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Ridley Scotts Film "Exodus"
Bibel als Leinwandepos

Eine der schönsten Szenen der Filmgeschichte ist der farben- und detailreiche Auszug aus Ägypten, wie ihn Cecil B. de Mille in seinem Film "Die zehn Gebote" inszenierte. Ridley Scott hat in seiner neuen Version des Stoffs große Namen gewählt - Hauptdarsteller Christian Bale ist einer von ihnen.

Von Rüdiger Suchsland | 25.12.2014
    Christian Bale in Ridley Scotts Film "Exodus"
    Christian Bale in Ridley Scotts Film "Exodus" (dpa / picture alliance / Tass)
    Ägypten - das ist im Hollywoodkino seit jeher das Reich der süßesten Träume: Ein Reich der Sinnlichkeit, des Exzesses, der archaischen Werte und der spektakulären Kulissen. Dieser fiktive Orient wurde am monumentalsten in Szene gesetzt vor 50 Jahren in Joseph Mankiewiczs Epos "Cleopatra" und zuvor in den zwei Versionen der "Zehn Gebote", die Cecil B. De Mille zunächst als Stummfilm inszenierte und 1956 dann mit Charlton Heston als Moses und Yul Brynner als dessen anfänglicher Freund, der Pharao Ramses, der zum brutalen Gegenspieler wird.
    An diese Filme schließt der britische Hollywood-Veteran Ridley Scott in "Exodus" nun an - mit den Mitteln modernster Technik. Wie schon im Kreuzzugsdrama "Königreich des Himmels" und in "Robin Hood" versucht sich Scott nun einmal mehr auch an der Wiederauferstehung eines ausgestorben geglaubten Typus von Kino, des Inszenierungsstils eines Goldenen Filmzeitalters.
    Das Ägypten, wie es Scott zeigt, entspricht unserem heutigen, befremdet-faszinierten Blick auf andere Imperien jenseits des Westens. Es ist zivilisiert, technisch hochgerüstet und von fortwährenden großen Baumaßnahmen geprägt - und besitzt doch alle Klischees des Orientalismus: Tierfelle auf dem Boden und kryptisch-grell gemusterte Stoffe an der Wand, Schlangen als Haustiere und hübsche Sklavinnen als Spielzeug der Despoten.
    Christian Bale als grandioser Hauptdarsteller
    Ridley Scotts Moses ist der Gegenentwurf zu solcher hedonistischen Dekadenz: Ein nur einfachen Genüssen zugetaner Asket. Ein Schweiger. Ein kühler Denker. Ein Kämpfer und mitreißend-charismatischer Führer, kurz: ein Superheld. Keinen besseren Darsteller hätte Scott für diese Rolle finden können, als Christian Bale, der seit seinen drei Batman-Auftritten auf die Rolle des einsamen Superhelden festgelegt zu sein scheint.
    "I came to tell you something is coming, that is far beyond my control. Unless you set my people free."
    Bales Leistung trägt den Film - es ist beachtlich, wie es ihm gelingt, sich gegen Effekte und Maske zu behaupten, und den Wandlungsprozess seiner Figur vom Höfling der Macht zum Widerständler und Befreier ihrer unterdrückten Sklaven darzustellen.
    Die Stationen der Handlung sind vorgegeben: Die Flucht Mose, seine Rückkehr, die biblischen Plagen, der Auszug der Israeliten aus Ägypten, die Teilung des Roten Meeres, der Empfang der Zehn Gebote - kein Moses-Film kann auf diese Episoden verzichten.
    Ganz in Hollywoods Tradition schafft Scott deutliche Analogien zwischen dem "von Gott auserwählten Volk" der Hebräer und zeitgenössischem US-amerikanischen Freiheitspathos: Moses tritt für gleiches Recht für alle und für individuelle Freiheiten ein. Ironischerweise preist der Film Verhaltensweisen, die in der amerikanischen Gegenwart sonst gern als "Fundamentalismus" und "Terrorismus" negativ konnotiert sind.
    "You have honored me with your trust ... If you stay, you will perish, follow me, you will be free! Do not be afraid God is with us!"
    Besonders anfangs dominiert das Spektakel: Die Pracht am Hof des Pharao, eine große Schlachtszene, in der zwischen Pfeilhagel und Wagenkämpfen die Hethiter besiegt werden.
    Permanentes Spektakel und Schauwerte
    Ästhetisch ist "Exodus" gelungenes, aber konventionelles Monumentalkino. Auch diesmal kann die 3-D-Technik nicht voll befriedigen: Flächig und porös haben viele Bilder eine irreale Anmutung, gerade in Momenten großer Bewegung.
    Manchmal wirkt "Exodus" gedrückt unter der Last, permanentes Spektakel und Schauwerte bieten zu müssen, der Film hat fraglos seine großen Momente, ist aber nicht aus einem Guss.
    Zweimal immerhin betritt der Film visuell Neuland: Zum einen in der Darstellung Gottes, der hier bei seinen Zwiegesprächen mit Moses die Gestalt eines Kindes annimmt.
    Zum anderen in der originellen Darstellung der Plagen: Wenn Krokodile Menschen angreifen, der Fluss sich und bald auch die Reisfelder rot färbt, und die Frösche noch die Palastbetten bedecken, dann ist das barockes, bildkräftiges Kino. Auch Heuschrecken und Froschplage, Blitze und Tornados, und ein Tsunami im Roten Meer geben Scott die Gelegenheit zu starken Bildern.
    Hier scheint dieser Regisseur sich von der Last des Vorgegebenen einmal lösen zu können und ganz zu sich selbst zu kommen: Ein Meister des Bewegungskinos, der Action gern mit historischen Rekonstruktionen verbindet.