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Robin Hood und sein Gesellen

Bonnie und Clyde, der Schinderhannes im napoleonischen Rheinland oder Robin Hood - sie alle sind in der Legende Räuber und Banditen, die sich nicht einfach bereichern wollten, sondern für das Recht der Armen kämpften. Der Historiker Eric Hobsbawm fasst in seiner aktualisierten Sachbuchausgabe "Die Banditen" Legenden und Geschichten der Sozialrebellen zusammen.

Von Michael Rutschky | 11.11.2007
    Wir kennen ihn alle: aus dem Sagenbuch, aus den Comics, aus dem Kino. Jeder Knabe steckte schon mal in seinem Kostüm, dem Wams und den Strumpfhosen, und hatte seinen Flitzebogen in der Faust. Man brauchte sich bloß mit den Kumpels im nächsten Wald zu treffen und auf Unfug zu sinnen.

    "Robin Hood, der Held einer Reihe englischer Volksballaden, war der Sage nach ein Earl of Huntingdon, in Wirklichkeit aber ein angelsächsischer Freisasse, der unter Richard I., gestorben 1199, nach anderen unter Heinrich III., gestorben 1272, und Eduard I., gestorben 1307, lebte und nach der Niederlage der sächsischen Volkssache in der Schlacht bei Evesham 1265 in die Wälder floh, wo er als Geächteter mit seinen Genossen jahrzehntelang sein Wesen trieb, gutherzig und mild gegen das Volk, grausam und unerbittlich gegen die normännischen Großen und die Priester. Der Wald von Sherwood war vorzugsweise der Schauplatz seiner Thaten."

    So respektvoll formuliert es Ende des 19. Jahrhunderts ein repräsentatives deutsches Konversationslexikon. Anfang des 21. Jahrhunderts kann man ihn in den Sonntagsprogrammen des Fernsehens regelmäßig bewundern, Robin Hood, dargestellt von Erroll Flynn, in einem der ersten großen Farbfilme Hollywoods.1938 hat ihn Michael Curtiz gedreht, der eigentlich Mihail Kertesz hieß und aus Ungarn stammte und dem die Kinogeher noch eine andere ganz große Geschichte über den Kampf um Gerechtigkeit verdanken, den Kampf gegen den Tyrannen und gegen die Besatzer, den Film "Casablanca" mit Humphrey Bogart und Ingrid Bergman, 1942.

    So gelangt man mit dem Namen Robin Hoods - der vermutlich nie existiert hat als historische Person, so wie der König Artus, ein anderer Superheld der jugendlichen Imagination - so gelangt man gleich in ein dichtes Netz der Erzählungen.

    Eric Hobsbawm nimmt schon lange an ihnen teil. Ein Buch von ihm mit dem Titel "Die Banditen" erschien zuerst 1969. Die sechziger Jahre, als die Knaben, die in den Nachkriegswäldern Robin Hood gespielt hatten, rebellische Bücher lasen, um selber Rebellen zu werden. Was Eric Hobsbawm über den Typus des Sozialbanditen zu sagen hatte, hörte sich vielversprechend an:

    "Es ist das besondere Merkmal der Sozialbanditen, daß Feudalherr und Staat den bäuerlichen ’Räuber’ als Verbrecher ansehen, während er jedoch weiterhin innerhalb der bäuerlichen Gesellschaft bleibt und vom Volk als Held, Retter, Rächer und Kämpfer für Gerechtigkeit betrachtet wird; vielleicht hält man ihn sogar für einen Führer der Befreiung; jedenfalls für einen Mann, den man zu bewundern hat, dem man Hilfe und Unterstützung gewähren muß."

    So liest man es auch in der überarbeiteten Neuausgabe, in der Eric Hobsbawm das Buch um zwei substanzielle Kapitel erweitert hat. Dabei geht das Buch namens "Die Banditen" - um die Geschichte weiter zu komplizieren - auf eines zurück, das Hobsbawm 1959 veröffentlichte. Auf Deutsch hieß es "Sozialrebellen. Archaische Sozialbewegungen im 19. und 20. Jahrhundert". Es bestand gewissermaßen aus Kasuistik, Einzelstudien zu solchen archaischen Rebellionen, gegen die expandierende Welt der Moderne, des Kapitalismus, des Zentralstaats. Hobsbawms Aufschlüsse, beispielsweise über den großstädtischen Mob, lesen sich immer noch vielversprechend und setzen das Grübeln in Gang: Ob irgendwelche Fäden diesen archaischen Mob mit den Krawallen verbinden, die lange Jahre Berlin-Kreuzberg am 1. Mai beschäftigten? Oder den Jugendkrawallen in den französischen Vorstädten, aus der jüngsten Vergangenheit?

