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Rhiel: Staat muss für Wettbewerb auf Strommarkt sorgen

Der hessische Wirtschaftsminister Alois Rhiel schließt eine Zerschlagung der Energiekonzerne zum Stopp von Preistreiberei auf dem Strommarkt nicht mehr aus. Wenn alles andere nichts helfe, müssten die Konzerne gezwungen werden, Kraftwerke an Dritte zu verkaufen, sagte der CDU-Politiker. Die Verbraucher rief Rhiel auf, die vorhandenen Möglichkeiten zum Wechsel des Stromlieferanten zu nutzen.

Moderation: Bettina Klein | 28.06.2007
    Bettina Klein: Am Telefon ist nun der hessische Wirtschaftsminister Alois Rhiel (CDU). Er gilt als besonders ambitionierter Kritiker der Marktdominanz der großen Unternehmen auf dem Energiesektor. Guten Morgen, Herr Rhiel!

    Alois Rhiel: Guten Morgen, Frau Klein!

    Klein: Mehrere Unternehmenschefs werden heute noch mal zitiert mit den Worten, der Energiegipfel sei für sie eigentlich schon gescheitert, wenn die Regierung an diesen Zielen, die wir gerade gehört haben, festhalten sollte. Haben Sie in diesem Falle Verständnis dafür?

    Rhiel: Ich habe kein Verständnis dafür. Aber das Verhalten der Energiekonzerne ist Ausfluss der Tatsache, dass sie über Jahre hin verhätschelt wurden. Vor allem zur Zeit der rot-grünen Koalition hatten Sie ungehinderten Zugang in die Regierungszentrale und konnten ihre Position durchsetzen. Das ist jetzt vorbei.

    Klein: Welche Fehler muss die Große Koalition nach Ihrer Meinung auch auf dem Energiegipfel nächste Woche korrigieren?

    Rhiel: Es sind zwei klare Zielrichtungen: Zum einen müssen wir den Klimaschutz vorantreiben. Und da muss die große Koalition auch den Unternehmen sagen, wohin sie denn will mit dem Energiemix. Man kann nicht auf der einen Seite CO2-Emissionen wirksam begrenzen und in der gleichen Zeit darauf drängen, dass die Kernkraftwerke abgeschaltet werden. Beides geht nicht. Hier muss eine vernünftige Lösung her. Der Bundeswirtschaftsminister hat hier Recht.

    Der zweite Punkt, um den es mir vor allem geht, ist, dass die Marktmacht der vier großen Erzeuger begrenzt wird. Denn wir haben in Deutschland die Situation, dass wir Netze haben, die in einem Monopol sind. Das sind wettbewerbsversagende Situationen, da können wir nichts ändern. Deswegen haben wir hier eine strenge Regulierung durchgeführt und die Netzentgelte begrenzt, damit Wettbewerb möglich ist. Aber Wettbewerb kann erst dann gelingen, wenn das Marktmachtverhalten der vier großen wirksam begrenzt ist. Und deswegen arbeiten wir in Hessen an einer Bundesratsinitiative, das Kartellgesetz noch einmal zu verschärfen, damit im Zweifel auch letztlich, wenn alles andere nicht hilft, die Konzerne zerschlagen werden.

    Klein: Zu verschärfen im Detail, in welcher Hinsicht?

    Rhiel: Das Kartellamt muss ein viel schärferes Schwert bekommen. Und es muss, wenn die übrigen Instrumente, die jetzt beschlossen worden sind, wirklich nicht helfen, die Macht haben, die Konzerne zu zwingen, Kraftwerke an Dritte zu verkaufen. Denn wir haben kein Problem an der Anzahl der Kraftwerke, sondern wir haben ein Problem darin, dass es zu wenig Anbieter gibt. Der Staat muss seine Ordnungsaufgaben wahrnehmen und für Wettbewerb sorgen, denn nur Wettbewerb sichert den Verbraucherschutz.

    Klein: Herr Rhiel, der Zustand wird beklagt von vielen und seit langer Zeit, ja auch nicht nur von Ihnen, aber in der Substanz hat sich ja bisher nichts daran geändert. Ich sage jetzt mal als Beispiel die Marktdominanz vier großer Stromkonzerne. Es muss also Widerstände geben im juristischen oder sonstigen Bereich, die das verhindern, dass sich daran etwas ändert offensichtlich.

    Rhiel: Gut, man darf nicht übersehen, dass wir doch etwas getan haben. Ich sagte Ihnen bereits, die Netze sind im Monopol, das ist ein natürliches Monopol, das können wir nicht ändern. Deswegen muss der Staat hier regulieren. Und das haben wir im Energiewirtschaftsgesetz umgesetzt. Sie wissen, dass die Netzentgelte auch durchschnittlich um 15 Prozent heruntergesetzt wurden, und die nächste Runde der Regulierung kommt. Also da ist Druck auf den Unternehmen, die sich in der Monopolstellung befinden. Aber Sie haben Recht, im zweiten Bereich, die Marktmacht der Erzeuger zu zerschlagen, zu begrenzen, da ist noch nichts geschehen. Da wirken die jetzigen Instrumente eben nicht, sie greifen nicht durch. Und wir müssen in der Tat als Wettbewerbsbeauftragte, und das sind wir als Länder, als Staat, wir müssen an die Wurzel des Übels. Und da müssen wir nüchtern erkennen, dass sich durch das enge Oligopol, durch das spontan solidarische Parallelverhalten der vier Anbieter nichts geändert hat, dass sie ihre Marktmacht ausnutzen. Deswegen müssen wir hier dem Kartellamt mit der Verschärfung des Kartellrechts ein neues zusätzliches scharfes Instrument in die Hand geben. Daran arbeiten wir. Wir werden einen Vorschlag im Herbst einbringen.

