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Rolando Villazón
Liebeserklärung an Mozart

Durch Zufall stieß Rolando Villazón in einem Münchener Musikgeschäft auf Mozarts Konzertarien für Tenor. Jetzt hat er sie für eine CD-Aufnahme gesungen und dabei seine innere Beziehung zu dem Komponisten nicht versteckt.

Von Klaus Gehrke | 19.01.2014
    Eigentlich verbindet man den mexikanischen Tenor Rolando Villazón eher mit solchen Charakteren wie den Nemorino in Gaetano Donizettis 'Liebestrank', den Alfredo in Giuseppe Verdis 'Traviata' oder den Rodolfo in Giacomo Puccinis 'Bohéme'. Dagegen machte er um Mozarts Helden lange Zeit einen großen Bogen. Das änderte sich, als Villazón ab 2011 eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Salzburger Komponisten begann. Kurze Zeit später sagte er in einem Interview:
    "Ich habe Mozarts Briefe gelesen, und er ist für mich wie zu einem Bruder im Geiste geworden. Ich lese einen Brief von ihm und ich möchte ihm zurückschreiben, ganz ernsthaft und ehrlich: 'Lieber Mozart, zu Deinem letzten Brief möchte ich Dir Folgendes sagen….'. In Zürich habe ich 'Il re pastore' gesungen, dann kam Don Ottavio in 'Don Giovanni' bei den Sommerfestspielen in Baden-Baden. Ich habe da immer mehr gespürt: Jetzt bin ich bereit für Mozart."
    Neue Projekte für Freund Mozart
    Den Don Ottavio sang Villazón auch 2011 im neuen Mozartprojekt des kanadischen Dirigenten Yannick Nézet-Séguin, das die großen Bühnenwerke umfasst und das mit dem "Don Giovanni" startete. Nach "Cosi fan tutte", die Anfang des letzten Jahres auf den Markt kam und in der er den Ferrando sang, legt der Tenor nun eine CD mit Arien vor, die auf der Bühne so gut wie nie und auch im Konzertsaal nicht allzu oft erklingen: denn sie waren als Sängereinlagen für andere Opern gedacht. Beispielsweise komponierte Mozart die groß angelegte Arie "Per pieta, non ricercate" KV 420 1783 für eine Aufführung von Pasquale Anfossis "Il curioso indiscreto" in Wien. Die meisten der insgesamt zehn eingespielten Arien werfen einen interessanten musikgeschichtlichen Blick in die damalige Zeit: Einen Originalitätsgedanken gab es noch nicht und Eingriffe in fremde Werke zur eigenen Profilierung waren völlig normal. Mozart hat offensichtlich gerne solche Gelegenheitsarbeiten angenommen - und daraus so einige Kabinettstückchen gemacht. In der im Mai 1775 komponierten Arie "Con ossequio, con rispetto" KV 210 für Niccolo Piccinis Buffo-Oper "L’astratto" mischen sich humorvoll Ehrerbietung und Beschimpfung - was Rolando Villazón entsprechend darzustellen weiß. Für die gleiche Oper schrieb Mozart ein Jahr später eine weitere kurze Arie, die in ihrer Art die humorvollen Buffonummern Gioacchino Rossinis geradezu vorweg nimmt.
    Entdeckung mit Folgen
    Die Anregung zu dieser Produktion erhielt Villazón übrigens beim Stöbern in einer Münchner Musikalienhandlung, wie er im Booklet der CD schreibt: "Ich suchte eigentlich nach 'Don Giovanni' und 'Cosi fan tutte', als ich diese Ausgabe von Konzertarien für Tenor fand. Ich blätterte den Band durch und sagte: Das ist es. Das ist ein Projekt. Es ist Neuland für uns alle, darin liegt die große Herausforderung, denke ich – darin ist es anders, als wenn man 'Il mio tesoro' singt, von dem wir schon so viele große Interpretationen gehört haben, von so vielen großen Tenören."
    Tatsächlich haben sich bisher nur wenige Interpreten dieser Mozartarien angenommen, beispielsweise Peter Pears oder Christoph Prégardien. Prégardien nahm schon vor der Jahrtausendwende einige von ihnen auf; 2001 erschien eine Aufnahme mit den gleichen Arien, die jetzt auch Rolando Villazón eingesungen hat. Interpretatorisch liegen zwischen diesen beiden Aufnahmen Welten: Zusammen mit dem in historischer Aufführungspraxis bestens informierten L‘Orfeo Barockorchester unter Michi Gaigg spürte Prégardien damals dem Geist der Mozart'schen Zeit nach.
    Mozart mit Belcantonuancen
    Villazóns Blick auf Mozart ist dagegen eher der aus der romantischen Tradition; und dass der Sänger sich vor der Entdeckung seiner Liebe zu Mozart insbesondere mit dem Belcantofach beschäftigt hat, kann man überhören. Er singe Mozart eben auf seine Art und dennoch mit einem Verständnis dafür, was diese Musik von einem verlange, sagte der Tenor in dem schon erwähnten Interview von 2012. Auch das merkt man der Interpretation der eingespielten Arien an: Villazón leuchtet die emotional höchst unterschiedlichen Partien sensibel, ohne Überzeichnung und hin und wieder mit einem Schuss Humor aus. Das London Symphony Orchestra unter Antonio Pappano begleitet nuanciert, frisch und transparent. Rolando Villazóns neues Mozartalbum ist eine durchaus schöne Liebeserklärung des Tenors an den Komponisten – und darüber hinaus eine echte Bereicherung des Klassikrepertoires.
    Musik:
    Deutsche Grammophon: Mozart-Arien für Tenor und Orchester mit Rolando Villazón und dem London Symphony Orchestra, Leitung: Antonio Pappano