    "Der klassische Mob begann seine Tumulte nicht nur aus Protest, sondern weil er dadurch etwas zu erreichen hoffte. Er nahm an, daß die Behörden gegenüber seinen Schritten empfindlich seien und ihm irgendwelche augenblicklichen Konzessionen machen würden; denn der ’Mob’ war nicht nur eine zufällige Menschenansammlung, die lediglich durch einen ad hoc bestimmten Zweck verbunden war, sondern war als ein permanent existierendes Wesen anerkannt."

    Eric Hobsbawm, geboren 1917 in Alexandria, also 90 Jahre alt, mit anglo-österreichischen Ahnen, ist einer jener Weltweisen aus jüdischer Familie, die in allen bedeutenden Universitäten gelehrt haben; der Name "Hobsbawm", heißt es, bei dem der Laie flüchtig Schottland oder Wales assoziiert, verdanke sich einer Art Oberflächenübersetzung des deutschen Wortes "Obstbaum". Eric Hobsbawm ist Historiker; und er ist unverändert Marxist, er durchmustert die Geschichte nach der Vorgabe gewisser Marxscher Grundgedanken. Freilich auf eine ganz unvoreingenommene Weise, so dass seine hoch gerühmte Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts, die 1994 unter dem Titel "Das Zeitalter der Extreme" erschien, verständlich und plausibel machen konnte, wieso so viele Menschen so lange glaubten, die Sowjet-Union sei ein hoffnungsvolles Projekt, die kommunistische Partei - der Hobsbawm selber lange angehörte - die Verkörperung eines überlegenen Geistes.

    "Die Macht der weltrevolutionären Bewegungen beruhte auf der kommunistischen Organisationsform nach Lenins ’neuem Parteitypus’, einer gewaltigen Innovation für die Gesellschaftskonstruktion des 20. Jahrhunderts, vergleichbar nur mit der Begründung der christlichen Klosterkultur und anderer Orden des Mittelalters. Selbst kleine Organisationen konnten dadurch unverhältnismäßig starke Wirkungskraft entfalten, denn mehr noch als militärische Disziplin und Zusammenhalt gelang es der ’Partei’, von ihren Mitgliedern ein außerordentliches Maß an Hingabe und Selbstaufopferung und die vollständige Konzentration auf die unbedingte Ausführung aller Parteibeschlüsse einzufordern. Sogar gegnerische Beobachter waren davon tief beeindruckt."

    Doch hauste sie nicht im Sherwood Forest, die kommuistische Partei, wie Lenin sie erfunden hat; und Robin Hood wäre unter keinen Umständen ihr Mitglied geworden.

    Selbst wenn er niemals unter diesem Namen existiert hat, Eric Hobsbawm findet ihn unter anderen Namen in ganz unterschiedlichen Zeiten, an ganz verschiedenen Orten: im alten China ebenso wie in Lateinamerika, im Wilden Westen und auf dem Balkan, in Sizilien und im napoleonischen Rheinland. Schinderhannes heißt der edle Räuber oder Salvatore Giuliano - der Kinogeher erinnert sich an einen berühmten Film von 1961 "Wer erschoß Salvatore G.?" - Jesse James hieß der Bandit, und der Kinogeher hat gleich eine Sammlung von Hollywoodstars vor Augen: Bonnie und Clyde, oder der Bandit hieß Andras der Schäfer, Matthias Klostermayr, Joaquin Morieta. Das Buch enthält am Schluß ein eigenes Banditenregister.

