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Rolle der Medien
Die Wahrheit in Zeiten des Internets

Fakt oder Fake? Für Frank-Walter Steinmeier entscheidet diese Frage mit über die Zukunft der Demokratie. Und bei der Beantwortung sieht der Bundespräsident besonders Journalisten in der Pflicht, wie er bei einer Debatte im Schloss Bellevue betont.

Von Claudia van Laak | 21.03.2018
    Steinmeier spricht vor Zuhörern. Im Hintergrund das Logo der Reihe "Forum Bellevue"
    Bundespräsident Steinmeier diskutiert im Schloss Bellevue über Fake News (dpa/Wolfgang Kumm)
    Nein, früher war nicht alles besser. Der Amerikanistik-Professor Michael Butter hat die Geschichte von Verschwörungstheorien erforscht. Amerikanische Präsidenten hätten es mit den Fakten noch nie so genau genommen, die meisten seien Anhänger von Verschwörungstheorien gewesen, die Wahlkämpfe von Desinformationskampagnen bestimmt. So als John Adams gegen Thomas Jefferson antrat, erläutert Michael Butter: "Die Anhänger von Adams erklären Jefferson für tot für mehrere Wochen während des Wahlkampfes. Für den braucht Ihr nicht zu stimmen, der lebt gar nicht mehr. Und das funktioniert."
    Fake News - also nichts Neues und keine Erfindung von Donald Trump, wenn auch dem amerikanischen Präsidenten eine besondere Rolle dabei zukommt. Fakten, die nicht in das Weltbild Trumps passten, würden von ihm einfach umgedeutet, sagt Jeff Mason, Korrespondent der Agentur Reuters im Weißen Haus. Tatsachen würden so mir nichts Dir nichts zur Meinung erklärt. "Ich finde, der Begriff Fake News wird missbraucht, vor allem vom Präsidenten, das ist klar. Es gibt bewusst gemachte Fake News, das gibt es. Er aber nutzt den Begriff, wenn ihm etwas nicht gefällt. Das finde ich schade, nicht nur schade, sondern auch gefährlich." Deshalb dürften Journalisten nicht nur berichten, was gesagt werde, sondern müssten auch Kontext und Hintergrund liefern.
    Steinmeier: Gefahr, dass Parallelwelten entstehen
    Für Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hängt die Zukunft der Demokratie davon ab, dass auch künftig zwischen Fakt und Fake, zwischen Tatsachen, Fälschungen und Bewertungen unterschieden werde. "Die Gefahr besteht, dass Parallelwelten entstehen, in denen die Selbstbestätigung durch den Austausch mit Gleichgesinnten vorherrscht und ausgeblendet wird, was der eigenen Sichtweise widerspricht."
    Menschen in diesen Parallelwelten seien Fakten gegenüber unzugänglich - da könnten Medien noch so seriös und transparent arbeiten, meint Michael Butter, der das Ergebnis eines Forschungsprojekts als Beleg anführt. "Also, es gibt empirische Untersuchungen vom Darthmore-College mit Impfgegnern, die Verschwörungstheorien haben. Sie legen ihnen überzeugende Fakten vor, die glauben danach noch mehr an die Verschwörungstheorie als vorher. Warum? Weil sie deren Identität infrage gestellt haben. Was scheint also zu funktionieren? Wenn sie denen ein emotionales Narrativ anbieten. Wenn sie also eine Geschichte erzählen von Kindern, die an Masern sterben. Dann überzeugen sie mehr als sonst."
    Poschardt: Medien müssen dialogbereit sein
    Also mit Emotionen arbeiten statt mit Fakten? Der Chefredakteur der Zeitung "Die Welt" Ulf Poschardt setzt auf einen erklärenden Ansatz. Journalisten müssten noch stärker als bislang ihre elitären Zirkel verlassen und Volkshochschule spielen. "Das ist die große Herausforderung, dass wir uns öffnen auf das, was die Menschen interessiert. Und sie mitnehmen und immer und immer wieder Dialogangebote machen. Wir werden jetzt auch auf unserer Kommentarseite Redakteure draufsetzen, die nur dazu da sind, um mit Menschen Gespräche über Geschichten zu führen."
    Ulf Poschardt bei einem Fernsehauftritt zu Gast bei Anne Will im Februar 2017
    Ulf Poschardt, Chefredakteur von der "Welt" (imago stock&people)
    Dialogbereit sein und Nutzer nicht zu früh aufgeben - selbst die nicht, die sich in sozialen Medien aggressiv und hasserfüllt äußerten. Im Übrigen warnt Poschardt vor zu viel Pessimismus. Befragungen der eigenen Leserschaft hätten ergeben, dass sich junge Leute überproportional für Politik interessierten. "Noch nie wurde man so viel gelesen - wenn man gerne schreibt. Und natürlich sind diese Verbreitungskanäle, auch Twitter, große Möglichkeiten, um Analysen, exklusive investigative Geschichten und Kommentare unter die Menschen zu bringen. Insofern sehe ich eine positive Entwicklung."
    Schulterschluss mit Öffentlich-Rechtlichen
    Poschardt übte auch einen Schulterschluss mit den öffentlich-rechtlichen Medien. Wenn wir als Lügenpresse oder Mainstream-Medien verunglimpft werden, dann doch alle zusammen, so der "Welt"-Chefredakteur, der sich hütete, von "Staatsfunk" zu reden.
    Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verteidigte den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Er persönlich hoffe, "dass uns eine Debatte über die Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erspart bleibt. Ich bin überzeugt, wir brauchen ihn weiterhin. Der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist wichtig für die Demokratie." Allerdings gehöre dazu auch die Debatte, wie der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks am besten erfüllt werden könne.