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Roland Koch meldet sich zurück

Anfang Juli tritt Roland Koch seinen Vorstandsvorsitzenden-Posten bei Bilfinger Berger an. Eine nicht ganz unkritische Personalie, monieren Manche, und sollten es besser wissen: Koch hat sich auch in der Politik mehr als durchsetzungsfähig gezeigt.

Von Anke Petermann | 09.06.2011
    Am Steuer eines kleinen Baggers eröffnete Roland Koch im Mai 2009 die Bauarbeiten der neuen Nordwest-Landebahn am Frankfurter Flughafen. Im August 2010 bewunderte er den Baufortschritt - an einem seiner letzten Arbeitstage als hessischer Ministerpräsident war das Teil seiner Abschiedstournee. Auf dem von Bilfinger Berger gebauten Betonstreifen fühlte sich der Vorkämpfer für die Airport-Erweiterung:

    "... auf sehr sicherem Boden, weil ich weiß, dass die Erweiterung des Flughafens kommen wird ..."

    Samt Zehntausender neuer Arbeitsplätze, prophezeite der damalige Ministerpräsident auf Abruf. "Koch wird Konzernchef" titelte drei Tage danach die Bild-Zeitung - Chef genau jenes Baukonzerns, der mit einem 80-Millionen-Auftrag an dem von Koch forcierten Flughafen-Ausbau beteiligt ist: Bilfinger Berger. Auf die Bild-Meldung folgten erst Dementis - gelogene, wie sich später herausstellte. Dann Klarstellungen: Weder in seiner Zeit als Aufsichtsratschef der Flughafenbetreibergesellschaft bis 2003 noch als Ministerpräsident sei er für die Vergabe von Bau-Aufträgen zuständig gewesen, betonte Koch. Doch ein "Geschmäckle" bleibt, wenn er Anfang Juli seinen Posten als neuer Chef des Baukonzerns antritt. Das meinen jedenfalls manche Aktionäre, die zur Hauptversammlung ins Mannheimer Kongresszentrum Rosengarten gekommen sind.

    "Da gehört normalerweise erstmal eine Auszeit von zwei drei Jahren, dann bin ich damit einverstanden, dass einer so was übernimmt. Nicht von der Politik raus und gleich da wieder rein, das finde ich net gut. Ich hab mich halt gewundert, dass er die Politik uffhört und dann kriegt er einen Posten, wo er das fünf- oder zehnfache verdient wie n Ministerpräsident,"


    ... sagt ein bayrischer Kleinanleger mit Blick auf Kochs mutmaßliches Jahresgehalt als künftiger Vorstandchef von weit über einer Million Euro. Das bekam auch der scheidende Vorsitzende Herbert Bodner. Der formte das weltweit operierende Unternehmen mit schwächelndem Baugeschäft zu einem Dienstleistungs- und Baukonzern um – und sorgte damit für glänzende Business- und Börsen-Erfolge. Kann der Jurist und Politiker Koch dieses hohe Niveau halten? Was qualifiziert ihn für den Posten an der Konzernspitze? Roland Koch beantwortet die Frage am Rande der Hauptversammlung.

    "Ich denke, dass zu den Überlegungen gehört hat, dass dieser Konzern in den nächsten Jahren vor der großen Herausforderung steht, sehr unterschiedliche Elemente zu einem neuen Ganzen zusammenzufügen. Das ist auch eine Arbeit, die sehr viel mit Menschen zu tun hat, mit der Bereitschaft, diesen Weg zu gehen, auch damit zu tun, die Strukturen so zu schaffen, dass das funktioniert – dieses neue Gestalten eines Konzerns ist vielleicht eine Aufgabe, die der ein oder andere mit zutraut."

    Koch trägt dunklen Anzug, das blank polierte Schuhwerk deutlich edler als beim Landebahn-Termin im vergangen Sommer. Als Vorstandschef und neuer Arbeitsdirektor wird er viel vermitteln müssen, um die 61.000 Mitarbeiter vom Polier bis zum Kraftwerksschlosser zusammenzuhalten. Koch, als Vermittler? Der in Wahlkämpfen wie kaum ein Zweiter polarisiert hat? Im neuen Job wird der Ex-Politiker darauf verzichten, da ist Holger Timmer, IG-Metall-Gewerkschafter und neues Mitglied im Aufsichtsrat, zuversichtlich:

    "Weil er bei Bilfinger Berger ja keine Wahlen gewinnen muss. Er muss weiter an einer hochkomplexen Struktur arbeiten. Jemand wie Roland Koch traue ich zu, dass er das kommunikativ angehen kann und auch in der Lage ist, die verschiedenen Beteiligten zu beteiligen."

    Die Kleinaktionäre sind geteilter Meinung über Kochs Fähigkeiten.

    "- Viel halt' ich nicht davon, der hat doch keine Ahnung vom Baufach, der ist Politiker.
    - Ich bin damit einverstanden, weil ich weiß, dass er über Kompetenzen verfügt, er ist ja Wirtschaftsanwalt, versteht also was von der Wirtschaft, – entscheidungsbereit, ich glaube schon, dass er's gut machen wird.
    - Ich mein, dass was man in Hessen g'hört hat, war ja nicht gerade überragend. Ich mein des mit der brutalstmögliche – Sie wissen was ich meine, nee – Jetzt muss er sich einmal bewähren."

    Auf der Hauptversammlung im Mannheimer Kongresszentrum bekommt Roland Koch aber keine Gelegenheit, sich als neuer Chef vorzustellen. Die Regularien sehen das nicht vor. Also sitzt der künftige Boss stumm in der ersten Podiumsreihe. Auch dies eine ungewohnte Rolle für den gewieften Rhetoriker. Seine Krawatte leuchtet im Bilfinger Berger Königsblau mit weißen Streifen. Farben, die Kochs ungewohnte Bräune unterstreichen. Der Unternehmenslenker in spe hat unlängst hat die Tochtergesellschaft in Nigeria besucht - wegen Bestechungsvorwürfen stets gut für schlechte Schlagzeilen. Alte Geschichte, die längst zu Veränderungen im Unternehmen geführt hätte, kontert Koch gelassen. Bereit, die heißen Eisen anzufassen. Der Kölner Untergrund gehört wohl auch zu den Problemfällen.

    "Da ist ja noch nicht so ganz klar, wer jetzt Schuld hat,"

    ... sagt ein Aktionär und meint den Einsturz des Kölner Stadtarchivs. Der könnte mit Pannen beim U-Bahnbau in der Nachbarschaft zusammenhängen. Bilfinger Berger ist federführend am U-Bahnbau beteiligt und hatte Fehler eingeräumt. Den Vorwurf aber, es sei systematisch gepfuscht worden, weist Bilfinger Berger zurück. Belastbare Erkenntnisse zu den Ursachen des Archiv-Einsturzes erwartet der scheidende Vorstandschef Bodner erst 2013. Dann sollte Koch als sein Nachfolger fest im Sattel sitzen. Und bekommt vielleicht eine zweite Chance, sich als brutalst-möglicher Aufklärer zu profilieren.