    Zuweilen steigt der Bandit zum König auf, und der Leser denkt unwillkürlich an Tito, der in Jugoslawien womöglich eine Dynastie begründet hätte, wäre Königtum mit Kommunismus vereinbar. Eric Hobsbawm berichtet von der deutschen Räuberromantik, die Schillers rebellisches Drama ebenso enthält wie den Schauerroman "Rinaldo Rinaldini" von Goethes Schwager Christian August Vulpius. Hier entsteht ein interessantes Problem: Der edle Räuber ist untrennbar mit seiner eigenen Legende verwoben, wie schon Robin Hood lehrt, der womöglich ausschließlich aus dieser Legende besteht. Die Legende ist so mächtig, daß sie sich mehr oder minder geeignete Gestalten umstandslos einverleibt.

    "Auf diese Weise ist eine klassische karpatische Banditenlegende in den polnischen Beskiden entstanden, nämlich um einen Jan Salapatek - "der Adler", 1923 bis 1955 - der während des Krieges in der polnischen Heimatarmee gegen die Besatzer gekämpft hatte, sich nach dem Krieg dem antikommunistischen Widerstand anschloß und offenbar als Geächteter in den unzugänglichen Hochwäldern blieb, bis er von Agenten der Krakauer Geheimpolizei getötet wurde.

    Wie auch immer diese Laufbahn im einzelnen ausgesehen haben mag: Angesichts des Mißtrauens, das Bauern gegenüber neuen Regimen hegen, läßt sich sein Mythos nicht von der traditionellen Legende vom guten Banditen unterscheiden. Der gute Bandit tut niemandem Unrecht. Er bestahl Kooperativen, aber niemals einfache Menschen. Der gute Bandit existiert stets im Unterschied und im Gegensatz zum bösen Räuber. Er verteilte Süßigkeiten auf dem Schulhof, ging zur Bank, brachte Geld mit - und, wie der Anthropologe Andrzej Mankowski berichtet - ’warf es auf den Dorfplatz und sagte: ’Nehmt es, das ist euer Geld, das nicht dem Staat gehört.’’ Daß Salapatek im gleichen Ort wie Papst Johannes Paul II. geboren wurde, mag man für bedeutsam halten oder auch nicht."

    Eric Hobsbawm, der Marxist, verschmäht es, die Banditen in dekonstruktivistischer Manier restlos mit ihrer Legende zu verschmelzen. Je weiter entfernt er sich im Raum und der Zeit befindet, umso schwieriger wird die realistische Darstellung. Es erleichtert Hobsbawm die Arbeit, dass der Bandit eher eine anthropologische denn eine historische Gestalt abgibt.

    Hobsbawm fächert sie in einer Typologie auf. Der edle Räuber unterscheidet sich vom Rächer, der wegen seines Macht- und Blutdursts Hochachtung erringt und Balladen zeitigt. Vom Rächer wiederum unterschiedet sich der Heiduck, der in den öden Ebenen Südosteuropas mit seinesgleichen freie Ritterbanden bildet, die es sogar zu staatsartigen Kleinorganisationen bringen - freilich auch als Dienstpersonal einem deutschen Fürsten zur Verfügung stehen können. Zuweilen geht der Bandit in den Helden des nationalen Befreiungskampfes über; ein andermal ist er der brutale Räuber, der den Reichen mit Gewalt ihren Besitz abnimmt und damit weithin sichtbar verdeutlicht, dass sie ihn auch bloß mit Gewalt zusammengeraubt haben.

    Was macht den Banditen zu einer anthropologischen Kategorie, zu einer Gestalt, die in allen Gesellschaften irgendwann aufzutreten eine gewisse Chance hat? Hier kommt Eric Hobsbawm, der unerschütterliche Marxist, zu seinem Recht. Modellhaft schaut die Situation so aus:

    Eine lokale Bauerngesellschaft lebt von ihrer Landwirtschaft, bis fremde Mächte eindringen und sie unterwerfen. In der Sage von Robin Hood sind das die Normannen, die die einheimischen Angelsachsen versklaven und ausbeuten. Auf dem Balkan sind es die Türken, im Rheinland die Franzosen, in Lateinamerika die Spanier oder die Nordamerikaner. In dem Exempel von Jan Salapatek waren es die deutschen Nazis; später ist es die kommunistische Partei: Gern fasst die unterworfene Urbevölkerung den Eroberer gar nicht ethnisch auf, die Türken, die Normannen, die Spanier, sondern einfach als die weiter entfernte, zentral zugreifende Macht. In seiner Studie von 1959 über die "Sozialrebellen" muss Hobsbawm immer wieder auf den soliden Antisemitismus zu sprechen kommen, der die archaische Rebellion gegen zugereiste Okkupanten und Machthaber begleitet.

