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"Rio+20": Gute Ansätze für Nachhaltigkeit

Die Bilanz der UN-Konferenz "Rio+20" fällt höchst unterschiedlich aus, auch auf der Jahreskonferenz des Rates für Nachhaltige Entwicklung in Berlin. Während die neue Vorstandsvorsitzende Marlehn Thieme viele gute Ansatzpunkte feststellt, fehlen für Vize Olaf Tschimpke feste Ziele und Zeitrahmen sowie vor allem eine Führungsrolle.

Von Dieter Nürnberger | 25.06.2012
    Die Bewertung des Nachhaltigkeitsgipfels in Rio fällt derzeit in Deutschland ja eher bescheiden aus. Es gibt sehr viel Kritik, dass nur wenig Konkretes beschlossen wurde. Da durfte man heute gespannt sein, wie die Deklaration von Rio denn innerhalb des Nachhaltigkeitsrates der Bundesregierung bewertet wird. Der Rat, der die Regierung berät, hat auch eine neue Vorsitzende: Marlehn Thieme ist bislang Mitglied des Rates der Evangelischen Kirche gewesen. Marlehn Thieme spricht von einem mageren Ergebnis, aber sie sieht auch ein paar Pluspunkte.

    "Das Kleingedruckte - was man vielleicht erst realisiert, wenn man sich sozusagen entemotionalisiert hat – ist schon nicht zu verachten. Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNEP bekommt mehr Geld, es ist vereinbart, dass die Entwicklungsziele mit Nachhaltigkeitszielen weiterentwickelt werden sollen. Auch die Nachhaltigkeitsziele für die Ozeane und den Schutz der Böden sollen vereinbart werden. Ich glaube, es sind mehr Handlungsoptionen vorhanden, die wir dann aber auch ergreifen müssen."

    Aber auch innerhalb des Rates für Nachhaltige Entwicklung ist die oft zitierte Frage, ob das Glas nun halb leer oder halb voll sei, nicht eindeutig zu beantworten. Olaf Tschimpke ist der Präsident des Naturschutzbundes Deutschland NABU – und er widerspricht als Vize-Vorsitzender des Rates hier auch schon mal der neuen Vorsitzenden. Marlehn Thieme sieht es beispielsweise als Erfolg an, dass die vielseitigen Probleme, die ungelösten ökologischen und auch sozialen Probleme, endlich einmal niedergeschrieben und auch beschrieben wurden. Olaf Tschimpke sagt, dass genau dies eigentlich auf jedem bisherigen Erd- oder Nachhaltigkeitsgipfel passiert sei.

    "Die Beschreibung der Aufgaben und Herausforderungen, das ist ja schon 1992 auf dem ersten Gipfel passiert. Da haben wir tatsächlich schon 20 Jahre hinter uns. Das darf man nicht vergessen. Wenn das jetzt ein neuer erster Prozess gewesen wäre, hätte ich gesagt, das ist so in Ordnung. Aber dem ist ja nicht so."

    Auffällig in Rio war, dass so gut wie keiner der Teilnehmer oder der dort vertretenen Staatenbünde eine ökologische Führungsrolle eingenommen hat. Olaf Tschimpke sieht darin ein wesentliches Problem. Auch die EU, die auf früheren Gipfeltreffen noch mit Ideen oder auch mit zusätzlichem Geld für ihre Ziele geworben hatte, sei diesmal so gut wie ausgefallen, so der NABU-Präsident.

    "Wir hatten uns schon erhofft, dass man nach diesen zwanzig Jahren eine neue Vision – am besten mit festen Zielen und einem festen Zeitrahmen – vereinbart. Uns fehlt auch eine Führungsrolle: Europa war dazu nicht mehr fähig, da man mit anderen Dingen massiv beschäftigt ist. Die Schwellenländer sind noch nicht bereit, diese Rolle auszufüllen. Und die USA fallen derzeit als Akteur auch aus. Deswegen ist man in einer komplizierten Lage."

    Die Staaten haben hier also versagt, so die Meinung einiger Teilnehmer. Doch wer könnte ein solches Vakuum ausfüllen? Zumindest habe der Gipfel gezeigt, dass auch die Städte und Metropolen künftig eine größere Rolle spielen sollen. Ein Großteil der Menschheit lebt ja in ihnen – Wolfgang Schuster ist seit 1997 Oberbürgermeister in Stuttgart, er sieht hier eine Option für eine effizientere Zusammenarbeit.

    "Weil wir nun mal auch Wissensträger in vielfältiger Hinsicht sind. Von der Abfallwirtschaft bis hin zur Wasserversorgung. Sozusagen quer durch die ganzen Aufgaben, die sich ja auch im Rio-Dokument wiederfinden. Wir haben uns in Deutschland ja auch vorgenommen, die Energiewende zu meistern. Dieses Wissen sollten wir auch für einen Technologietransfer nutzen. Lasst uns das doch vorantreiben, damit von unten her eine nachhaltige Entwicklung möglich wird!"

    Soweit diese ersten Einschätzungen zum Rio-Gipfel von der Jahrestagung des Nachhaltigkeitsrates. Zurück nach Köln.