gedruckten Zeitung scheinen die Auflagenrückgänge zur Zeit nicht umzukehren. Dafür will er das Online-Geschäft vergrößern und zusätzliche Einnahmen erzielen: über Zeitungen für Computer-Tablets oder mit einer Bezahlschranke für Online-Artikel. Außerdem hat Bröcker neue Geschäftsfelder im Auge.

    "Wir wachsen erstmal durch Reichweite. Wir haben im Moment Reichweitenrekorde, wie wir sie in den letzten Jahren noch nicht hatten, das heißt, wir haben auch höhere Anzeigeneinnahmen bei RP ONLINE, als wir sie bisher hatten. Aber wir haben auch neue Formate entwickelt z.b. eben die Videoproduktion oder das Listening Center, das wir hier bei uns im Hause entwickelt haben und an Partner per Lizenz weitergeben. Also wir bauen das Digitalgeschäft auf."
    Videos für die lokale Berichterstattung
    Zwischen Listening Center und zentralem Planungsdesk hat die Videoeditorin Vanessa Martella ihren Computerschnittplatz. Sie produziert einen Nachrichtenfilm über einen Verkehrsunfall.
    Vanessa Martella: "Wir machen auch Videos dann extra für Facebook fertig, social videos. Das wird schon sehr viel geklickt und viele Leute gerade bei solchen Themen aus der Region, wo man sonst eben nicht sehr viel Bewegtbild hat, sind die Leute schon sehr interessiert daran."
    Schon mehrmals konnte die RP ihre lokalen Videoberichte auch anderen Zeitungshäusern oder TV-Stationen verkaufen. Aber auch das eigene Videoangebot ist wichtig:
    Vanessa Martella: "Wir haben YouTube Channel: einmal wir sind NRW und Kultur und Sport und sind noch mal extra aufgeteilt und in der Regel finden Sie die Videos aber zusammen mit den Artikeln auf der Seite, je nachdem wie stark das Video Thema ist. Es läuft es aber auch mal allein auf der Seite mit."
    Schulungen für Videos mit Smartphones
    Vanessa Martella ist erst seit ein paar Wochen dabei. Das Videoteam wurde vor kurzem auf vier Redakteure aufgestockt. Hinzu kommen die Fotografen und Lokalreporter, die alle für die Aufnahme von Video vorbereit und ausgerüstet wurden, betont Digitalchef Rainer Leurs:
    "Dort sind alle geschult, wie sie mit dem Smartphone Videos machen. Wir haben dazu eine App ausgerollt, die alle haben auf Ihrem Smartphone. Mit der kann man drehen und direkt schon schneiden auf dem Smartphone, kleine Texttafeln einblenden und so weiter. Wir wissen halt, dass die Wege einfach so sehr viel kürzer sind und dass natürlich auch sehr viel schneller Kenntnis bekommen von Ereignissen, wo sich lohnt Bewegtbild zu produzieren."
    Ob sich das für die ehemalige Lokalzeitung auszahlt, die sich zu einem crossmedialen Medienhaus entwickeln will, weiß Chefredakteur Michael Bröcker auch nicht. Aber es sei alternativlos:
    Michael Bröcker: "Das Modell, wie Journalismus in 10 15 20 Jahren finanziert werden kann und wie er dann aussieht, ich habe es auch nicht."
    Bei der in "@mediasres" ausgestrahlten Audio-Fassung handelt es sich um eine gekürzte Version des schriftlichen Beitrags.