    Der Bandit, das ist der Agent der Abscheu, des Hasses, des Rache- und Blutdursts, der Ressentiments, welche die einheimische Bevölkerung gegen die fremden Herren erfüllen. Der Bandit tritt auf im Namen des alten, eingefleischten Rechts, das jene außer Kraft setzen. Indem er die neuen Herren beraubt, erniedrigt, vertreibt, ermordet, stillt er das Gerechtigkeitsverlangen ebenso wie den Rachedurst der Urbevölkerung.

    Das marxistische Modell ist gut zu erkennen, obwohl Hobsbawm es nirgendwo ausdrücklich aufstellt. Einst lebte die Menschheit in kleinen Horden, die sich mühsam mittels Subsistenzwirtschaft reproduzierten. Garten- und Ackerbau und Viehzucht verschafften mehr oder minder ausreichend die notwendigen Lebensmittel; es gab so gut wie keinen Markt, auf dem sich die spärlichen Güter in das Teufelszeug der modernen Welt und ihrer Entfremdung hätten verwandeln können, in Waren, geschweige dass es den alles vergiftenden Teufelsdreck der modernen Welt gegeben hätte, das Geld.

    Alle Güter besaßen ausschließlich Gebrauchswert; wenn es zum Tausch kam, dann zu dem von Gaben, eine Form von Tausch, die stets die persönlichen Beziehungen der Teilnehmer aufbewahrt. Was mit den fremden Eindringlingen kommt, das ist der Markt, das sind erweiterte und anonyme Politikstrukturen, das ist eine unsichtbare Herrschaft dort drüben, hinter jenen Bergen. Gegen sie geht der Bandit an, letzten Endes ohnmächtig und ineffektiv; doch zeugen Balladen und Sagen bis ins 20. Jahrhundert hinein von der heroischen Überzeugungskraft dieser nostalgischen Rebellion.

    Eric Hobsbawm ist viel zu stark der versierte Wissenschaftler und Weltbürger, als dass er sich von dieser Nostalgie verführen ließe. Sie liegt nur als feiner, kaum wahrnehmbarer Glanz auf manchen Schilderungen. Beispielsweise diesem Hut eines brasilianischen Banditen, von der Polizei 1938 inventarisiert:

    "Leder, Hinterwäldlerstil, mit sechs Davidsternen verziert; lederner Kinnriemen, 46 cm lang, mit 50 goldenen Schmuckstücken unterschiedlicher Herkunft verziert; Kragen- und Manschettenknöpfe, rechteckige Plaketten, in welche die Worte Erinnerung, Freundschaft, Heimweh eingraviert sind; Ringe mit Edelsteinen; ein Ehering mit dem Namen ’Satinha’. An der Vorderseite des Hutes ein Lederstreifen, 4 mal 22 cm mit folgenden Verzierungen: zwei Goldmedaillen mit Inschrift ’Der Herr sei Dein Führer’, zwei Golddukaten, ein altes brasilianisches Goldstück mit dem Abbild Kaiser Pedros II., zwei noch ältere Goldstücke, 1776 und 1802. Ein ebensolcher Lederstreifen auf der Hinterseite des Hutes, dekoriert wie folgt: zwei Goldmedaillons, ein Diamant mit klassischem Schliff, vier andere Diamanten mit modernem Schliff."

    Doch, so kann man sich die Kopfbedeckung von Robin Hood vorstellen - auch wenn Erroll Flynn in Michael Curtiz' Film das kanonisch-freche Filzhütchen mit Vogelfeder trägt. Die Banditen charakterisiert eine besondere Art von Eitelkeit.

    Das kann man auch für Gudrun Ensslin sagen, oder Andreas Baader, der die pompöse Kopfbedeckung durch schwere Autos ersetzte - in einem der neuen Kapitel seines Buches diskutiert Eric Hobsbawm die Entwicklungen, die der Sozialbandit in jüngster Zeit genommen hat.

