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Rodney-Graham-Ausstellung in Baden Baden
Leuchtende Fotoboxen und skurrile Welten

Von innen erleuchtete Aluminiumkästen mit aufgezogenen Dias: Das sind die sogenannten Lightboxes von Rodney Graham, denen das Museum Frieder Burda in Baden-Baden eine ganze Ausstellung gewidmet. Die Motive: Nachbildungen vergangener Zeiten - mit ironisch-surrealen Details.

Von Christian Gampert | 16.07.2017
    Der Künstler Rodney Graham steht am 05.07.2017 im Museum Frieder Burda in Baden-Baden (Baden-Württemberg) vor seinem Werk " Antiquarian Sleeping in His Shop_ aus dem Jahr 2017. Dieses ist Teil der Ausstellung _Rodney Graham. Lightboxes_ die vom 08. Juli 2017 bis zum 26. November 2017 in dem Museum gezeigt wird. ACHTUNG: Keine Verwendung von Bildausschnitten! Foto: Uli Deck/dpa | Verwendung weltweit
    Auch das Werk "Antiquarian Sleeping in His Shop" aus dem Jahr 2017" ist Teil der Ausstellung. (dpa)
    Die Ausstellung erzeugt beim Besucher Ruhe und Gelassenheit, vielleicht sogar Amüsement und ein bisschen Melancholie - und das ist ja schon mal was. Denn Rodney Graham inszeniert in seinen Fotos vor allem sich selbst, in vielen Rollen. In Baden-Baden ist er als Leuchtturmwärter zu sehen: Der sitzt in dickem Pullover vor einem Bulleröfchen an seinem Arbeitsplatz und studiert ein Buch. Weiß er, wo es langgeht? Nicht wirklich. Statt des Leuchtfeuers für die Schiffe flackert an der Decke ironisch eine kahle Glühbirne. Und neben der Leselampe steht ein Modell des Leuchtturms, in dem der Wärter gerade sitzt.
    Kosmos der Zitate
    Hier haben wir schon fast alle Elemente beisammen, mit denen Graham Kunst macht. Alles ist minutiös arrangiert, ein Zeitalter, hier die 1950er-Jahre, wird exakt nachgestellt. Im Bild selber gibt es dann aber einen Haken, etwas Ironisch-Surreales - also: den Turm im Turm. Der übrigens der Nachbau des echten "Minot’s Ledge Lighthouse" im Hafen von Boston ist.
    So verweist das eine auf das andere, es entsteht ein geschlossener Kosmos der Zitate - und ein Kosmos der Erinnerung. Denn vieles an Grahams Kunst ist nostalgisch, ein raunendes Beschwören des Imperfekts, nur dass Graham keine Romane schreibt, sondern Videos, Fotos und Skulpturen produziert und manchmal auch malt. Die gesamte Baden-Badener Ausstellung ist seinen "Light Boxes" gewidmet, jenen hohen, von innen erleuchteten Aluminiumkästen, auf deren durchsichtigem Teil Diapositive aufgezogen werden wie auf einer Werbewand.
    Erfinder der Leuchtkästen ist Jeff Wall
    Diese Präsentationsform, die Leuchtkästen, hat Graham von seinem Lehrmeister Jeff Wall übernommen oder vielleicht auch geklaut - und das ist natürlich das Prekärste, was man den Künstler fragen kann: Wie ist denn Ihr Verhältnis zu Jeff Wall?
    "Wir waren Freunde und seine Arbeit hat mich beeinflusst. Ich meine, die Idee mit den Leuchtkästen - als ich anfing, diese Idee zu gebrauchen, dies Form, da, naja, ich fand das interessanter als eine konventionelle fotografische Präsentation, deshalb hab ich mir das angeeignet."
    Jeff Wall, Ian Wallace und Rodney Graham kommen aus der kanadischen "Vancouver School", einer Richtung konzeptueller Fotografie, die kulturgeschichtlich bedeutsame Codes re-inszeniert. Gemeinsam mit anderen bildeten sie in den späten 70er-Jahren auch eine Rockband. Graham wurde mit seinen zwischen Traum und Wirklichkeit changierenden Videos bekannt, am verstörendsten "Halcion Sleep" von 1994, wo er sich, betäubt mit Schlafmitteln, auf dem Rücksitz eines Busses durch den Regen nach Hause fahren lässt.
    Der Film rekurriert auf Kindheitserinnerungen, Fahrten mit dem Familienbus; ansonsten bezieht sich Graham vor allem auf Künstler und Topoi des 19. und 20. Jahrhunderts: Poe und Wagner, aber auch Western-Mythen und Rock-Geschichte, liebevoll angeeignet und verfremdet.
    Auf der Suche nach der verlorenen Zeit
    In Baden-Baden ist der um sich selbst kreiselnde Kronleuchter das einzige Video, ansonsten gibt es nur Leuchtkästen, die zum Teil als Diptychen und Triptychen angeordnet sind und die Bilderzählung portionieren und zerschneiden. Man sieht aufwendig inszenierte Saloon-Szenen, aber auch den 50er-Jahre-Rockn-Roll-Schlagzeuger, der auf seiner kleinen Trommel das Mittagessen stehen hat. Das hat oft eine Hochglanz-Ästhetik und einen viel zu gefälligen humoristischen Kick, als sei Graham selber auch nur ein "begabter Amateur", so der Titel eines Werks, das einen Neureichen als malenden Möchtegern-Künstler ins Wohnzimmer stellt.
    Richtig zu sich selbst kommt Graham bei den kleinen Dingen, bei den Stillleben. Grandios seine "Drips" an der Wand, nach unten laufende Farbschlieren, und die "Dead Flowers" in seinem Studio. Und paradigmatisch Grahams neuestes, raumgreifendes Triptychon. Es zeigt einen Antiquitätenhändler, der lesend inmitten all seiner Schätze eingeschlafen ist, sanft geborgen im Dämmerlicht des 19. Jahrhunderts. Auch Rodney Graham ist, trotz gelegentlicher Ironie, auf der Suche nach der verlorenen, nach der stillstehenden Zeit.