    Klein: Tatsache ist auch, Herr Rhiel, einmal mehr stellen sich viele hierzulande die Frage, wie sie mit steigenden Strompreisen umgehen sollen. Neue gesetzliche Regelungen zum kommenden Sonntag, zum 1. Juli, sollten ja eigentlich auch dem Verbraucher zugute kommen. Nun scheint das Gegenteil der Fall zu sein. Etliche Stromversorger wollen noch einmal mit den Preisen nach oben gehen. Hintergrund ist ja, die Anbieter müssen Ihre Preise ab 1. Juli nicht mehr von den Wirtschaftsministerien genehmigen lassen. Weshalb führt das Gesetz jetzt zu höheren Preisen, statt zu mehr Kontrolle wie beabsichtigt?

    Rhiel: Das Gesetz führt nicht zu höheren Preisen, sondern die Kunden müssen jetzt auch das wahrnehmen, was möglich ist. Sie müssen den Wechsel herbeiführen. Denn heute schon ist es möglich im Jahr für einen normalen Haushalt 30, 40, bis über 100 Euro zu sparen, wenn sie den günstigsten Verbraucher wählen. Und das haben wir durch das Energiewirtschaftsgesetz ermöglicht, indem jeder, auch neue Anbieter, durch das Netz des örtlichen Anbieters ihren Strom durchleiten können zu dem Kunden. Diese Wechselmöglichkeit ist wichtig. Aber der Staat muss auch vor seiner eigenen Haustür kehren. Deswegen plädiere ich dafür, dass die Zertifikate versteigert und nicht verschenkt werden, denn sie haben bisher zu Extragewinnen der Konzerne geführt. Aber wichtig ist, dass dieses Geld, das aus der Versteigerung herrührt, den Kunden zurückgegeben wird. Deswegen fordere ich, die Energiesteuer zu senken zu Gunsten der Verbraucher. Also der Staat muss auch vor der eigenen Haustür kehren.

    Klein: Lassen Sie uns noch kurz bei dem Gesetz jetzt bleiben: Wozu ist es hilfreich, dass die Wirtschaftsministerien die Preise nicht mehr genehmigen müssen?

    Rhiel: Weil das ohnehin ein stumpfes Schwert geworden ist, denn 95 Prozent des Strompreises liegen fest. Erstens, 40 Prozent sind staatlich bedingte Abgaben, zweitens, 30 Prozent sind die Einkaufspreise für die örtlichen Verteiler. Daran können sie nichts ändern. Und schließlich sind es gut 30 Prozent auch Netzentgelte. Diese Netzentgelte haben wir reguliert, und daran kann man auch in einer Genehmigungsrunde nicht mehr drehen. Die Länder hätten also ein Prüfsiegel auf Preiserhöhungen geben müssen, die sie nicht verhindern können, weil die Großhandelspreise, weil die Preise der Erzeuger maßlos nach oben gedrückt worden sind. Da müssen wir ansetzen, deswegen unsere Gesetzesinitiative zum schärferen Wettbewerbsrecht.

    Klein: Noch einmal zum zweiten Teil Ihrer Antwort eben, Stichwort Versteigerung oder Verkauf von Emissionszertifikaten: Das ist jetzt geregelt worden, dass etwa neun Prozent tatsächlich nicht mehr verschenkt werden dieser Zertifikate, und das führt wiederum dazu, dass Stromversorger damit drohen, Preise zu erhöhen, also wiederum den gleichen Effekt, den man eigentlich vermeiden wollte.

    Rhiel: Dann würden Sie die Öffentlichkeit und die Verbraucher täuschen. Denn die Zertifikate, die ihnen bisher geschenkt worden sind, haben sie in ihrem Wert ohnehin in dem Preis schon weitergegeben. Und deswegen muss aus der Versteigerung keine Preiserhöhung erwachsen. Das wäre wirklich eine erneute Ausnutzung dieses Machtmonopols, das sie haben. Und darauf muss der Staat drängen. Ich plädiere übrigens dafür, dass nicht nur zehn Prozent oder neun Prozent wie jetzt versteigert werden, sondern die Deutschen müssen darauf drängen, dass sie alle Zertifikate für die Stromerzeuger versteigern können, um diese Extragewinne zu absorbieren und den Verbrauchern zurückzugeben. Das ist eine wirkungsvolle Aufgabe. Ich freue mich aber schon, dass wir so weit gekommen sind und wenigsten neun Prozent versteigert werden.

    Klein: Der hessische Wirtschaftsminister Alois Rhiel war das. Danke Ihnen für das Gespräch, Herr Rhiel.

    Rhiel: Bitte, Frau Klein.

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