    Genommen hat, seit er den Typus in seinem Buch über "Sozialrebellen" entwickelte. Hobsbawm erzählt, man habe ihn darüber informiert, dass jenes Buch - aus dem dies hier über die Banditen hervorging - in den sechziger Jahren die Studentenrebellen von Berkeley, Kalifornien, inspirierte. Hobsbawm diskutiert ausführlicher das Exempel der vergessenen Symbionese Liberation Army, die Anfang der Siebziger ihre Viertelstunde Weltruhm dadurch einheimste, daß sie Patty Hearst, Tochter eines Medienmoguls - dessen Vater dem Kinogeher als "Citizen Kane" vertraut ist - kidnappte und umdrehte. Schließlich stand die Geisel Patty Hearst selber hinter den Forderungen nach Lösegeld, sie nahm an Banküberfällen teil.

    Freilich drängen sich die Unterschiede auf. Die Sozialrebellen, die Banditen, die an den Übergangsstellen der alten Welt in die Moderne auf die Bühne treten, indem sie archaische Strukturen gegen den neuen Zugriff verteidigen, dieser Typus wird von den Angehörigen der städtisch-studentischen Boheme nur noch zitiert als Role model.

    Entstammen die Banditen ursprünglich der Lebenswelt, die sie verteidigen mit ihrer konservativen Rebellion, so zeichnet sich die Boheme der Sechziger und Siebziger gerade durch ihre Wurzellosigkeit aus. Sie konnte halt in Berkeley ebenso protestieren wie in Paris und Westberlin, massenhaft protestieren unter den Augen der Medien, und einzelne gingen dann über zu dem, was sie bewaffneten Kampf nannten. Eric Hobsbawm, der Marxist, zeichnet die Parallelen zwischen dieser Boheme und Sherwood Forest misstrauisch, mit einem gewissen Ekel. Er hält fest an einem emphatischen Begriff der Erniedrigten und Beleidigten, in deren Namen Robin Hood und seinesgleichen agieren, der Verdammten dieser Erde. Auch unter ihnen gab es Leser seines Buches über die Sozialrebellen, und diese Leser sind ihm wertvoller als die aufgekratzten Studenten in Kalifornien oder Paris.
    "Ende der 1970er Jahre ermunterte ein begeisterter und militanter mexikanischer Leser von ’Primitive Rebels’, dessen Kapitel über das Banditentum zum vorliegenden Buch erweitert wurde, die Aktivisten einer Bauernbewegung im Nordosten des Landes dazu, dieses Buch zu lesen. Die Militanten des ’Campiamento Tierra y Libertad’ glaubten, vielleicht ganz natürlich, das Buch sei schwere Kost. Einen Teil des Buches jedoch verstanden sie, er leuchtete ihnen ein: nämlich der Teil über die Sozialbanditen. Das beweist noch nicht, daß die in ’Banditen’ vorgelegte Analyse richtig ist. Aber es kann den Lesern des Buches die Zuversicht vermitteln, daß es sich um mehr als eine Übung in Antiquarischem oder akademischer Spekulation handelt. Selbst in seinen traditionellsten Formen bedeutet Robin Hood noch etwas in der heutigen Welt, beispielsweise für Menschen wie diese mexikanischen Bauern. Von ihnen gibt es viele. Und sie sollten es wissen."

    In der Zwischenzeit hat sich ein ganz neues Feld eröffnet. Im Irak, in Afghanistan breitet sich, wie man aus der täglichen Medienerzählung immer wieder erfährt, fruchtbar genau das Banditenwesen aus, welches der weise alte Eric Hobsbawm so eindringlich analysiert: Geiselnahmen, Lösegeldforderungen - die Verteidigung der gewohnten Lebensformen gegen die Besatzer aus Persien, von Übersee. Es fällt schwer, es ist unmöglich, diese Banditen in Sherwood Forest, wie ihn die Legende malt, unterzubringen. Wo sonst?

    Hobsbawm, Eric J.: Die Banditen. Räuber als Sozialrebellen
    München, Hanser 2007, 239 Seiten, 19,90 Euro
    Eric Hobsbawm: "Die Banditen - Räuber als Sozialrebellen"
    Eric Hobsbawm: "Die Banditen - Räuber als Sozialrebellen" (Hanser Verlag)