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Rheinland-pfälzischer Landespreis
Alternativmethoden zu Tierversuchen

In Rheinland-Pfalz sind zwei Wissenschaftler mit dem Rheinland-pfälzischem Landespreis ausgezeichnet worden. Sie forschen an Alternativen zu Tierversuchen, halten ihr Wissen darüber nicht geheim und lassen sich dies nicht patentieren.

Von Ludger Fittkau | 05.02.2014
    Nicht einmal den Durchmesser eines kleinen Fingers haben die Reagenzgläser mit Zellmaterial. Sie werden auf frühstückbrettgroßen Platten in ein Gerät von der Form einer Waschmaschine geschoben. Citometer heißt das High-Tech-Gerät im Ludwigshafener Labor, in dem mit Laserstrahlen die physikalische oder chemische Eigenschaft von Zellen gemessen wird. Es sind menschliche Hautzellen, deren allergische Reaktionen auf giftige Substanzen im Citometer gescannt werden. Die Zellen stammen aus Überbleibseln von Schönheitsoperationen oder Vorhautbeschneidungen:
    "Genau. Davor und nicht aus unserer Wahl, sondern behördlich vorgeschrieben, war der Test an Kaninchen. Kaninchen wurden rasiert, die Substanz aufgetragen und dann geschaut, ob die Haut geschädigt wird. Sicher mit dem Nachteil, dass manchmal das Kaninchen leidet und auch mit dem Nachteil, dass Kaninchenhaut keine Humanhaut ist."
    Wissen nicht geheim halten
    Kein Kaninchen weit und breit ist zu sehen im Labor von Robert Landsiedel und Tzutzuy Ramirez Hernández. Die beiden Wissenschaftler arbeiten seit Jahren bei der BASF an der Entwicklung von Alternativen zu Tierversuchen. Den mit 20.000 Euro dotierten rheinland-pfälzischen Landespreis bekommen sie auch deswegen, weil sie ihr Wissen nicht geheim halten und patentieren lassen, sondern mit möglichst vielen Wissenschaftlern international teilen, um weltweit Tierversuche zu reduzieren. Die Biologin Tzutzuy Ramirez Hernández:
    "Es ist natürlich sehr wichtig, unsere Methoden zu verbreiten. Und vielleicht können die auch in der Zukunft eine Akzeptanz bekommen. Es kann sein, dass wir verschiedene Methoden haben, aber manche Behörden akzeptieren die Methoden leider noch nicht. Und da arbeiten wir auch natürlich dran."
    Denn bis heute werden allein in Rheinland-Pfalz jährlich mehr als 100.000 Tiere in der Forschung eingesetzt. Das liegt auch daran, dass die Alternativen zu Tierversuchen ein Forschungsfeld sind, in dem häufig noch die Grundlagen für die Laborarbeit fehlen. Der Chemiker Robert Landsiedel deutet beim Rundgang durch das Laborgebäude auf dem BASF-Gelände auf ein etwa Toaster-großes Gerät, mit dem krankhafte Reaktionen von Hornhaut gemessen werden kann, die giftigen Substanzen ausgesetzt wurde. Weil es ein solches Messgerät weitweit nicht gab, mussten sie es hier erst selbst bauen, erklärt Robert Landsiedel:
    "Die Methode wurde dann international anerkannt, eine OECD-Methode. Das Problem, das wir hatten, hatten auf einmal ganz viele Leute. Sie wollten die Messungen gerne durchführen, konnten das aber nicht, weil das Gerät fehlte. Sie wurden dann an uns weiter verwiesen, weil wir ein Gerät haben. Wir haben uns dann irgendwann entschlossen, das Gerät nicht nur für uns zu bauen, sondern für andere auch. Und es auch anzubieten. Zum Teil gespendet, zum Teil zum Selbstkostenpreis abgegeben. Nicht, dass es unser Geschäft wäre. Wir haben kein Geld damit verdient. Aber wir dachten, es wäre wirklich dumm, wenn es eine gute Methode gibt und niemand kann sie durchführen."
    Tiere schonenden Methoden
    Die Biologin Tzutzuy Ramirez Hernández arbeitet seit 2010 bei BASF an den Alternativmethoden zu Tierversuchen. Sie betont, dass auch immer mehr internationale Wissenschaftler nach Ludwigshafen kommen, um die hier entwickelten, die Tiere schonenden Methoden zu erlernen. Gerade die Tests von Augenreizungen durch chemische Substanzen interessieren auch andere angewandete Forscher sehr, erklärt sie:
    "Für die Augenreiz-Bildung haben wir schon einige Kollegen anderer Firmen und Universitäten, die das hier bei uns gelernt haben. Und im Moment machen wir auch für die Hautsensibilisierung ein internationales Projekt und dazu nehmen wir Kollegen aus der ganzen Welt, damit diese die Methoden auch bei sich durchführen können und etablieren können."
    Forschung an inneren Organen
    Die beiden preisgekrönten Ludwigshafener Forscher wollen es in Zukunft nicht bei der Entwicklung von Alternativmethoden zu Tierversuchen belassen, die außen auf der Haut oder bei Augenschäden ansetzen. Sie haben sich vorgenommen, künftig auch für die Forschung an inneren Organen Alternativen zum Tierversuch zu finden. Robert Landsiedel:
    "So als Ausblick: Wofür wir den Preis bekommen haben, waren die Methoden lokaler Toxizität auf der Hautoberfläche. Komplex, aber noch relativ einfach, verglichen mit dem, was im Inneren des Körpers passiert. Und das ist sicher die nächste große Herausforderung. Wie können wir auch das, was im Inneren des Körpers passiert, die Organtoxizität voraussagen. Und das ist das, was wir in den nächsten Jahren weiter erforschen werden, hoffentlich auch erfolgreich."