Donnerstag, 28. März 2024

Richter im Radio
"In einer sozialistischen Gesellschaftsordnung gibt es derartige Strafen einfach nicht mehr"

11. Dezember 1989. Ein Ost-Berliner Richter im DDR-Rundfunk zur geplanten Reform des Strafgesetzbuches.

11.12.2014
    Das Gelände des ehemaligen Rundfunks der DDR in der Nalepastraße in Berlin - aufgenommen 2006.
    Das Gelände des ehemaligen Rundfunks der DDR in der Nalepastraße in Berlin - aufgenommen 2006. (picture-alliance/ ZB / Soeren Stache)
    Reporter: "Für mich ist bemerkenswert, dass es das Delikt des Amtsmissbrauchs im alten Strafgesetz ja gar nicht gegeben hat und dass es nun aufgenommen wird."

    Richter: "Das muss ich auch so sehen. Tatsächlich kam in letzter Zeit, als wir nun so nach und nach feststellten, welche Form des Amtsmissbrauches, der Korruption, es in unserem Lande leider Gottes gegeben hat, dass wir derartige Straftatbestände gar nicht haben. Ich weiß nun nicht, warum nicht. Sie sind, soweit ich informiert bin - und ich bin ja nun erst seit sechs Jahren Richter nach meinem Studium - in der Gegend um 1968 aus dem Strafgesetzbuch wohl entfernt worden. Aus meiner Sicht sicherlich unter der Situation, dass man sagt, in einem sozialistischen Staat, in einer sozialistischen Gesellschaftsordnung, wie wir es sind, mit all diesen Vorzügen, gibt es derartige Strafen einfach nicht mehr. Man hat dort sicherlich die Augen verschlossen und hat gesagt: 'Nein. Das ist es nicht. Das gibt es nicht mehr und damit brauchen wir auch die Straftatbestände nicht mehr.'"